Punkt 35 der 920. Sitzung des Bundesrates am 14. März 2014
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zeitnah eine Gesetzesänderung in die Wege zu leiten, um sicherzustellen, dass bei späterer erstmaliger Eintragung des Geschlechts eines intersexuellen Kindes auch die in diesem Zusammenhang - gegebenenfalls erforderliche - Änderung des Vornamens an das dann feststehende Geschlecht nicht im Wege eines öffentlichrechtlichen Namensänderungsverfahrens durchgeführt werden muss.
Begründung:
Das Personenstandsgesetz sieht in § 27 Absatz 3 Nummer 4 in der seit 1. November 2013 geltenden Fassung erstmals eine Regelung vor, die es ermöglicht, das Geschlecht eines Kindes erst später einzutragen, wenn dieses nach der Geburt nicht eindeutig festgestellt werden kann. Diese besondere Regelung geht auf eine Empfehlung des Deutschen Ethikrates zurück und soll es intersexuellen Kindern und deren Eltern ermöglichen, vor der - vorschnellen - Festlegung eines Geschlechts die Entwicklung des Kindes abzuwarten.
Das Recht/die Pflicht der Vornamensgebung als Ausfluss der Personensorge muss aber auch von den Eltern von Kindern mit nicht feststehendem Geschlecht binnen vier Wochen nach der Geburt in Anspruch genommen werden ( § 22 PStG). Folglich führt das Kind in den in Rede stehenden Fällen bereits einen gegebenenfalls geschlechtsspezifisch nicht passenden Vornamen zum Zeitpunkt des später erstmalig feststehenden Geschlechts.
Ein zusätzliches Verwaltungsverfahren (einschließlich zusätzlicher Kosten) sollte vermieden werden, um nicht den Eltern dieses Recht auf eine dem Kindeswohl entsprechende Vornamensgebung zu erschweren und die Intention des Gesetzgebers des Personenstandsgesetzes, die bürokratischen Hürden für Intersexuelle abzubauen, zu unterlaufen.
Die Neubestimmung eines Vornamens in diesen Fällen wird als "erweiterter" Ausfluss der Personensorge einschließlich des Rechts zur Erteilung eines geschlechtsadäquaten Vornamens gewertet. Die Eltern hätten bei Kenntnis des "richtigen" Geschlechts bei Eintragung des Kindes in das Geburtsregister zweifelsohne auch einen entsprechenden Vornamen gewählt.
Da es die Intention des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang war, Eltern intersexueller Kinder nicht vorschnell zu einer Festlegung auf ein bestimmtes Geschlecht zu zwingen und den verwaltungsförmlichen Aufwand für die betroffenen Personen zu reduzieren, wäre es konsequent gewesen, im Rahmen des Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften vom 14. Mai 2013 das Erfordernis einer förmlichen Namenserklärung der Eltern oder des Kindes gesetzlich (z.B. im BGB) zu regeln und damit die entsprechende Folgebeurkundung im Geburtenregister zu ermöglichen. Dies hat der Gesetzgeber offensichtlich übersehen. Diese Regelungslücke sollte nun nachträglich geschlossen werden.
Aus Aspekten der Gleichbehandlung - Recht der Eltern zur Wahl eines Vornamens orientiert am Kindeswohl - ist es nicht hinnehmbar, dass die Eltern bei nicht feststehendem Geschlecht des Kindes einerseits gezwungen sind, einen - möglicherweise nicht "passenden" - Vornamen auszuwählen, ohne dass das Geschlecht feststeht, anderseits aber trotz erst später feststehenden Geschlechts dann zu diesem Zeitpunkt nur im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Namensänderung von ihrem Recht auf Auswahl eines dem Wohl des Kindes entsprechenden Vornamens Gebrauch machen können. Insofern werden sie gegenüber anderen Eltern ungleich behandelt, bzw. benachteiligt.