842. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2008
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Vorlage eines Verordnungsvorschlags für eine Euro-VI-Abgasnorm für schwere Nutzfahrzeuge und Busse durch die Kommission, die der Bundesrat bereits mit Stellungnahme vom 27. Mai 2005 (BR-Drucksache 144/05(B) ) gefordert hat. Die Verschärfung der Abgasgrenzwerte für Stickstoffoxid- und Partikelemissionen ist ein wichtiger Beitrag zur weiteren Verbesserung der Luftqualität in Europa. Die definierten Grenzwerte, die sich an den absehbaren zukünftigen US-Abgasgrenzwerten orientieren werden die Einhaltung der europäischen Anforderungen an die Luftqualität bei Stickstoffdioxid und Feinstaub erleichtern, weil sie flächendeckend wirken. Technische Fortschritte in der Motoren- und Abgasreinigungstechnik sowie Verbesserungen der Kraftstoffe haben die spezifischen Emissionen von Kfz gegenüber 1990 um bis zu 95 % reduziert. Wesentlichen Anreiz gaben dabei die europäischen Abgasnormen. Deren weitere Fortschreibung ist mit Blick auf die enormen Herausforderungen bei der Verbesserung der Luftqualität, insbesondere in Ballungsräumen, dringend erforderlich. Im Gegensatz zu lokalen Maßnahmen wirken Verschärfungen der Emissionsstandards flächendeckend und sind deshalb wichtig.
- 2. Mit den neuen Grenzwerten sollen bereits heute verfügbare Techniken zur Minderung der Partikel- und Stickoxidemissionen bei neuen Nutzfahrzeugen eingeführt werden. Die dadurch zu erwartende Abnahme der Nutzfahrzeugemissionen ist eine wichtige Voraussetzung, um die Immissionsgrenzwerte für PM10, PM2,5 und Stickstoffdioxid auch bei Inanspruchnahme einer künftig möglichen Verlängerung der Einhaltungsfrist insbesondere in hoch belasteten Innenstädten rechtzeitig erreichen zu können.
- 3. Die erst im Oktober 2014 vorgesehene verbindliche Einführung der Euro-VI-Standards erfolgt jedoch viel zu spät. Da die technischen Möglichkeiten für eine durchgreifende Minderung sowohl der Partikel- als auch der Stickoxidemissionen schwerer Nutzfahrzeuge bereits jetzt existieren, sollte die Frist für die verbindliche Einführung der Euro-VI-Norm - analog der Übergangszeit zwischen Euro-IV und Euro-V - auf drei Jahre nach Inkrafttreten der Euro-V-Grenzwerte, also auf 2012, vorgezogen werden.
Die durch die Euro-VI-Standards ausgelöste Reduzierung der Emissionen des Straßenschwerverkehrs leistet andernfalls keinen nennenswerten Beitrag für die seit 2005 für PM10 und bis 2010 für NO₂ einzuhaltenden Immissionsgrenzwerte.
Bei einer zwei Jahre früheren Einführung würde sich der Minderungseffekt schon im Jahre 2015 hingegen mehr als verdoppeln.
Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die verbindliche Einführung der Euro-VI-Norm für das in Verkehr bringen neuer schwerer Nutzfahrzeuge um zwei Jahre auf Oktober 2012 vorgezogen wird.
- (bei Annahme entfallen Ziffern 4 und 5)
- 4. Der Bundesrat hält die bereits in einem europäischen Kompromiss festgelegten Zeitpunkte des Inkrafttretens der Verordnung angesichts der komplexen Abgasreinigungs- und Überwachungssysteme, die zur zuverlässigen und dauerhaften Einhaltung der neuen Grenzwerte erforderlich sind, für angemessen. Unabhängig davon ist die Fahrzeugindustrie aufzufordern, auf freiwilliger Basis schon vor Inkrafttreten der neuen Grenzwerte, entsprechende Fahrzeuge anzubieten, sobald die Entwicklung und Erprobung marktreifer Produkte erfolgreich abgeschlossen ist. Der Bundesrat begrüßt die Möglichkeit der Schaffung finanzieller Anreize für die vorfristige Einführung von Euro-VI-Fahrzeugen.
