3. Der Bundesrat bezweifelt, ob sich der Verordnungsvorschlag über das Statut der FE wie vorgeschlagen auf Artikel 352 AEUV stützen lässt.
Nach dem in Artikel 5 Absatz 2 EUV normierten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung darf die EU nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig werden, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben.
Artikel 352 AEUV gestattet den Erlass von Vorschriften, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich ist, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen und die Verträge die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorsehen.
Zur Wahl der Rechtsgrundlage führt die Kommission lediglich aus, dass keine anderen Bestimmungen im AEUV existieren, aus denen die EU Handlungsbefugnisse herleiten könnte, und die bereits bestehenden Formen europäischer Gesellschaften auf Artikel 352 AEUV gestützt wurden. Die sonstigen Erwägungen zur Begründung des Rechtsetzungsvorschlags scheinen darauf hinzudeuten, dass der Vorschlag der weiteren Verwirklichung des Ziels, einen funktionierenden Binnenmarkt zu errichten, dienen soll.
Ob das Statut der FE in der vorgelegten Form zur Verwirklichung des Binnenmarktes tatsächlich beitragen kann, erscheint zumindest zweifelhaft. Gemäß der Legaldefinition des Artikels 26 Absatz 2 AEUV handelt es sich beim Binnenmarkt um einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Der Begriff des Binnenmarktes ist daher eng mit den Grundfreiheiten und der Freiheit von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverfälschung verknüpft. Einrichtungen, die keinen Erwerbszweck, sondern einen gemeinnützigen Zweck verfolgen, fallen nicht in den Anwendungsbereich der primärrechtlichen Niederlassungsfreiheit (vgl. Artikel 54 Absatz 2 AEUV).
Gemäß Artikel 5 des Verordnungsvorschlags handelt es sich bei einer FE um eine für einen gemeinnützigen Zweck gesondert errichtete Einrichtung, die nur in untergeordnetem Umfang (in Höhe von maximal 10 Prozent des Jahresnettoumsatzes) und nur dann einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen darf, wenn der Gewinn ausschließlich zur Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks verwendet wird (Artikel 11 des Verordnungsvorschlags). Eine FE verfolgt daher kraft Definition nicht das Ziel, einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung nachzugehen, sondern ist ihrem gemeinnützigen Zweck verpflichtet. Sie kann sich daher nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen.
Diese sie von den bisherigen europäischen Gesellschaftsformen (Europäische Gesellschaft, Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung und Europäische Genossenschaft) erheblich unterscheidende Zwecksetzung lässt es zumindest fraglich erscheinen, ob das Binnenmarktziel ihre europäische Installation tatsächlich rechtfertigen kann und folglich Artikel 352 AEUV den Verordnungsvorschlag trägt. Denn die Förderung der unter Artikel 5 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags genannten gemeinnützigen Zwecke fällt in dieser
Breite nicht in den Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche, in denen die Union grundsätzlich zum Handel berufen ist.