Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 15. Dezember 2011 verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes mit folgendem Ziel einberufen wird:
Zur Aufrechterhaltung der Methodenvielfalt außergerichtlicher Konfliktbeilegung soll die richterliche Mediation in den Prozessordnungen ausdrücklich verankert werden.
Begründung:
Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz sieht anders als noch der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Überführung der gerichtsinternen Mediation in ein "erweitertes Güterichterkonzept" vor und lässt die Fortführung der bestehenden Angebote gerichtsinterner Mediation nur noch für einen begrenzten Zeitraum von einem Jahr nach Inkrafttreten zu (vgl. § 9 des Mediationsgesetzes). Zwar wird davon ausgegangen, dass der Güterichter zahlreiche Methoden und Techniken der Mediation einsetzen kann, gleichzeitig wird aber ausdrücklich betont, dass er kein Mediator sei. Ein wesentlicher Unterschied wird darin gesehen, dass der Güterichter anders als ein gerichtsinterner Mediator rechtliche Bewertungen vornehmen und den Parteien Lösungen für ihren Konflikt vorschlagen könne.
Mit dieser Entscheidung für eine Beendigung der Angebote für gerichtsinterne Mediation unter der bisherigen Bezeichnung hat sich der Deutsche Bundestag über die mit großer Mehrheit gefasste Stellungnahme des Bundesrates - BR-Drs. 060/11(B) , Ziffer 1 = BT-Drs. 17/5335, S. 28 - hinweggesetzt. Diese Stellungnahme des Bundesrates wurde bestätigt durch den Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister vom 9. November 2011 (zu Top I.10), die sich ebenfalls dafür ausgesprochen hat, die richterliche Mediation bei Erhalt der Methodenvielfalt gesetzlich zu verankern.
Der Bundesrat hatte seine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wie folgt begründet:
"Nicht zuletzt die Erfolge der Gerichtsmediation in den vergangenen knapp zehn Jahren haben gezeigt, dass Verfahren der konsensualen Streitbeilegung in zeitlicher und finanzieller Hinsicht sowie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch in Deutschland sinnvolle Alternativen zur richterlichen Streitentscheidung bieten können. Der Bundesrat begrüßt es daher, dass die Bundesregierung die notwendige Umsetzung der Mediationsrichtlinie (Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3) zum Anlass nimmt, die konsensuale Streitbeilegung insgesamt zu fördern.
Der Bundesrat teilt auch die Auffassung, dass die außergerichtliche Mediation bevorzugt förderungswürdig ist. Der Bundesrat stimmt mit dem Gesetzentwurf ferner darin überein, dass die gesetzliche Regelung der richterlichen Mediation diesem Förderungsziel nicht widerspricht. Nach weit verbreiteter Ansicht ist zu einer weiteren Etablierung und Inanspruchnahme gerade der außergerichtlichen Mediation eine noch bessere Information der Verbraucherinnen und Verbraucher erforderlich.
Zu der hierfür notwendigen Entwicklung des zutreffenden und zielführenden Methodenverständnisses trägt das inzwischen weit verbreitete Angebot der Gerichtsmediation wie kein anderer Bereich bei. Zudem wäre es nicht verbrauchergerecht, im Falle versäumter oder gescheiterter vorgerichtlicher Streitbeilegung die Gerichtsmediation deshalb zu versagen, weil der objektiv beste Zeitpunkt der Anwendung des konsensualen Streitlösungsverfahrens versäumt sei. Angesichts der bestehenden Entwicklungsdynamik der Methode ist es auch nach Auffassung des Bundesrates derzeit vorzugswürdig, die Vielfalt der bestehenden Angebote in den Ländern aufrechtzuerhalten."
