A. Problem und Ziel
- Durch das Vertragsgesetz sollen die erforderlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie der Zusatzprotokolle gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten geschaffen werden. Das Vorgehen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität bedarf der verstärkten internationalen Zusammenarbeit.
B. Lösung
- Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie die Zusatzprotokolle gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten verbessern die völkerrechtlichen Grundlagen für die Verhütung, Bekämpfung und strafrechtliche Verfolgung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität, gerade auch in den durch die Zusatzprotokolle behandelten besonderen Erscheinungsformen. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifizierung des Übereinkommens sowie der beiden Zusatzprotokolle geschaffen werden.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand:
Keine
- 2. Vollzugsaufwand:
Kein Vollzugsaufwand
E. Sonstige Kosten
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie zu den Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 7. Januar 2005
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie zu den Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Gerhard Schröder
Entwurf
Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität sowie zu den Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung von Migranten
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Folgenden völkerrechtlichen Verträgen wird zugestimmt:
- 1. dem in Palermo am 12. Dezember 2000 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. November 2000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität,
- 2. dem in Palermo am 12. Dezember 2000 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen und Kinderhandels zu dem unter Nummer 1 genannten Übereinkommen,
- 3. dem in Palermo am 12. Dezember 2000 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Zusatzprotokoll vom 15. November 2000 gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land, See und Luftweg zu dem unter Nummer 1 genannten Übereinkommen.
Das Übereinkommen und die Zusatzprotokolle werden nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.
Artikel 2
- (1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
- (2) Der Tag, an dem das Übereinkommen nach seinem Artikel 38 Abs. 2, das Zusatzprotokoll gegen den Menschenhandel nach seinem Artikel 17 Abs. 2 und das Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten nach seinem Artikel 22 Abs. 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft treten, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf das Übereinkommen und die Zusatzprotokolle findet Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes Anwendung, da sie sich, soweit sie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften fallen, auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen. Da die in dem Übereinkommen und seinen Zusatzprotokollen vorgesehene internationale Zusammenarbeit im Wege der Rechtshilfe bereits heute nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen möglich ist, ist ein besonderes Ausführungsgesetz nicht erforderlich. Die Regeln dieses Gesetzes über die Auslieferung, Vollstreckungshilfe, sonstige Rechtshilfe und die anderen dort geregelten Bereiche zur vertragslosen Zusammenarbeit finden Anwendung.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, in dem das Übereinkommen sowie die Zusatzprotokolle in Kraft treten, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
Für Bund, Länder und Gemeinden entstehen durch dieses Gesetz keine Kosten. Es hat auf Grund der bloßen Zustimmung zu dem Übereinkommen und den Zusatzprotokollen auch keine preislichen Auswirkungen.
Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
Artikel 1
Zweck
Zweck dieses Übereinkommens ist es, die Zusammenarbeit zu fördem, um die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität wirksamer zu verhüten und zu bekämpfen.
Artikel 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Übereinkommens
- a) bezeichnet der Ausdruck organisierte kriminelle Gruppe" eine strukturierte Gruppe von drei oder mehr Personen, die eine gewisse Zeit lang besteht und gemeinsam mit dem Ziel vorgeht, eine oder mehrere schwere Straftaten oder in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen umschriebene Straftaten zu begehen, um sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen;
- b) bezeichnet der Ausdruck schwere Straftat" ein Verhalten, das eine strafbare Handlung darstellt, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren im Höchstmaß oder einer schwereren Strafe bedroht ist;
- c) bezeichnet der Ausdruck strukturierte Gruppe" eine Gruppe, die nicht zufällig zur unmittelbaren Begehung einer Straftat gebildet wird und die nicht notwendigerweise förmlich festgelegte Rollen für ihre Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft oder eine ausgeprägte Struktur hat;
- d) bezeichnet der Ausdruck Vermögensgegenstände" Gegenstände jeder Art, körperliche oder nichtkörperliche, bewegliche oder unbewegliche, materielle oder immaterielle, sowie rechtserhebliche Schriftstücke oder Urkunden, die das Recht auf solche Gegenstände oder Rechte daran belegen;
- e) bezeichnet der Ausdruck Erträge aus Straftaten" jeden Vermögensgegenstand, der unmittelbar oder mittelbar aus der Begehung einer Straftat stammt oder dadurch erlangt wurde;
- f) bezeichnet der Ausdruck Einfrieren" oder Beschlagnahme" das vorübergehende Verbot der Übertragung, Umwandlung oder Bewegung von Vermögensgegenständen oder der Verfügung darüber oder die vorübergehende Verwahrung oder Kontrolle von Vermögensgegenständen auf Grund einer von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung;
- g) bezeichnet der Ausdruck Einziehung", der gegebenenfalls den Verfall umfasst, die dauernde Entziehung von Vermögensgegenständen auf Grund einer von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung;
- h) bezeichnet der Ausdruck Haupttat" jede Straftat, durch die Erträge erlangt wurden, die Gegenstand einer Straftat im Sinne des Artikels 6 werden können;
- i) bezeichnet der Ausdruck kontrollierte Lieferung" die Methode, auf Grund derer unerlaubte oder verdächtige Sendungen mit Wissen und unter der Aufsicht der zuständigen Behörden aus dem Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Staaten verbracht, durch dasselbe durchgeführt oder in dasselbe verbracht werden dürfen mit dem Ziel, eine Straftat zu untersuchen und Personen zu ermitteln, die an der Begehung der Straftat beteiligt sind;
- j) bezeichnet der Ausdruck Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration" eine von souveränen Staaten einer bestimmten Region gebildete Organisation, der ihre Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für durch dieses Übereinkommen erfasste Angelegenheiten übertragen haben und die im Einklang mit ihren internen Verfahren ordnungsgemäß ermächtigt worden ist, dieses zu unterzeichnen, zu ratifizieren, anzunehmen, zu genehmigen oder ihm beizutreten; Bezugnahmen auf Vertragsstaaten" in diesem Übereinkommen finden auf solche Organisationen im Rahmen ihrer Zuständigkeit Anwendung.
Artikel 3 Geltungsbereich
- (1) Dieses Übereinkommen findet, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, Anwendung auf die Verhütung, Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung
- a) der in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten und
- b) der schweren Straftaten im Sinne des Artikels 2, wenn die Straftat grenzüberschreitender Natur ist und eine organisierte kriminelle Gruppe daran mitwirkt.
- (2) Eine Straftat ist grenzüberschreitender Natur im Sinne des Absatzes 1, wenn sie
- a) in mehr als einem Staat begangen wird;
- b) in einem Staat begangen wird, jedoch ein maßgeblicher Teil ihrer Vorbereitung, Planung, Leitung oder Kontrolle in einem anderen Staat stattfindet;
- c) in einem Staat begangen wird, jedoch eine organisierte kriminelle Gruppe an ihr mitwirkt, die in mehr als einem Staat kriminellen Tätigkeiten nachgeht, oder
- d) in einem Staat begangen wird, jedoch erhebliche Auswirkungen in einem anderen Staat hat.
Artikel 4
Schutz der Souveränität
- (1) Die Vertragsstaaten erfüllen ihre Verpflichtungen nach diesem Übereinkommen in einer Weise, die mit den Grundsätzen der souveränen Gleichheit und territorialen Unversehrtheit der Staaten sowie der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten vereinbar ist.
- (2) Dieses Übereinkommen berechtigt einen Vertragsstaat nicht, im Hoheitsgebiet eines anderen Staates Gerichtsbarkeit auszuüben und Aufgaben wahrzunehmen, die nach dem innerstaatlichen Recht dieses anderen Staates ausschließlich dessen Behörden vorbehalten sind.
Artikel 5
Kriminalisierung der Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben:
- a) eine der nachfolgenden Handlungen oder beide als Straftaten neben solchen, die den Versuch oder die Vollendung einer kriminellen Tätigkeit darstellen:
I) die Verabredung mit einer oder mehreren Personen zur Begehung einer schweren Straftat zu einem Zweck, der unmittelbar oder mittelbar mit der Verschaffung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils zusammenhängt, und, soweit es das innerstaatliche Recht verlangt, bei der einer der Beteiligten eine Handlung zur Förderung dieser Verabredung vornimmt oder bei der eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt;
II) die aktive Beteiligung einer Person in Kenntnis entweder des Zieles und der allgemeinen kriminellen Tätigkeit einer organisierten kriminellen Gruppe oder ihrer Absicht, die betreffenden Straftaten zu begehen, an
- a. den kriminellen Tätigkeiten der organisierten kriminellen Gruppe;
- b. anderen Tätigkeiten der organisierten kriminellen Gruppe in der Kenntnis, dass diese Beteiligung zur Erreichung des genannten kriminellen Zieles beitragen wird;
- b) die Organisation, die Leitung, die Beihilfe, die Anstiftung, die Erleichterung oder die Beratung in Bezug auf die Begehung einer schweren Straftat unter Mitwirkung einer organisierten kriminellen Gruppe.
- (2) Auf Kenntnis, Vorsatz, Ziel, Zweck oder Verabredung nach Absatz 1 kann aus objektiven tatsächlichen Umständen geschlossen werden.