Die in einem sich abzeichnenden Kompromiss auf europäischer Ebene festgelegten Einführungstermine für die Euro-VI-Abgasnorm ab 2012/2013 gewährleisten dass zur technischen Entwicklung und Erprobung der erforderlichen Systeme zur Reduzierung und Überwachung der Emissionen ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Eine Forderung nach zu schneller Umsetzung der Richtlinie gefährdet die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge und ihrer komplexen Abgasnachbehandlungstechniken im Betrieb. Die technologisch führende deutsche Automobilindustrie konnte in der Vergangenheit regelmäßig und zum Teil deutlich vor den Stichtagen Fahrzeuge mit den neuen Abgasnormen am Markt anbieten. Mit damit verbundenen Nutzungsvorteilen (z.B. Kfz-Steuer, Maut) erwachsen fortschrittlichen Herstellern Wettbewerbsvorteile, die auch der Umwelt nutzen, sobald diese Technologien marktreif sind.
- (entfällt bei Annahme von Ziffer 3; bei Annahme von Ziffer 4 entfällt Ziffer 5)
- 5. Der Bundesrat hält die bereits in einem europäischen Kompromiss festgelegten Zeitpunkte des Inkrafttretens der Verordnung angesichts der komplexen Abgasreinigungs- und Überwachungssysteme, die zur zuverlässigen und dauerhaften Einhaltung der neuen Grenzwerte erforderlich sind, für angemessen. Unabhängig davon ist die Fahrzeugindustrie aufzufordern, auf freiwilliger Basis schon vor Inkrafttreten der neuen Grenzwerte, entsprechende Fahrzeuge anzubieten, sobald die Entwicklung und Erprobung marktreifer Produkte erfolgreich abgeschlossen ist. Der Bundesrat begrüßt die Möglichkeit der Schaffung finanzieller Anreize für die vorfristige Einführung von Euro-VI-Fahrzeugen.
Die bereits in einem Kompromiss auf europäischer Ebene festgelegten Einführungstermine für die Euro-VI-Abgasnorm ab 2013/2014 gewährleisten, dass zur technischen Entwicklung und Erprobung der erforderlichen Systeme zur Reduzierung und Überwachung der Emissionen ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Eine Forderung nach zu schneller Umsetzung der Richtlinie gefährdet die Zuverlässigkeit der Fahrzeuge und ihrer komplexen Abgasnachbehandlungstechniken im Betrieb. Die technologisch führende deutsche Automobilindustrie konnte in der Vergangenheit regelmäßig und zum Teil deutlich vor den Stichtagen Fahrzeuge mit den neuen Abgasnormen am Markt anbieten.
Mit damit verbundenen Nutzungsvorteilen (z.B. Kfz-Steuer, Maut) erwachsen fortschrittlichen Herstellern Wettbewerbsvorteile, die auch der Umwelt nutzen, sobald diese Technologien marktreif sind.
- (entfällt bei Annahme von Ziffer 3 oder Ziffer 4)
- 6. Die eingetretene Verzögerung bei der Vorlage der neuen Emissionsgrenzwerte wird im Hinblick auf die bereits seit 2005 geltenden PM10-Immissionsgrenzwerte und die ab 2010 geltenden NO₂-Immissionsgrenzwerte sehr bedauert.
Die notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen des Straßenschwerverkehrs treten somit erst mit einer großen zeitlichen Verzögerung zu den Immissionsvorgaben in Kraft.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Beratungen auf EUEbene darauf hinzuwirken, dass die Euro-VI-Abgasgrenzwerte auf den anspruchsvolleren und weltweit harmonisierten WHDC-Zyklus bezogen werden.
Dazu ist auf der Grundlage von Korrelationsmessungen eine Umrechnung der Grenzwerte erforderlich. Dies darf allerdings nicht dazu führen, dass sich der Zeitpunkt für die Einführung der Euro-VI-Abgasgrenzwerte verzögert.
Begründung
Eine weltweite Harmonisierung der Vorschriften ist zu begrüßen. Allerdings sind umfassende Anpassungsarbeiten erforderlich, um die feststehenden Euro-VI-Grenzwerte auf den weltweiten WHDC-Zyclus umzustellen. Dies könnte möglicherweise zur Folge haben, dass sich die Einführung von Euro-VI
verzögert. Angesichts der drängenden Luftqualitätsprobleme und der Anstrengungen der Länder zur Sicherstellung der Luftqualität in den Ballungsräumen ist eine mögliche Verzögerung des Einführungstermins nicht hinnehmbar. Erste Priorität hat die Einführung der Euro-VI-Grenzwerte.
- (bei Annahme entfällt Ziffer 8)
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Beratungen auf EU-Ebene darauf zu drängen, die Verabschiedung der Euro-VI-Abgasgrenzwerte letztendlich nicht auf den bisherigen europäischen Fahrzyklus (ETC), sondern auf den anspruchsvolleren und weltweit harmonisierten WHDC-Zyklus zu beziehen. Dazu ist auf der Grundlage von Korrelationsmessungen eine Umrechnung der Grenzwerte erforderlich.