An dieser Einschätzung hat sich seitdem nichts geändert. Die gerichtsinterne Mediation ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil einer modernen und bürgernahen Justiz geworden. Sie führt auch in umfangreichen und komplizierten Verfahren zu raschen und nachhaltigen Lösungen. Gleichzeitig kann sie den Parteien erhebliche Kosten für Zeugen und Sachverständigengutachten oder für den Gang durch die Instanzen ersparen (vgl. Bemerkungen 2011 des Landesrechnungshofes Schleswig-Holstein, S. 60 ff., abrufbar unter www.landesrechnungshofsh.de; Jahresbericht 2010 des Niedersächsischen Landesrechnungshofs, abrufbar unter www.lrh.niedersachsen.de: "Die Gerichtsmediation ist eine wirtschaftliche Art der Streitschlichtung. Ihre Akzeptanz und Verbreitung bedarf der Förderung durch geeignete Maßnahmen. Es fehlt eine gesetzliche Regelung."). Diese Vorteile bestehen auch für die mediationsbegleitenden Rechtsanwälte. Gerichtsinterne und außergerichtliche Mediation sind einander ergänzende Konfliktlösungsverfahren. Die gerichtsinterne Mediation trägt erheblich zur zunehmenden Bekanntheit und Akzeptanz der außergerichtlichen Mediation bei und soll dies auch weiterhin tun. Die ausdrückliche gesetzliche Regelung der richterlichen Mediation widerspricht nicht dem Ziel, die außergerichtliche Mediation zu fördern. Zur weiteren Etablierung und Inanspruchnahme gerade der außergerichtlichen Mediation bedarf es einer umfassenden Information der Bürgerinnen und Bürger.
Zu der hierfür notwendigen Entwicklung des zutreffenden und zielführenden Methodenverständnisses trägt das inzwischen verbreitete Angebot gerichtsinterner Mediation grundlegend bei. Die Richterschaft hat die Mediation auch begrifflich positiv besetzt und ihr Seriosität verliehen. Diese zugunsten der außergerichtlichen Mediation wirkenden Fördereffekte würden erheblich geschwächt, wenn der Begriff der Mediation für das gerichtliche Streitlösungsverfahren nicht mehr verwendet würde. Soweit gesetzliche Klagefristen bestehen, kann eine außergerichtliche Mediation im Übrigen von vornherein keine Alternative gegenüber der gerichtsinternen Mediation darstellen, weil das Gesetz keine Möglichkeit vorsieht, den Ablauf der Klagefrist durch Einleitung eines außergerichtlichen Mediationsverfahrens zu verhindern. Beispielweise besteht für die Klage auf Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen eine Ausschlussfrist von drei Monaten (§ 558b Absatz 2 Satz 2 BGB). Bei Arbeitsverhältnissen besteht für Kündigungsschutzklagen eine Klagefrist von drei Wochen ( § 4 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes). Um in diesen Fällen einen Rechtsverlust zu verhindern, ist zwingend Klage zu erheben. Besonders in diesen Fällen, in denen die Streitsache ohnehin bei Gericht anhängig ist, wäre es nicht angemessen, die Betroffenen von einer bevorzugten richterlichen Mediation abzuschneiden. Angesichts der bestehenden Entwicklungsdynamik der Methode ist es daher unabdingbar, die Vielfalt der bestehenden Angebote in den Ländern aufrechtzuerhalten.
Die vom Deutschen Bundestag beschlossene Überführung in ein "erweitertes Güterichterkonzept" wird dem Bedürfnis für eine Fortführung der Angebote gerichtsinterner Mediation nicht gerecht. Die These, das Güterichtermodell bedeute nicht das Ende der gerichtsinternen Mediation, zieht sich zwar auch durch die Redebeiträge der Plenardebatte am 15. Dezember 2011 im Deutschen Bundestag (vgl. z.B. BT-PlPr 17/149, S. 17838B). Diese Einschätzung sollte allerdings in dem Gesetzesbeschluss deutlicher zum Ausdruck kommen.
Diese Unschärfe soll durch die ausdrückliche Verankerung der richterlichen Mediation in den Prozessordnungen aufgelöst werden, ohne die vom Deutschen Bundestag getroffenen Grundsatzentscheidungen in Frage zu stellen, den Begriff der Mediation in § 1 des Mediationsgesetzes von der Bezugnahme auf ein gerichtliches Verfahren zu lösen und den Einsatz mediativer Elemente zukünftig einheitlich im Rahmen einer Güteverhandlung zum Einsatz kommen zu lassen.