- (3) Vertragsstaaten, deren innerstaatliches Recht für das Vorliegen der in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i umschriebenen Straftaten die Mitwirkung einer organisierten kriminellen Gruppe verlangt, stellen sicher, dass ihr innerstaatliches Recht alle schweren Straftaten erfasst, an denen organisierte kriminelle Gruppen mitwirken. Diese Vertragsstaaten sowie die Vertragsstaaten, deren innerstaatliches Recht für das Vorliegen der in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i umschriebenen Straftaten eine Handlung zur Förderung der Verabredung verlangt, setzen den Generalsekretär der Vereinten Nationen von diesem Umstand in Kenntnis, wenn sie dieses Übereinkommen unterzeichnen oder wenn sie ihre Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde dazu hinterlegen.
Artikel 6
Kriminalisierung des Waschens der Erträge aus Straftaten
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben:
- a)
I) das Umwandeln oder Übertragen von Vermögensgegenständen in der Kenntnis, dass es sich um Erträge aus Straftaten handelt, zu dem Zweck, den unerlaubten Ursprung der Vermögensgegenstände zu verbergen oder zu verschleiern oder einer an der Begehung der Haupttat beteiligten Person behilflich zu sein, sich den rechtlichen Folgen ihres Handelns zu entziehen;
II) das Verbergen oder Verschleiern der wahren Beschaffenheit, des Ursprungs, des Ortes oder der Bewegungen von Vermögensgegenständen, der Verfügung darüber oder des Eigentums oder der Rechte daran in der Kenntnis, dass es sich um Erträge aus Straftaten handelt;
- b) vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung:
I) den Erwerb, den Besitz oder die Verwendung von Vermögensgegenständen, wenn die betreffende Person bei Erhalt weiß, dass es sich um Erträge aus Straftaten handelt;
II) die Teilnahme an einer in Übereinstimmung mit diesem Artikel umschriebenen Straftat sowie die Vereinigung, die Verabredung, den Versuch, die Beihilfe, die Anstiftung, die Erleichterung und die Beratung in Bezug auf die Begehung einer solchen Straftat.
- (2) Für die Zwecke der Anwendung des Absatzes 1 gilt Folgendes:
- a) Jeder Vertragsstaat ist bestrebt, Absatz 1 auf einen möglichst breit gefächerten Katalog von Haupttaten anzuwenden;
- b) jeder Vertragsstaat schließt alle schweren Straftaten im Sinne des Artikels 2 und die in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 8 und 23 umschriebenen Straftaten in die Kategorie der Haupttaten ein. Vertragsstaaten, deren Rechtsvorschriften eine Liste spezifischer Haupttaten enthalten, nehmen in die Liste zumindest einen umfassenden Katalog von Straftaten auf, die mit organisierten kriminellen Gruppen zusammenhängen;
- c) für die Zwecke des Buchstabens b schließen Haupttaten sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gerichtsbarkeit des betreffenden Vertragsstaats begangene Straftaten ein. Außerhalb der Gerichtsbarkeit eines Vertragsstaats begangene Straftaten stellen jedoch nur dann Haupttaten dar, wenn die betreffende Handlung eine Straftat nach dem innerstaatlichen Recht des Staates ist, in dem sie begangen wurde, und wenn sie eine Straftat nach dem innerstaatlichen Recht des Vertragsstaats, der diesen Artikel anwendet, wäre, wenn sie dort begangen worden wäre;
- d) jeder Vertragsstaat übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Abschriften oder Beschreibungen seiner Gesetze zur Durchführung dieses Artikels sowie jeder späteren Änderung dieser Gesetze;
- e) wenn die wesentlichen Grundsätze des innerstaatlichen Rechts eines Vertragsstaats dies verlangen, kann bestimmt werden, dass die in Absatz 1 aufgeführten Straftatbestände nicht auf die Personen anwendbar sind, welche die Haupttat begangen haben;
- f) auf Kenntnis, Vorsatz oder Zweck als Tatbestandsmerkmal für eine in Absatz 1 genannte Straftat kann aus objektiven tatsächlichen Umständen geschlossen werden.
Artikel 7
Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche
- (1) Jeder Vertragsstaat
- a) schafft ein umfassendes innerstaatliches Regulierungs- und Aufsichtssystem für Banken und für Finanzinstitutionen des Nichtbankensektors sowie nach Bedarf und im Rahmen seiner Zuständigkeit für andere besonders geldwäschegefährdete Einrichtungen, um alle Formen der Geldwäsche zu verhüten und aufzudecken, wobei in diesem System besonderes Gewicht auf die Erfordernisse der Identifizierung der Kundinnen und Kunden, der Führung der Unterlagen und der Meldung verdächtiger Transaktionen gelegt wird;
- b) stellt unbeschadet der Artikel 18 und 27 sicher, dass die mit der Bekämpfung der Geldwäsche befassten Verwaltungs-, Regulierungs-, Strafverfolgungs- und sonstigen Behörden (einschließlich, wenn im innerstaatlichen Recht vorgesehen, der Gerichte) in der Lage sind, unter den in seinem innerstaatlichen Recht festgelegten Bedingungen auf nationaler und internationaler Ebene zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen, und erwägt zu diesem Zweck die Schaffung eines Finanznachrichtendienstes, der als nationales Zentrum für die Sammlung, Analyse und Verbreitung von Informationen über mögliche Geldwäschetätigkeiten dient.
- (2) Die Vertragsstaaten erwägen die Ergreifung praktisch durchführbarer Maßnahmen zur Aufdeckung und Überwachung grenzüberschreitender Bewegungen von Bargeld und in Betracht kommenden begebbaren Wertpapieren unter Einhaltung von Sicherheitsvorkehrungen, welche die ordnungsgemäße Verwendung der Informationen gewährleisten, und ohne jede Behinderung rechtmäßiger Kapitalbewegungen. Unter anderem können Einzelpersonen und Unternehmen verpflichtet werden, grenzüberschreitende Transfers erheblicher Mengen von Bargeld und in Betracht kommenden begebbaren Wertpapieren zu melden.
- (3) Die Vertragsstaaten werden aufgefordert, sich bei der Schaffung eines innerstaatlichen Regulierungs und Aufsichtssystems nach diesem Artikel unbeschadet aller anderen Artikel dieses Übereinkommens von den diesbezüglichen Initiativen der regionalen, interregionalen und multilateralen Organisationen gegen die Geldwäsche leiten zu lassen.
- (4) Die Vertragsstaaten sind bestrebt, die globale, regionale, subregionale und bilaterale Zusammenarbeit zwischen Justizbehörden, Strafverfolgungs- und Finanzregulierungsbehörden auszubauen und zu fördem mit dem Ziel, die Geldwäsche zu bekämpfen.
Artikel 8
Kriminalisierung der Korruption
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben:
- a) das Versprechen, das Angebot oder die Gewährung eines ungerechtfertigten Vorteils unmittelbar oder mittelbar an einen Amtsträger für diesen selbst oder für eine andere Person oder einen anderen Rechtsträger als Gegenleistung dafür, dass der Amtsträger bei der Ausübung seiner Dienstpflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt;
- b) die unmittelbare oder mittelbare Forderung oder Annahme eines ungerechtfertigten Vorteils durch einen Amtsträger für diesen selbst oder für eine andere Person oder einen anderen Rechtsträger als Gegenleistung dafür, dass der Amtsträger bei der Ausübung seiner Dienstpflichten eine Handlung vornimmt oder unterlässt.
- (2) Jeder Vertragsstaat zieht in Erwägung, die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen zu treffen, um die in Absatz 1 genannten Handlungen, wenn ein ausländischer Amtsträger oder ein internationaler Beamter daran beteiligt ist, als Straftaten zu umschreiben. Desgleichen erwägt jeder Vertragsstaat, andere Formen der Korruption als Straftaten zu umschreiben.
- (3) Jeder Vertragsstaat trifft außerdem die erforderlichen Maßnahmen, um die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit diesem Artikel umschriebenen Straftat als Straftat zu umschreiben.
- (4) Im Sinne des Absatzes 1 und des Artikels 9 bezeichnet der Ausdruck Amtsträger" einen Amtsträger oder eine Person,
- die eine öffentliche Dienstleistung erbringt, entsprechend der Bestimmung dieses Begriffs im innerstaatlichen Recht und seiner Anwendung im Strafrecht des Staates, in dem die betreffende Person diese Aufgabe wahrnimmt.
Artikel 9
Maßnahmen gegen die Korruption
- (1) Zusätzlich zu den in Artikel 8 genannten Maßnahmen trifft jeder Vertragsstaat, soweit dies angemessen und mit seiner Rechtsordnung vereinbar ist, wirksame Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder sonstige Maßnahmen, um die Integrität von Amtsträgern zu fördern und ihre Korruption zu verhüten, aufzudecken und zu bestrafen.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft Maßnahmen, um ein wirksames Tätigwerden seiner Behörden zur Verhütung, Aufdeckung und Bestrafung der Korruption von Amtsträgern sicherzustellen, unter anderem indem er diese Behörden mit ausreichender Unabhängigkeit ausstattet, um eine unangemessene Einflussnahme auf ihr Handeln zu verhindern.
Artikel 10
Verantwortlichkeit juristischer Personen
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit seinen Rechtsgrundsätzen die erforderlichen Maßnahmen, um die Verantwortlichkeit juristischer Personen für die Teilnahme an schweren Straftaten, an denen eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt, sowie für die Begehung der in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten zu begründen.
- (2) Vorbehaltlich der Rechtsgrundsätze des Vertragsstaats kann die Verantwortlichkeit juristischer Personen strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art sein.