- (entfällt bei Annahme von Ziffer 7)
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiterhin, auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass die begleitend erforderlichen, technischen Detailvorschriften insbesondere zur Überwachung und Kontrolle (On-Board-Diagnosesysteme, Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen etc.) so rechtzeitig vor Inkrafttreten der Euro-VI-Abgasnorm vorliegen, dass ein effizientes Zulassungsverfahren der neuen Motoren ermöglicht wird.
- 10. Ferner wird festgestellt, dass bei den vorgeschlagenen Partikelgrenzwerten die technischen Möglichkeiten der Filtertechnologie nicht genutzt werden. Mit modernen Filtern ist im Vergleich zu den Partikelgrenzwerten der Euro-V-Norm, welche ohne Filter erreichbar sind, eine Partikelreduzierung um 90 % realisierbar. Die Festlegung ambitionierter Partikelgrenzwerte käme vor allem auch der künftig erforderlichen Minderung der PM2,5-Belastung zugute.
Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass im Rahmen der Euro-VI-Norm für schwere Nutzfahrzeuge anspruchsvolle Partikelgrenzwerte festgelegt werden, welche die technischen Möglichkeiten der Filtertechnologie berücksichtigen.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bei der Kommission darauf hinzuwirken, dass sichergestellt wird, dass die Bezugskraftstoffe für die Genehmigungsprüfung entsprechend der Richtlinie 2005/55/EG den auf dem Markt befindlichen Kraftstoffqualitäten entsprechen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 2003/30/EG (Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderer erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor) soll bis 2015 der Bioanteil in den Kraftstoffen weiter erhöht werden.
Dies hat die Bundesregierung mit ihren Meseberger Beschlüssen bekräftigt und sie will die Minderungen der Treibhausgasanteile im Kraftstoff im Bundes-Immissionsschutzgesetz festlegen (BR-Drucksache 7/07). Damit ist absehbar, dass sich die Zusammensetzung der Kraftstoffe in den kommenden Jahren verändern wird.
Die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Einführung von Biodiesel, Rapsöl und Bioethanol haben gezeigt, dass sich eine fehlende technische Abstimmung von Kraftstoff - Motorkonzept - Abgasminderungstechnik negativ auf die Abgasemissionen und den Kraftstoffverbrauch auswirkt.
Nach dem gültigen europäischen Genehmigungsverfahren werden Abgasemissionen und Kraftstoffverbrauch unter Verwendung so genannter Bezugskraftstoffe ermittelt. Diese Bezugskraftstoffe sind ausschließlich fossile Kraftstoffe (Otto, Diesel, Gas) ohne Bioanteil. Das könnte zur Folge haben, dass neue Kraftfahrzeuge so ausgelegt werden, dass sie unter den Bedingungen im Genehmigungsverfahren ein optimales Emissions- und Verbrauchsverhalten aufweisen, dies jedoch nicht mit den real am Markt befindlichen Kraftstoffen mit Bioanteil entfalten können. Daher wird vorgeschlagen, bei der Fortschreibung der Abgasgesetzgebung die sich zunehmend verändernde Kraftstoffzusammensetzung zu berücksichtigen.
- 12. Zu Artikel 10
Die vorgeschlagene Verordnung eröffnet in Artikel 10 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, finanzielle Anreize für eine vorzeitige Einführung des neuen Emissionsstandards Euro-VI vorzusehen. Der Bundesrat begrüßt diese Option ausdrücklich und bittet die Bundesregierung, die vorzeitige Einführung von schweren Nutzfahrzeugen nach der neuen Euro-VI-Norm durch finanzielle Anreize wie eine emissionsabhängige Spreizung der Kraftfahrzeugsteuer und eine stärker emissionsbasierte Ausgestaltung der Autobahnmaut zu forcieren.
Die Bundesregierung wird weiter gebeten, entsprechende Anreize auch bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen für eine vorzeitige Einführung der neuen Euro-V- und Euro-VI-Normen zu schaffen.
Wie bei der Euro-V-Norm ist zu erwarten, dass durch Anreize wie eine Begünstigung bei der Autobahnmaut die Euro-VI-Norm bereits vor dem verbindlichen Termin bei autobahnmautpflichtigen LKW Standard wird. Von der Autobahnmaut sind jedoch nur Lkw über 12 t betroffen. Mit einer emissionsabhängigen Spreizung der Kraftfahrzeugsteuer sollten auch für die übrigen Nutzfahrzeuge entsprechende Anreize geschaffen werden. Entsprechendes gilt für die vorzeitige Einführung der Emissionsgrenzwerte Euro-V und -VI bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen.