11. Der Bundesrat begrüßt nach wie vor, dass die Kommission u. a. das Produktangebot bei Hypothekarkrediten erweitern möchte. Als wichtigste Fragestellung sieht die Kommission hierbei die vorzeitige Rückzahlung von Hypothekarkrediten an. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Sensibilität und Problematik des Themas der vorzeitigen Rückzahlung anerkennt und insoweit noch keine Vorfestlegung getroffen hat, sondern die Möglichkeit einer etwaigen europäischen Regelung zunächst weiter prüfen, insbesondere Kosten und Nutzen verschiedener Optionen analysieren will.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die als Dreh- und Angelpunkt für die Integration dargestellte Regulierung der Möglichkeit vorzeitiger Rückzahlung von Hypothekarkrediten volkswirtschaftlich nachteilig ist.
Der Bundesrat hält einen gesetzlichen Anspruch des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung bei festverzinslichen Krediten für höchst problematisch. Eine solche Regelung würde die günstige Wirkung von Festzinsvereinbarungen zum Nachteil der Kreditnehmer aufheben und ließe die Kreditkosten signifikant steigen. Denn die Einführung eines jederzeitigen Kündigungsrechts würde zwangsläufig in die Konditionengestaltung der Kreditinstitute einfließen.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die zur Diskussion gestellte Regulierung der Möglichkeit vorzeitiger Rückzahlung von Hypothekarkrediten (Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf vorzeitige Rückzahlung, Einführung von Obergrenzen für Vorfälligkeitsentschädigungen usw.) aus Sicht der Kreditinstitute die Rentabilität von Festzinsdarlehen beeinträchtigt. Somit werden die Konditionen für potentielle Kreditnehmer/Wohnungseigentumserwerber verschlechtert. Folglich werden die Zinsen für Festzinsdarlehen steigen oder/und die Kreditinstitute sich vertraglich ebenfalls ein Kündigungsrecht einräumen lassen. Außerdem wird der Marktanteil der Festzinsdarlehen geschwächt, was wiederum die Stabilität des deutschen Immobilienmarkts, zu der die in Deutschland üblichen Festzinsdarlehen erheblich beitragen, beeinträchtigt.
Der Bundesrat weist daher erneut darauf hin, dass der grundsätzliche Ausschluss der vorzeitigen Kündbarkeit von Hypothekardarlehen verbunden mit dem Prinzip der Vorfälligkeitsentschädigung bei ausnahmsweise vorzeitiger Rückzahlung die Grundlage für den langfristigen Festzinskredit ist. Darlehensnehmer wählen für die Dauer der Zinsfestschreibung niedrige Zinsen, schützen sich vor Zinserhöhungen und verpflichten sich im Gegenzug, während der Zinsfestschreibung nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses den Kredit vorzeitig zurückzuzahlen. Eine langfristige Zinsbindung bietet beiden Vertragspartnern Planungssicherheit. Für beide besteht jedoch auch das Risiko einer wirtschaftlich nachteiligen Entscheidung.
Dem festverzinslichen Hypothekarkredit kommt damit Verbraucher schützende Wirkung zu. Ein Eingriff in dieses System würde sich besonders nachteilig für den langfristig planenden und an Sicherheit und Kalkulierbarkeit interessierten Verbraucher auswirken. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Verbraucher bewusst für dieses Modell entscheiden, obwohl in Deutschland auch andere Produkte mit nur kurzfristiger oder ganz ohne Zinsbindung am Markt angeboten werden.
Zudem würden bei einem gesetzlichen Anspruch auf vorzeitige Kündbarkeit des Hypothekarkredits die Grundsätze des deutschen Pfandbriefsystems in Bezug auf Zinskongruenz und Barwertdeckung in Frage gestellt. Der Wegfall einer günstigen Refinanzierung müsste durch steigende Zinskosten kompensiert werden. Darlehen müssen refinanziert werden. Daher muss jede Rückzahlungsmöglichkeit vor Ablauf der Zinsbindung mit einer Vorfälligkeitsregelung verbunden werden.
Die Vorfälligkeitsentschädigung deckt den Schaden des Kreditgebers ab, der durch die vorzeitige Rückzahlung entsteht. Die Höhe des objektiv entstandenen Schadens wird in Anwendung höchstrichterlich anerkannter Berechnungsmethoden ermittelt. Es wäre nicht interessengerecht, das Marktpreisrisiko ausschließlich dem Kreditgeber aufzubürden, der im Falle steigender Zinsen ebenfalls an den Vertrag gebunden ist. Letztlich steht es in der Entscheidung jedes einzelnen Verbrauchers, ob er die Variante des langfristigen Festzinskredits wählt oder sich vertraglich kürzer bindet.
Um die Belastungen so gering wie möglich zu halten, könnten die Kreditgeber ihr Angebot an Verträgen mit langfristiger Zinsbindung verringern und somit die Produktpalette zu Lasten der Kunden einschränken. Das höhere Zinsänderungsrisiko könnte insbesondere bei langfristigen Verträgen zu steigenden Darlehenszinsen führen.