- (3) Diese Verantwortlichkeit berührt nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit der natürlichen Personen, welche die Straftaten begangen haben.
- (4) Jeder Vertragsstaat stellt insbesondere sicher, dass juristische Personen, die nach diesem Artikel zur Verantwortung gezogen werden, wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen oder nichtstrafrechtlichen Sanktionen, einschließlich Geldsanktionen, unterliegen.
Artikel 11
Strafverfolgung, Aburteilung und Sanktionen
- (1) Jeder Vertragsstaat bedroht die Begehung einer in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftat mit Sanktionen, die der Schwere der Straftat Rechnung tragen.
- (2) Jeder Vertragsstaat ist bestrebt, sicherzustellen, dass eine nach seinem innerstaatlichen Recht bestehende Ermessensfreiheit hinsichtlich der Strafverfolgung von Personen wegen Straftaten nach diesem Übereinkommen so ausgeübt wird, dass die Maßnahmen der Strafrechtspflege in Bezug auf diese Straftaten größtmögliche Wirksamkeit erlangen, wobei der Notwendigkeit der Abschreckung von diesen Straftaten gebührend Rechnung zu tragen ist.
- (3) Im Fall der in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten trifft jeder Vertragsstaat geeignete Maßnahmen im Einklang mit seinem innerstaatlichen Recht und unter gebührender Berücksichtigung der Rechte der Verteidigung, um möglichst zu gewährleisten, dass die Auflagen, die im Zusammenhang mit Entscheidungen über die Haftentlassung während eines laufenden Straf- oder Rechtsmittelverfahrens verhängt werden, die Notwendigkeit berücksichtigen, die Anwesenheit des Beschuldigten im weiteren Strafverfahren sicherzustellen.
- (4) Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass seine Gerichte oder anderen zuständigen Behörden sich der Schwere der Straftaten nach diesem Übereinkommen bewusst sind, wenn sie die Möglichkeit der vorzeitigen oder bedingten Entlassung von Personen, die wegen solcher Straftaten verurteilt worden sind, in Erwägung ziehen.
- (5) Jeder Vertragsstaat bestimmt, wenn er dies für angemessen hält, in seinem innerstaatlichen Recht eine lange Verjährungsfrist für die einleitung von Verfahren wegen einer Straftat nach diesem Übereinkommen und eine noch längere Frist für den Fall, dass die verdächtige Person sich der Rechtspflege entzogen hat.
- (6) Dieses Übereinkommen berührt nicht den Grundsatz, dass die Beschreibung der nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten und der anwendbaren Gründe, die eine Strafbarkeit ausschließen, oder sonstiger die Rechtmäßigkeit einer Handlung bestimmender Rechtsgrundsätze dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaats vorbehalten ist und dass diese Straftaten nach diesem Recht verfolgt und bestraft werden.
Artikel 12
Einziehung und Beschlagnahme
- (1) Die Vertragsstaaten treffen im größtmöglichen Umfang, den ihre innerstaatliche Rechtsordnung zulässt, die erforderlichen Maßnahmen, um die Einziehung
- a) der Erträge aus Straftaten nach diesem Übereinkommen oder von Vermögensgegenständen, deren Wert demjenigen solcher Erträge entspricht,
- b) von Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen, die zur Begehung von Straftaten nach diesem Übereinkommen verwendet wurden oder bestimmt waren,
- zu ermöglichen.
- (2) Die Vertragsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Ermittlung, das einfrieren oder die Beschlagnahme der in Absatz 1 genannten Gegenstände zu ermöglichen, damit sie gegebenenfalls eingezogen werden können.
- (3) Sind Erträge aus Straftaten zum Teil oder ganz in andere Vermögensgegenstände umgeformt oder umgewandelt worden, so können anstelle der Erträge diese Vermögensgegenstände den in diesem Artikel genannten Maßnahmen unterliegen.
- (4) Sind Erträge aus Straftaten mit aus rechtmäßigen Quellen erworbenen Vermögensgegenständen vermischt worden, so können diese Vermögensgegenstände unbeschadet der Befugnisse in Bezug auf einfrieren oder Beschlagnahme bis zur Höhe des Schätzwerts der Erträge, die vermischt worden sind, eingezogen werden.
- (5) Einkommen oder andere Gewinne, die aus Erträgen aus Straftaten, aus Vermögensgegenständen, in die Erträge aus Straftaten umgeformt oder umgewandelt worden sind, oder aus Vermögensgegenständen, mit denen Erträge aus Straftaten vermischt worden sind, stammen, können in der gleichen Weise und im gleichen Umfang wie die Erträge aus Straftaten den in diesem Artikel genannten Maßnahmen unterworfen werden.
- (6) Für die Zwecke dieses Artikels und des Artikels 13 erteilt jeder Vertragsstaat seinen Gerichten oder anderen zuständigen Behörden die Befugnis, anzuordnen, dass Bank-, Finanz- oder Geschäftsunterlagen zur Verfügung gestellt oder beschlagnahmt werden. Die Vertragsstaaten dürfen es nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis ablehnen, diesen Bestimmungen Geltung zu verschaffen.
- (7) Die Vertragsstaaten können die Möglichkeit erwägen, zu verlangen, dass ein Täter den rechtmäßigen Ursprung mutmaßlicher Erträge aus Straftaten oder anderer einziehbarer Vermögensgegenstände nachweist, soweit dies mit den Grundsätzen ihres innerstaatlichen Rechts und der Art der Gerichts- und anderen Verfahren vereinbar ist.
- (8) Dieser Artikel darf nicht so ausgelegt werden, dass er die Rechte gutgläubiger Dritter beeinträchtigt.
- (9) Dieser Artikel 1ässt den Grundsatz unberührt, dass die darin bezeichneten Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaats und vorbehaltlich dieses Rechts festgelegt und durchgeführt werden.
Artikel 13
Internationale Zusammenarbeit zum Zweck der Einziehung
- (1) Hat ein Vertragsstaat von einem anderen Vertragsstaat, der Gerichtsbarkeit über eine Straftat nach diesem Übereinkommen hat, ein Ersuchen um Einziehung von in seinem Hoheitsgebiet befindlichen Erträgen aus Straftaten, Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen nach Artikel 12 Absatz 1 erhalten, so wird er im größtmöglichen Umfang, den seine innerstaatliche Rechtsordnung zulässt,
- a) das Ersuchen an seine zuständigen Behörden weiterleiten, um eine Einziehungsentscheidung zu erwirken und, falls sie erlassen wird, vollstrecken zu lassen, oder
- b) eine von einem Gericht im Hoheitsgebiet des ersuchenden Vertragsstaats nach Artikel 12 Absatz 1 erlassene Einziehungsentscheidung an seine zuständigen Behörden weiterleiten, damit diese im erbetenen Umfang ausgeführt wird, soweit sie sich auf Erträge aus Straftaten, Vermögensgegenstände, Geräte oder andere Tatwerkzeuge nach Artikel 12 Absatz 1 bezieht, die sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaats befinden.
- (2) Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats, der über eine Straftat nach diesem Übereinkommen Gerichtsbarkeit hat, trifft der ersuchte Vertragsstaat Maßnahmen, um die Erträge aus Straftaten, Vermögensgegenstände, Geräte oder anderen Tatwerkzeuge nach Artikel 12 Absatz 1 zu ermitteln, einzufrieren oder zu beschlagnahmen, damit sie entweder auf Grund einer Entscheidung des ersuchenden Vertragsstaats oder, im Fall eines nach Absatz 1 gestellten Ersuchens, auf Grund einer Entscheidung des ersuchten Vertragsstaats gegebenenfalls eingezogen werden können.
- (3) Artikel 18 gilt sinngemäß. Neben den in Artikel 18 Absatz 15 aufgeführten Angaben enthalten die nach diesem Artikel gestellten Ersuchen Folgendes:
- a) im Fall eines Ersuchens nach Absatz 1 Buchstabe a eine Beschreibung der einzuziehenden Vermögensgegenstände und eine Darstellung des Sachverhalts, auf den sich der ersuchende Vertragsstaat stützt, die es dem ersuchten Vertragsstaat ermöglichen, nach seinem innerstaatlichen Recht eine Einziehungsentscheidung zu erwirken;
- b) im Fall eines Ersuchens nach Absatz 1 Buchstabe b eine rechtlich verwertbare Abschrift der vom ersuchenden Vertragsstaat erlassenen Einziehungsentscheidung, auf die sich das Ersuchen stützt, eine Sachverhaltsdarstellung und Angaben über den Umfang, in dem um Vollstreckung der Entscheidung ersucht wird;
- c) im Fall eines Ersuchens nach Absatz 2 eine Darstellung des Sachverhalts, auf den sich der ersuchende Vertragsstaat stützt, und eine Beschreibung der Maßnahmen, um die ersucht wird.
- (4) Die in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Entscheidungen oder Maßnahmen werden vom ersuchten Vertragsstaat nach Maßgabe und vorbehaltlich seines innerstaatlichen Rechts und seiner Verfahrensregeln oder der zwei- oder mehrseitigen Verträge oder sonstigen Übereinkünfte getroffen, durch die er im Verhältnis zum ersuchenden Vertragsstaat gebunden ist.
- (5) Jeder Vertragsstaat übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen Abschriften oder Beschreibungen seiner Gesetze und sonstigen Vorschriften zur Durchführung dieses Artikels sowie jeder späteren Änderung dieser Gesetze und sonstigen Vorschriften.
- (6) Macht ein Vertragsstaat die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen vom Bestehen eines einschlägigen Vertrags abhängig, so sieht er dieses Übereinkommen als notwendige und ausreichende Vertragsgrundlage an.
- (7) ein Vertragsstaat kann die Zusammenarbeit nach diesem Artikel verweigern, wenn die Straftat, auf die sich das Ersuchen bezieht, nicht in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fällt.
- (8) Dieser Artikel darf nicht so ausgelegt werden, dass er die Rechte gutgläubiger Dritter beeinträchtigt.
- (9) Die Vertragsstaaten erwägen, zwei- oder mehrseitige Verträge oder sonstige Übereinkünfte zu schließen, um die Wirksamkeit der internationalen Zusammenarbeit auf Grund dieses Artikels zu erhöhen.
Artikel 14
Verfügung über eingezogene Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände
- (1) ein Vertragsstaat, der Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände nach Artikel 12 oder Artikel 13 Absatz 1 eingezogen hat, verfügt darüber nach seinem innerstaatlichen Recht und seinen Verwaltungsverfahren.
- (2) Werden die Vertragsstaaten auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats nach Artikel 13 tätig, so ziehen sie, soweit dies nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist und darum ersucht wurde, vorrangig in Erwägung, die eingezogenen Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände dem ersuchenden Vertragsstaat zurückzugeben, damit er die Opfer der Straftat entschädigen oder diese Erträge oder Vermögensgegenstände den rechtmäßigen Eigentümern zurückgeben kann.
- (3) Wird ein Vertragsstaat auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats nach den Artikeln 12 und 13 tätig, so kann er insbesondere in Erwägung ziehen, Übereinkünfte über Folgendes zu schließen:
- a) die Übertragung des Wertes solcher Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände oder der aus dem Verkauf solcher Erträge oder Vermögensgegenstände stammenden Geldmittel oder eines Teiles davon auf das nach Artikel 30 Absatz 2 Buchstabe c eingerichtete Konto und auf zwischenstaatliche Organe, die sich besonders mit dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität befassen;
- b) die regelmäßige oder von Fall zu Fall beschlossene Aufteilung solcher Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände oder der aus dem Verkauf solcher Erträge oder Vermögensgegenstände stammenden Geldmittel mit anderen Vertragsstaaten in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht oder seinen Verwaltungsverfahren.
Artikel 15
Gerichtsbarkeit
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten zu begründen,
- a) wenn die Straftat in seinem Hoheitsgebiet begangen wird oder
- b) wenn die Straftat an Bord eines Schiffes, das zur Tatzeit seine Flagge führt, oder eines Luftfahrzeugs, das zur Tatzeit nach seinem Recht eingetragen ist, begangen wird.
- (2) Vorbehaltlich des Artikels 4 kann ein Vertragsstaat seine Gerichtsbarkeit über jede dieser Straftaten auch begründen,
-
- a) wenn die Straftat gegen einen seiner Staatsangehörigen begangen wird;
- b) wenn die Straftat von einem seiner Staatsangehörigen oder von einem Staatenlosen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet hat, begangen wird oder
- c) wenn die Straftat
I) zu den in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absatz 1 umschriebenen Straftaten gehört und außerhalb seines Hoheitsgebiets in der Absicht begangen wird, eine schwere Straftat innerhalb seines Hoheitsgebiets zu begehen;
II) zu den in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii umschriebenen Straftaten gehört und außerhalb seines Hoheitsgebiets in der Absicht begangen
- wird, eine in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer i oder ii oder Buchstabe b Ziffer I umschriebene Straftat innerhalb seines Hoheitsgebiets zu begehen.
- (3) Für die Zwecke des Artikels 16 Absatz 10 trifft jeder Vertragsstaat die erforderlichen Maßnahmen, um seine Gerichtsbarkeit über die Straftaten nach diesem Übereinkommen zu begründen, wenn die verdächtige Person sich in seinem Hoheitsgebiet befindet und er sie nur deshalb nicht ausliefert, weil sie seine Staatsangehörige ist.
- (4) Ferner kann jeder Vertragsstaat die erforderlichen Maßnahmen treffen, um seine Gerichtsbarkeit über die Straftaten nach diesem Übereinkommen zu begründen, wenn die verdächtige Person sich in seinem Hoheitsgebiet befindet und er sie nicht ausliefert.
- (5) Ist einem Vertragsstaat, der seine Gerichtsbarkeit nach Absatz 1 oder 2 ausübt, mitgeteilt worden oder hat er auf andere Weise Kenntnis davon erhalten, dass ein oder mehrere andere Vertragsstaaten in Bezug auf dasselbe Verhalten Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder ein Gerichtsverfahren durchführen, so konsultieren die zuständigen Behörden dieser Vertragsstaaten einander gegebenenfalls, um ihre Maßnahmen abzustimmen.
- (6) Unbeschadet der Regeln des allgemeinen Völkerrechts schließt dieses Übereinkommen die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit, die von einem Vertragsstaat nach innerstaatlichem Recht begründet ist, nicht aus.
Artikel 16
Auslieferung
- (1) Dieser Artikel findet Anwendung auf die Straftaten nach diesem Übereinkommen oder in Fällen, in denen eine organisierte kriminelle Gruppe an einer in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b genannten Straftat mitwirkt und die Person, die Gegenstand des Auslieferungsersuchens ist, sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaats befindet, sofern die Straftat, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, nach dem innerstaatlichen Recht sowohl des ersuchenden Vertragsstaats als auch des ersuchten Vertragsstaats strafbar ist.
- (2) Betrifft das Auslieferungsersuchen mehrere verschiedene schwere Straftaten, von denen einige nicht unter diesen Artikel fallen, so kann der ersuchte Vertragsstaat diesen Artikel auch auf letztere Straftaten anwenden.
- (3) Jede Straftat, auf die dieser Artikel Anwendung findet, gilt als in jeden zwischen Vertragsstaaten bestehenden Auslieferungsvertrag einbezogene, der Auslieferung unterliegende Straftat. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, diese Straftaten als der Auslieferung unterliegende Straftaten in jeden künftig zwischen ihnen zu schließenden Auslieferungsvertrag aufzunehmen.
- (4) Erhält ein Vertragsstaat, der die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig macht, ein Auslieferungsersuchen von einem anderen Vertragsstaat, mit dem er keinen Auslieferungsvertrag hat, so kann er dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Auslieferung in Bezug auf die Straftaten ansehen, auf die dieser Artikel Anwendung findet.
- (5) Vertragsstaaten, welche die Auslieferung vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen,
- a) setzen zum Zeitpunkt der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde zu diesem Übereinkommen den Generalsekretär der Vereinten Nationen davon in Kenntnis, ob sie dieses Übereinkommen als Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Auslieferung mit anderen Vertragsstaaten dieses Übereinkommens ansehen, und,
- b) falls sie dieses Übereinkommen nicht als Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Auslieferung ansehen, bemühen sich darum, gegebenenfalls Auslieferungsverträge mit anderen Vertragsstaaten dieses Übereinkommens zu schließen, um diesen Artikel anzuwenden.
- (6) Vertragsstaaten, welche die Auslieferung nicht vom Bestehen eines Vertrags abhängig machen, erkennen unter sich die Straftaten, auf die dieser Artikel Anwendung findet, als der Auslieferung unterliegende Straftaten an.
- (7) Die Auslieferung unterliegt den im innerstaatlichen Recht des ersuchten Vertragsstaats oder in den geltenden Auslieferungsverträgen vorgesehenen Bedingungen, unter anderem auch den Bedingungen betreffend die für die Auslieferung erforderliche Mindesthöhe der angedrohten Strafe und die Gründe, aus denen der ersuchte Vertragsstaat die Auslieferung ablehnen kann.
- (8) Die Vertragsstaaten bemühen sich vorbehaltlich ihres innerstaatlichen Rechts, für Straftaten, auf die dieser Artikel Anwendung findet, die Auslieferungsverfahren zu beschleunigen und die diesbezüglichen Beweiserfordernisse zu vereinfachen.
- (9) Vorbeltlich seines innerstaatlichen Rechts und seiner Auslieferungsverträge kann der ersuchte Vertragsstaat, wenn er festgestellt hat, dass die Umstände es rechtfertigen und Eile geboten ist, auf Verlangen des ersuchenden Vertragsstaats eine Person, um deren Auslieferung ersucht wird und die sich in seinem Hoheitsgebiet befindet, in Haft nehmen oder andere geeignete Maßnahmen treffen, um ihre Anwesenheit bei dem Auslieferungsverfahren sicherzustellen.
- (10) Wenn ein Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet eine verdächtige Person aufgefunden wird, diese wegen einer Straftat, auf die dieser Artikel Anwendung findet, nur deshalb nicht ausliefert, weil sie seine Staatsangehörige ist, so ist er auf Verlangen des um Auslieferung ersuchenden Vertragsstaats verpflichtet, den Fall ohne ungebührliche Verzögerung seinen zuständigen Behörden zum Zweck der Strafverfolgung zu unterbreiten. Diese Behörden treffen ihre Entscheidung und führen ihr Verfahren in derselben Weise wie im Fall jeder anderen Straftat schwerer Art nach dem innerstaatlichen Recht dieses Vertragsstaats. Die betreffenden Vertragsstaaten arbeiten insbesondere in das Verfahren und die Beweiserhebung betreffenden Fragen zusammen, um die Effizienz der Strafverfolgung zu gewährleisten.
- (11) Darf ein Vertragsstaat nach seinem innerstaatlichen Recht eigene Staatsangehörige nur unter dem Vorbehalt ausliefern oder auf sonstige Art überstellen, dass die betreffende Person an diesen Staat rücküberstellt wird, um dort die Strafe zu verbüßen, die als Ergebnis des Gerichts- oder anderen Verfahrens verhängt wird, dessentwegen um ihre Auslieferung oder Überstellung ersucht wurde, und sind dieser Vertragsstaat und der um Auslieferung ersuchende Vertragsstaat mit dieser Vorgehensweise und etwaigen anderen Bedingungen, die sie für zweckmäßig erachten, einverstanden, so gilt die Verpflichtung nach Absatz 10 mit dieser bedingten Auslieferung oder Überstellung als erfüllt.
- (12) Wird die Auslieferung, um die zur Vollstreckung einer Strafe ersucht wird, mit der Begründung abgelehnt, dass die verfolgte Person Staatsangehörige des ersuchten Vertragsstaats ist, so erwägt dieser, sofern sein innerstaatliches Recht dies zulässt, und im Einklang mit diesem auf Verlangen des ersuchenden Vertragsstaats, die nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden Vertragsstaats verhängte Strafe oder die Reststrafe selbst zu vollstrecken.
- (13) einer Person, gegen die wegen einer Straftat, auf die dieser Artikel Anwendung findet, ein Verfahren durchgeführt wird, wird in allen Phasen des Verfahrens eine gerechte Behandlung gewährleistet; dies schließt den Genuss aller Rechte und Garantien nach dem innerstaatlichen Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie sich befindet, ein.
- (14) Dieses Übereinkommen ist nicht so auszulegen, als verpflichte es den ersuchten Vertragsstaat zur Auslieferung, wenn er ernstliche Gründe für die Annahme hat, dass das Ersuchen gestellt worden ist, um eine Person wegen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Staatsangehörigkeit, ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Anschauungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder dass die Lage dieser Person aus einem dieser Gründe erschwert werden könnte, wenn dem Ersuchen stattgegeben würde.
- (15) Die Vertragsstaaten können ein Auslieferungsersuchen nicht mit der alleinigen Begründung ablehnen, dass die Straftat als eine Tat angesehen wird, die auch fiskalische Angelegenheiten berührt.
- (16) Bevor der ersuchte Vertragsstaat die Auslieferung ablehnt, konsultiert er gegebenenfalls den ersuchenden Vertragsstaat, um ihm reichlich Gelegenheit zu geben, seine Auffassungen darzulegen und Informationen bereitzustellen, die im Hinblick auf seine Behauptungen von Belang sind.
- (17) Die Vertragsstaaten sind bestrebt, zwei- und mehrseitige Übereinkünfte zu schließen, um die Auslieferung zu ermöglichen oder ihre Wirksamkeit zu erhöhen.
Artikel 17
Überstellung von Verurteilten
Die Vertragsstaaten können erwägen, zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte zu schließen, auf Grund deren Personen, die wegen Straftaten nach diesem Übereinkommen zu einer Freiheitsstrafe oder sonstigen Formen des Freiheitsentzugs verurteilt sind, in ihr Hoheitsgebiet überstellt werden, um dort ihre Reststrafe verbüßen zu können.
Artikel 18
Rechtshilfe
- (1) Die Vertragsstaaten leisten einander so weit wie möglich Rechtshilfe bei Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Straftaten nach diesem Übereinkommen, wie in Artikel 3 vorgesehen, und leisten einander gegenseitig eine vergleichbare Hilfe, wenn der ersuchende Vertragsstaat hinreichenden Grund zu dem Verdacht hat, dass die Straftat nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a oder b grenzüberschreitender Natur ist, oder auch wenn Opfer, Zeugen, Erträge, Tatwerkzeuge oder Beweise solcher Straftaten sich im ersuchten Vertragsstaat befinden und an der Straftat eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt.
- (2) Bei Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen und Gerichtsverfahren in Bezug auf Straftaten, für die eine juristische Person nach Artikel 10 im ersuchenden Vertragsstaat zur Verantwortung gezogen werden kann, wird Rechtshilfe im größtmöglichen Umfang geleistet, den die einschlägigen Gesetze, Verträge und sonstigen Übereinkünfte des ersuchten Vertragsstaats zulassen.
- (3) Um die nach diesem Artikel zu leistende Rechtshilfe kann zu folgenden Zwecken ersucht werden:
- a) Abnahme von Zeugenaussagen oder anderen Erklärungen;
- b) Zustellung gerichtlicher Schriftstücke;
- c) Durchsuchung und Beschlagnahme sowie einfrieren;
- d) Untersuchung von Gegenständen und Inaugenscheinnahme von Örtlichkeiten;
- e) Überlassung von Informationen, Beweismitteln und Sachverständigengutachten;
- f) Überlassung von Originalen oder beglaubigten Abschriften einschlägiger Schriftstücke und Akten, einschließlich Regierungs-, Bank-, Finanz-, Firmen- und Geschäftsunterlagen;
- g) Ermittlung oder Weiterverfolgung von Erträgen aus Straftaten, Vermögensgegenständen, Tatwerkzeugen oder anderen Sachen zu Beweiszwecken;
- h) Erleichterung des freiwilligen Erscheinens von Personen im ersuchenden Vertragsstaat;
- i) Hilfe jeder anderen Art, die nicht im Widerspruch zum innerstaatlichen Recht des ersuchten Vertragsstaats steht.
- (4) Unbeschadet des innerstaatlichen Rechts können die zuständigen Behörden eines Vertragsstaats einer zuständigen Behörde in einem anderen Vertragsstaat ohne vorheriges Ersuchen Informationen im Zusammenhang mit Strafsachen übermitteln, wenn sie der Auffassung sind, dass diese Informationen der Behörde dabei behilflich sein könnten, Ermittlungen und Strafverfahren durchzuführen oder erfolgreich abzuschließen, oder den anderen Vertragsstaat dazu veranlassen könnten, ein Ersuchen nach diesem Übereinkommen zu stellen.
- (5) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 4 erfolgt unbeschadet der Ermittlungen und des Strafverfahrens in dem Staat, dessen zuständige Behörden die Informationen bereitstellen. Die zuständigen Behörden, welche die Informationen erhalten, werden ein Ersuchen, die betreffenden Informationen auch nur vorübergehend vertraulich zu behandeln oder ihren Gebrauch Einschränkungen zu unterwerfen, befolgen. Dies hindert den Vertragsstaat, der die Informationen erhält, jedoch nicht daran, in seinem Verfahren Informationen offen zu legen, die einen Beschuldigten entlasten. In diesem Fall unterrichtet er, bevor er diese Informationen offen legt, den Vertragsstaat, der sie übermittelt, und konsultiert diesen auf Verlangen. Ist ausnahmsweise keine vorherige Unterrichtung möglich, so setzt der Vertragsstaat, der die Informationen erhält, den übermittelnden Vertragsstaat unverzüglich von der Offenlegung in Kenntnis.
- (6) Dieser Artikel berührt nicht die Verpflichtungen aus einem anderen zwei- oder mehrseitigen Vertrag, der die Rechtshilfe ganz oder teilweise regelt oder regeln wird.
- (7) Die Absätze 9 bis 29 gelten für Ersuchen, die auf Grund dieses Artikels gestellt werden, wenn die betreffenden Vertragsstaaten nicht durch einen Vertrag über Rechtshilfe gebunden sind. Sind diese Vertragsstaaten durch einen solchen Vertrag gebunden, so gelten die entsprechenden Bestimmungen des Vertrags, sofern die Vertragsstaaten nicht vereinbaren, stattdessen die Absätze 9 bis 29 anzuwenden. Den Vertragsstaaten wird dringend nahe gelegt, diese Absätze anzuwenden, wenn sie die Zusammenarbeit erleichtern.
- (8) Die Vertragsstaaten dürfen die Rechtshilfe nach diesem Artikel nicht unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern.
- (9) Die Vertragsstaaten können die Rechtshilfe nach diesem Artikel unter Berufung auf das Fehlen beiderseitiger Strafbarkeit verweigern. Der ersuchte Vertragsstaat kann jedoch, wenn er es für zweckmäßig hält, Rechtshilfe unabhängig davon, ob das Verhalten nach seinem innerstaatlichen Recht eine Straftat darstellen würde, leisten, soweit er dies nach eigenem Ermessen beschließt.
- (10) eine Person, die im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats in Haft gehalten wird oder eine Strafe verbüßt und um deren Anwesenheit in einem anderen Vertragsstaat zum Zweck der Identifizierung, der Vernehmung oder einer sonstigen Hilfeleistung zur Beschaffung von Beweisen für Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren in Bezug auf Straftaten nach diesem Übereinkommen ersucht wird, kann überstellt werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- a) die betreffende Person gibt in Kenntnis sämtlicher Umstände aus freien Stücken ihre Zustimmung;
- b) die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten stimmen unter den von ihnen für zweckmäßig erachteten Bedingungen zu.
- (11) Für die Zwecke des Absatzes 10 gilt Folgendes:
- a) Der Vertragsstaat, dem die betreffende Person überstellt wird, ist befugt und verpflichtet, die überstellte Person in Haft zu halten, sofern der Vertragsstaat, von dem sie überstellt wurde, nichts anderes verlangt oder genehmigt;
- b) der Vertragsstaat, dem die betreffende Person überstellt wird, erfüllt unverzüglich seine Verpflichtung, die Person nach Maßgabe einer vorherigen oder sonstigen Vereinbarung der zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten in den Gewahrsam des Vertragsstaats rückzuüberstellen, von dem sie überstellt wurde;
- c) der Vertragsstaat, dem die betreffende Person überstellt wird, darf von dem Vertragsstaat, von dem sie überstellt wurde, nicht verlangen, zur Rücküberstellung dieser Person ein Auslieferungsverfahren einzuleiten;
- d) der überstellten Person wird die in dem Vertragsstaat, dem sie überstellt wurde, verbrachte Haftzeit auf die Strafe angerechnet, die sie in dem Staat, von dem sie überstellt wurde, zu verbüßen hat.
- (12) Außer mit Zustimmung des Vertragsstaats, von dem eine Person nach den Absätzen 10 und 11 überstellt werden soll, darf diese Person, gleichviel welche Staatsangehörigkeit sie hat, im Hoheitsgebiet des Staates, dem sie überstellt wird, nicht wegen Handlungen, Unterlassungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des Staates, von dem sie überstellt wurde, verfolgt, in Haft gehalten, bestraft oder einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.
- (13) Jeder Vertragsstaat bestimmt eine zentrale Behörde, die verantwortlich und befugt ist, Rechtshilfeersuchen entgegenzunehmen und sie entweder zu erledigen oder den zuständigen Behörden zur Erledigung zu übermitteln. Hat ein Vertragsstaat eine besondere Region oder ein besonderes Hoheitsgebiet mit einem unterschiedlichen Rechtshilfesystem, so kann er eine gesonderte zentrale Behörde bestimmen, welche dieselbe Aufgabe für die Region oder das Hoheitsgebiet wahrnimmt. Die zentralen Behörden stellen die rasche und ordnungsgemäße Erledigung oder Übermittlung der eingegangenen Ersuchen sicher. Wenn die zentrale Behörde das Ersuchen einer zuständigen Behörde zur Erledigung übermittelt, fordert sie diese zur raschen und ordnungsgemäßen Erledigung des Ersuchens auf. Die für diesen Zweck bestimmte zentrale Behörde wird von jedem Vertragsstaat bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde zu diesem Übereinkommen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen notifiziert. Die Rechtshilfeersuchen und alle damit zusammenhängenden Mitteilungen werden den von den Vertragsstaaten bestimmten zentralen Behörden übermittelt. Diese Vorschrift lässt das Recht eines Vertragsstaats unberührt, zu verlangen, dass solche Ersuchen und Mitteilungen auf diplomatischem Weg und in dringenden Fällen, wenn die Vertragsstaaten dies vereinbaren, soweit es möglich ist, über die Internationale Kriminalpolizeiliche Organisation an ihn gerichtet werden.
- (14) Ersuchen werden schriftlich oder, soweit möglich, mit jedem Mittel, mit dem ein Schriftstück erzeugt werden kann, in einer für den ersuchten Vertragsstaat annehmbaren Sprache und in einer Weise gestellt, die diesem Vertragsstaat die Feststellung der Echtheit erlaubt. Die für jeden Vertragsstaat annehmbare Sprache oder annehmbaren Sprachen werden von jedem Vertragsstaat bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs oder Beitrittsurkunde zu diesem Übereinkommen dem Generalsekretär der Vereinten Nationen notifiziert. In dringenden Fällen und wenn die Vertragsstaaten dies vereinbaren, können Ersuchen mündlich gestellt werden; sie müssen jedoch umgehend schriftlich bestätigt werden.
- (15) ein Rechtshilfeersuchen enthält folgende Angaben:
- a) die Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;
- b) Gegenstand und Art der Ermittlung, der Strafverfolgung oder des Gerichtsverfahrens, auf die oder das sich das Ersuchen bezieht, sowie Namen und Aufgaben der Behörde, welche die Ermittlung, die Strafverfolgung oder das Gerichtsverfahren durchführt;
- c) eine zusammenfassende Sachverhaltsdarstellung, außer bei Ersuchen um Zustellung gerichtlicher Schriftstücke;
- d) eine Beschreibung der erbetenen Rechtshilfe und Einzelheiten über bestimmte Verfahren, die auf Wunsch des ersuchenden Vertragsstaats angewendet werden sollen;
- e) soweit möglich, Identität, Aufenthaltsort und Staatsangehörigkeit jeder betroffenen Person und
- f) den Zweck, zu dem die Beweismittel, Informationen oder Maßnahmen erbeten werden.
- (16) Der ersuchte Vertragsstaat kann ergänzende Angaben anfordern, wenn dies für die Erledigung des Ersuchens nach seinem innerstaatlichen Recht erforderlich erscheint oder die Erledigung erleichtern kann.
- (17) ein Ersuchen wird nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Vertragsstaats und, soweit dieses Recht dem nicht entgegensteht, nach Möglichkeit entsprechend den im Ersuchen bezeichneten Verfahren erledigt.
- (18) Soweit möglich und mit den wesentlichen Grundsätzen des innerstaatlichen Rechts vereinbar, kann ein Vertragsstaat, wenn eine in seinem Hoheitsgebiet befindliche Person von den Justizbehörden eines anderen Vertragsstaats als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden muss, auf Ersuchen dieses anderen Vertragsstaats erlauben, dass die Vernehmung über eine Videokonferenz stattfindet, falls das persönliche Erscheinen der betreffenden Person im Hoheitsgebiet des ersuchenden Vertragsstaats nicht möglich oder nicht wünschenswert ist. Die Vertragsstaaten können vereinbaren, dass die Vernehmung von einer Justizbehörde des ersuchenden Vertragsstaats in Gegenwart einer Justizbehörde des ersuchten Vertragsstaats durchgeführt wird.
- (19) Der ersuchende Vertragsstaat übermittelt oder verwendet vom ersuchten Vertragsstaat erhaltene Informationen oder Beweismittel nicht ohne dessen vorherige Zustimmung für andere als in dem Ersuchen bezeichnete Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren. Dieser Absatz hindert den ersuchenden Vertragsstaat nicht daran, in seinem Verfahren Informationen oder Beweise offen zu legen, die einen Beschuldigten entlasten. In diesem Fall unterrichtet der ersuchende Vertragsstaat, bevor er diese Informationen offen legt, den ersuchten Vertragsstaat und konsultiert diesen auf Verlangen. Ist ausnahmsweise keine vorherige Unterrichtung möglich, so setzt der ersuchende Vertragsstaat den ersuchten Vertragsstaat unverzüglich von der Offenlegung in Kenntnis.
- (20) Der ersuchende Vertragsstaat kann verlangen, dass der ersuchte Vertragsstaat das Ersuchen und dessen Inhalt vertraulich behandelt, soweit die Erledigung des Ersuchens nichts anderes gebietet. Kann der ersuchte Vertragsstaat der verlangten Vertraulichkeit nicht entsprechen, so setzt er den ersuchenden Vertragsstaat umgehend davon in Kenntnis.
- (21) Die Rechtshilfe kann verweigert werden,
- a) wenn das Ersuchen nicht in Übereinstimmung mit diesem Artikel gestellt wird;
- b) wenn der ersuchte Vertragsstaat der Ansicht ist, dass die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, seine Souveränität, seine Sicherheit, seine öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen zu beeinträchtigen;
- c) wenn es den Behörden des ersuchten Vertragsstaats nach seinem innerstaatlichen Recht untersagt wäre, die Maßnahme, um die ersucht wurde, in Bezug auf eine vergleichbare Straftat zu ergreifen, die Gegenstand von Ermittlungen, StrafverfolgungsMaßnahmen oder Gerichtsverfahren unter seiner eigenen Gerichtsbarkeit wäre;
- d) wenn es dem Rechtshilferecht des ersuchten Vertragsstaats zuwiderliefe, dem Ersuchen stattzugeben.
- (22) Die Vertragsstaaten können ein Rechtshilfeersuchen nicht mit der alleinigen Begründung ablehnen, dass die Straftat als eine Tat angesehen wird, die auch fiskalische Angelegenheiten berührt.
- (23) Die Verweigerung der Rechtshilfe ist zu begründen.
- (24) Der ersuchte Vertragsstaat erledigt das Rechtshilfeersuchen so bald wie möglich und berücksichtigt dabei so weit wie möglich die vom ersuchenden Vertragsstaat vorgeschlagenen Fristen, die vorzugsweise im Ersuchen begründet werden. Der ersuchte Vertragsstaat beantwortet angemessene Nachfragen des ersuchenden Vertragsstaats nach dem Stand
- der Bearbeitung des Ersuchens. Der ersuchende Vertragsstaat setzt den ersuchten Vertragsstaat umgehend davon in Kenntnis, wenn die erbetene Rechtshilfe nicht mehr notwendig ist.
- (25) Die Rechtshilfe kann vom ersuchten Vertragsstaat mit der Begründung aufgeschoben werden, dass sie laufende Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren beeinträchtigt.
- (26) Bevor der ersuchte Vertragsstaat ein Ersuchen nach Absatz 21 ablehnt oder seine Erledigung nach Absatz 25 aufschiebt, konsultiert er den ersuchenden Vertragsstaat, um festzustellen, ob die Rechtshilfe unter den von ihm als erforderlich erachteten Bedingungen geleistet werden kann. Nimmt der ersuchende Vertragsstaat die Rechtshilfe unter diesen Bedingungen an, so muss er sich an die Bedingungen halten.
- (27) Unbeschadet der Anwendung des Absatzes 12 dürfen Zeugen, Sachverständige oder andere Personen, die bereit sind, auf Ersuchen des ersuchenden Vertragsstaats im Hoheitsgebiet des ersuchenden Vertragsstaats in einem Verfahren auszusagen oder bei Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren mitzuwirken, in diesem Hoheitsgebiet wegen Handlungen, Unterlassungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaats weder verfolgt noch in Haft gehalten, bestraft oder einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden. Dieses freie Geleit endet, wenn die Zeugen, Sachverständigen oder anderen Personen während fünfzehn aufeinander folgender Tage oder während einer anderen von den Vertragsstaaten vereinbarten Zeitspanne, nachdem ihnen amtlich mitgeteilt wurde, dass ihre Anwesenheit von den Justizbehörden nicht länger verlangt wird, die Möglichkeit gehabt haben, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen, und trotzdem freiwillig dort bleiben oder wenn sie nach Verlassen dieses Gebiets freiwillig dorthin zurückgekehrt sind.
- (28) Der ersuchte Vertragsstaat trägt die gewöhnlichen Kosten der Erledigung eines Ersuchens, sofern die Vertragsstaaten nichts anderes vereinbaren. Sind oder werden bei der Erledigung eines Ersuchens erhebliche oder außergewöhnliche Aufwendungen erforderlich, so konsultieren die Vertragsstaaten einander, um festzulegen, unter welchen Bedingungen das Ersuchen erledigt wird und auf welche Weise die Kosten getragen werden.
- (29) Der ersuchte Vertragsstaat
- a) stellt dem ersuchenden Vertragsstaat Abschriften von amtlichen Unterlagen, Schriftstücken oder Informationen zur Verfügung, die sich in seinem Besitz befinden und die nach seinem innerstaatlichen Recht der Allgemeinheit zugänglich sind;
- b) kann dem ersuchenden Vertragsstaat nach eigenem Ermessen Abschriften von amtlichen Unterlagen, Schriftstücken oder Informationen, die sich in seinem Besitz befinden und die nach seinem innerstaatlichen Recht nicht der Allgemeinheit zugänglich sind, ganz, teilweise oder unter den von ihm als angemessen erachteten Bedingungen zur Verfügung stellen.
- (30) Die Vertragsstaaten prüfen gegebenenfalls die Möglichkeit des Abschlusses zwei- oder mehrseitiger Übereinkünfte, die den Zwecken dieses Artikels dienen, ihn praktisch wirksam machen oder seine Bestimmungen verstärken.
Artikel 19
Gemeinsame Ermittlungen
Die Vertragsstaaten prüfen den Abschluss zwei- oder mehrseitiger Übereinkünfte, nach denen die zuständigen Behörden in Bezug auf Angelegenheiten, die Gegenstand von Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren in einem oder mehreren Staaten sind, gemeinsame Ermittlungsorgane errichten können. In Ermangelung derartiger Übereinkünfte können gemeinsame Ermittlungen von Fall zu Fall vereinbart werden. Die beteiligten Vertragsstaaten stellen sicher, dass die Souveränität des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet diese Ermittlungen stattfinden sollen, uneingeschränkt geachtet wird.
Artikel 20
Besondere Ermittlungsmethoden
- (1) Sofern es die wesentlichen Grundsätze seiner innerstaatlichen Rechtsordnung zulassen, trifft jeder Vertragsstaat im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter den in seinem innerstaatlichen Recht vorgeschriebenen Bedingungen die erforderlichen Maßnahmen, um die angemessene Anwendung der kontrollierten Lieferung und, soweit er dies für zweckmäßig erachtet, anderer besonderer Ermittlungsmethoden, wie elektronische oder andere Formen der Überwachung und verdeckte Ermittlungen, durch seine zuständigen Behörden in seinem Hoheitsgebiet zum Zweck der wirksamen Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu ermöglichen.
- (2) Zum Zweck der Ermittlung wegen Straftaten nach diesem Übereinkommen wird den Vertragsstaaten nahe gelegt, falls erforderlich, geeignete zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte für die Anwendung solcher besonderen Ermittlungsmethoden im Rahmen der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu schließen. Diese Übereinkünfte werden unter uneingeschränkter Beachtung des Grundsatzes der souveränen Gleichheit der Staaten geschlossen und angewendet und streng nach den Bestimmungen dieser Übereinkünfte ausgeführt.
- (3) In Ermangelung einer Übereinkunft nach Absatz 2 werden Entscheidungen über die Anwendung solcher besonderen Ermittlungsmethoden auf internationaler Ebene von Fall zu Fall getroffen und können, falls erforderlich, finanzielle Vereinbarungen und Absprachen im Hinblick auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die betreffenden Vertragsstaaten in Betracht ziehen.
- (4) Entscheidungen über die Anwendung der kontrollierten Lieferung auf internationaler Ebene können mit Zustimmung der betreffenden Vertragsstaaten auch Methoden umfassen, bei denen die Güter beispielsweise abgefangen und derart zur Weiterbeförderung freigegeben werden, dass sie entweder unangetastet bleiben oder ganz oder teilweise entfernt oder ersetzt werden.
Artikel 21
Übertragung von Strafverfahren
Die Vertragsstaaten prüfen die Möglichkeit, einander Verfahren zur Strafverfolgung wegen einer Straftat nach diesem Übereinkommen in Fällen zu übertragen, in denen die Übertragung dem Interesse einer geordneten Rechtspflege dienlich erscheint, insbesondere in Fällen, in denen mehrere Gerichtsbarkeiten betroffen sind, mit dem Ziel, die Strafverfahren zu konzentrieren.
Artikel 22
Feststellung von Vorstrafen
Jeder Vertragsstaat kann die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen treffen, um unter den Bedingungen und zu den Zwecken, die er für angemessen erachtet, frühere Verurteilungen einer verdächtigen Person in einem anderen Staat zu berücksichtigen, um diese Information in Strafverfahren im Zusammenhang mit einer Straftat nach diesem Übereinkommen zu verwenden.
Artikel 23
Kriminalisierung der Behinderung der Justiz
Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben:
- a) die Anwendung von körperlicher Gewalt, Bedrohungen oder Einschüchterung oder das Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines ungerechtfertigten Vorteils, um in einem Verfahren im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten nach diesem Übereinkommen eine Falschaussage herbeizuführen oder eine Aussage oder die Vorlage von Beweismaterial zu verhindern;
- b) die Anwendung von körperlicher Gewalt, Bedrohungen oder Einschüchterung, um im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten nach diesem Übereinkommen einen Justiz- oder Polizeibeamten an der Ausübung seiner Dienstpflichten zu hindern. Das Recht der Vertragsstaaten, Rechtsvorschriften zu haben, die andere Kategorien von Angehörigen des öffentlichen Dienstes schützen, bleibt von dieser Bestimmung unberührt.
Artikel 24
Zeugenschutz
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen seiner Möglichkeiten geeignete Maßnahmen, um Zeugen in Strafverfahren, die über Straftaten nach diesem Übereinkommen aussagen, sowie gegebenenfalls ihren Verwandten und anderen ihnen nahe stehenden Personen wirksamen Schutz vor möglicher Vergeltung oder Einschüchterung zu gewähren.
- (2) Die in Absatz 1 vorgesehenen Maßnahmen können unbeschadet der Rechte des Beschuldigten, einschließlich des Rechts auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, unter anderem Folgendes umfassen:
- a) Verfahren zum physischen Schutz der betreffenden Personen, beispielsweise, soweit notwendig und durchführbar, ihre Umsiedlung und gegebenenfalls die Erteilung der Erlaubnis, dass Informationen betreffend die Identität und den Aufenthaltsort dieser Personen nicht oder nur in beschränktem Maß offen gelegt werden;
- b) Beweisregeln, die Zeugenaussagen in einer Weise ermöglichen, welche die Sicherheit des Zeugen gewährleistet, beispielsweise indem Aussagen unter einsatz von Kommunikationstechnologien wie Videoverbindungen oder anderen geeigneten Mitteln erlaubt werden.
- (3) Die Vertragsstaaten erwägen, mit anderen Staaten Übereinkünfte über die Umsiedlung der in Absatz 1 genannten Personen zu schließen.
- (4) Dieser Artikel findet auch auf Opfer Anwendung, sofern sie Zeugen sind.
Artikel 25
Hilfe und Schutz für Opfer
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen seiner Möglichkeiten geeignete Maßnahmen, um den Opfern von Straftaten nach diesem Übereinkommen insbesondere im Fall der Androhung von Vergeltung oder der Einschüchterung Hilfe und Schutz zu gewähren.
- (2) Jeder Vertragsstaat schafft geeignete Verfahren, um den Opfern der Straftaten nach diesem Übereinkommen Zugang zu Entschädigung und Rückerstattung zu gewähren.
- (3) Jeder Vertragsstaat ermöglicht vorbehaltlich seines innerstaatlichen Rechts, dass die Auffassungen und Anliegen der Opfer in geeigneten Abschnitten des Strafverfahrens gegen die Täter auf eine Weise, welche die Rechte der Verteidigung nicht beeinträchtigt, vorgetragen und behandelt werden.
Artikel 26
Maßnahmen zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft geeignete Maßnahmen, um Personen, die an organisierten kriminellen Gruppen beteiligt sind oder waren, zu ermutigen,
- a) den zuständigen Behörden beispielsweise zu folgenden Fragen für Ermittlungs- und Beweiszwecke nützliche Informationen zu liefern:
I) Identität, Art, Zusammensetzung, Struktur, Standort oder Tätigkeiten organisierter krimineller Gruppen;
II) Verbindungen, einschließlich internationaler Verbindungen, zu anderen organisierten kriminellen Gruppen;
III) Straftaten, die organisierte kriminelle Gruppen begangen haben oder begehen könnten;
- b) den zuständigen Behörden sachbezogene, konkrete Hilfe zu gewähren, die dazu beitragen könnte, organisierten kriminellen Gruppen ihre Ressourcen oder die Erträge aus Straftaten zu entziehen.
- (2) Jeder Vertragsstaat zieht in Erwägung, in geeigneten Fällen die Möglichkeit der Strafmilderung für Angeklagte vorzusehen, die bei den Ermittlungen oder bei der Strafverfolgung in Bezug auf eine Straftat nach diesem Übereinkommen erhebliche Zusammenarbeit leisten.
- (3) Jeder Vertragsstaat zieht in Erwägung, im Einklang mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts die Möglichkeit vorzusehen, dass einer Person, die bei den Ermittlungen oder bei der Strafverfolgung in Bezug auf eine Straftat nach diesem Übereinkommen erhebliche Zusammenarbeit leistet, Immunität von der Strafverfolgung gewährt wird.
- (4) Der Schutz dieser Personen wird nach Artikel 24 gewährleistet.
- (5) Kann eine in Absatz 1 genannte Person, die sich in einem Vertragsstaat aufhält, den zuständigen Behörden eines anderen Vertragsstaats erhebliche Zusammenarbeit gewähren, so können die betreffenden Vertragsstaaten erwägen, im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht Übereinkünfte über die mögliche Gewährung der in den Absätzen 2 und 3 beschriebenen Behandlung durch den anderen Vertragsstaat zu schließen.
Artikel 27 Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung
- (1) Die Vertragsstaaten arbeiten im Einklang mit ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsordnung eng zusammen, um die Wirksamkeit der Maßnahmen der Strafrechtspflege zur Bekämpfung der Straftaten nach diesem Übereinkommen zu verstärken. Jeder Vertragsstaat trifft insbesondere wirksame Maßnahmen,
- a) um Nachrichtenverbindungen zwischen seinen zuständigen Behörden, Stellen und Ämtern zu verbessern und erforderlichenfalls einzurichten, um den sicheren und raschen Informationsaustausch über alle Erscheinungsformen der Straftaten nach diesem Übereinkommen, einschließlich wenn die betreffenden Vertragsstaaten dies für zweckmäßig erachten der Verbindungen zu anderen Straftaten, zu erleichtern;
- b) um bei Ermittlungen zu folgenden Fragen in Bezug auf Straftaten nach diesem Übereinkommen mit den anderen Vertragsstaaten zusammenzuarbeiten:
I) Identität, Aufenthaltsort und Tätigkeit von Personen, die der Beteiligung an solchen Straftaten verdächtig sind, und Aufenthaltsort anderer betroffener Personen;
II) Bewegungen der aus der Begehung solcher Straftaten stammenden Erträge oder Vermögensgegenstände;
III) Bewegungen von bei der Begehung solcher Straftaten verwendeten oder dazu bestimmten Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen;
- c) um gegebenenfalls die erforderlichen Gegenstände oder Mengen an Stoffen zu Analyse- oder Ermittlungszwecken zur Verfügung zu stellen;
- d) um die wirksame Koordinierung zwischen den zuständigen Behörden, Stellen und Ämtern zu erleichtern und den Austausch von Personal und Sachverständigen, einschließlich vorbehaltlich zweiseitiger Übereinkünfte zwischen den betreffenden Vertragsstaaten des Einsatzes von Verbindungsbeamten, zu fördem;
- e) um mit anderen Vertragsstaaten Informationen über die von organisierten kriminellen Gruppen eingesetzten spezifischen Mittel und Methoden auszutauschen, einschließlich gegebenenfalls der benutzten Wege und Beförderungsmittel und der Verwendung falscher Identitäten, veränderter oder gefälschter Dokumente oder sonstiger Mittel zur Verschleierung ihrer Tätigkeit;
- f) um Informationen auszutauschen sowie Verwaltungs- und andere Maßnahmen zu koordinieren, die zum Zweck der frühzeitigen Aufdeckung von Straftaten nach diesem Übereinkommen gegebenenfalls ergriffen werden.
- (2) Im Hinblick auf die Durchführung dieses Übereinkommens erwägen die Vertragsstaaten, zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte über eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen ihren Strafverfolgungsbehörden zu schließen beziehungsweise, falls solche Übereinkünfte bereits bestehen, diese zu ändern. Bestehen zwischen den betreffenden Vertragsstaaten keine solchen Übereinkünfte, so können sie dieses Übereinkommen als Grundlage für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung in Bezug auf die Straftaten nach diesem Übereinkommen ansehen. Soweit zweckmäßig, nutzen die Vertragsstaaten Übereinkünfte wie auch internationale oder regionale Organisationen in vollem Maß, um die Zusammenarbeit zwischen ihren Strafverfolgungsbehörden zu verstärken.
- (3) Die Vertragsstaaten bemühen sich, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zusammenzuarbeiten, um Straftaten der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, die mittels moderner Technologien begangen werden, zu begegnen.
Artikel 28
Sammlung, Austausch und Analyse von Informationen über das Wesen der organisierten Kriminalität
- (1) Jeder Vertragsstaat erwägt, die Tendenzen der organisierten Kriminalität in seinem Hoheitsgebiet, die Verhältnisse, in denen organisierte Kriminalität stattfindet, sowie die beteiligten Berufsgruppen und die verwendeten Techniken in Konsultation mit der wissenschaftlichen und akademischen Fachwelt zu analysieren.
- (2) Die Vertragsstaaten erwägen, analytisches Fachwissen über organisierte kriminelle Tätigkeiten miteinander und über internationale und regionale Organisationen aufzubauen und zusammenzuführen. Zu diesem Zweck sollen gemeinsame Begriffsbestimmungen, Normen und Methoden entwickelt und nach Bedarf angewandt werden.
- (3) Jeder Vertragsstaat erwägt, seine politischen Konzepte und seine konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu überwachen und ihre Wirksamkeit und Tauglichkeit zu bewerten.
Artikel 29
Ausbildung und technische Hilfe
- (1) Jeder Vertragsstaat entwickelt oder verbessert, soweit erforderlich, besondere Ausbildungsprogramme für das Personal seiner Strafverfolgungsbehörden, einschließlich Staatsanwälten, Untersuchungsrichtern und Zollpersonal, sowie für sonstiges Personal, das mit der Verhütung, Aufdeckung und Bekämpfung der Straftaten nach diesem Übereinkommen betraut ist. Diese Programme können die Abordnung und den Austausch von Personal umfassen. Sie befassen sich, soweit nach innerstaatlichem Recht zulässig, insbesondere mit Folgendem:
- a) Methoden zur Verhütung, Aufdeckung und Bekämpfung der Straftaten nach diesem Übereinkommen;
- b) von Personen, die der Beteiligung an Straftaten nach diesem Übereinkommen verdächtig sind, benutzte Wege und Techniken, auch in Transitstaaten, sowie geeignete Gegenmaßnahmen;
- c) Überwachung der Bewegungen von Schmuggelgut;
- d) Aufdeckung und Überwachung der Bewegungen von Erträgen aus Straftaten, Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen und der Methoden zur Übertragung, Verheimlichung oder Verschleierung dieser Erträge, Vermögensgegenstände, Geräte und Tatwerkzeuge sowie Methoden zur Bekämpfung der Geldwäsche und sonstiger Finanzkriminalität;
- e) Sammlung von Beweismitteln;
- f) Methoden und Verfahren zur Kontrolle in Freihandelszonen und Freihäfen;
- g) moderne Ausstattung, Methoden und Verfahren zur Ermittlung und Verfolgung, darunter elektronische Überwachung, kontrollierte Lieferungen und verdeckte Ermittlungen;
- h) Methoden zur Bekämpfung von Straftaten der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, die mittels Computern, Telekommunikationsnetzen oder anderer moderner Techniken begangen werden;
- i) Methoden zum Schutz von Opfern und Zeugen.
- (2) Die Vertragsstaaten unterstützen einander bei der Planung und Durchführung von Forschungs- und Ausbildungsprogrammen zum Austausch von Fachkenntnissen auf den in Absatz 1 genannten Gebieten und nutzen zu diesem Zweck gegebenenfalls auch regionale und internationale Konferenzen und Seminare, um die Zusammenarbeit zu fördern und die Erörterung der Probleme von gemeinsamem Interesse anzuregen, einschließlich der besonderen Probleme und Bedürfnisse der Transitstaaten.
- (3) Die Vertragsstaaten fördern Ausbildung und technische Hilfe, um die Auslieferung und die Rechtshilfe zu erleichtern. Diese Ausbildung und diese technische Hilfe können eine Sprachausbildung sowie die Abordnung und den Austausch von Personal zwischen den zentralen Behörden oder Einrichtungen mit einschlägigem Aufgabengebiet umfassen.
- (4) Im Falle des Bestehens zwei- und mehrseitiger Übereinkünfte verstärken die Vertragsstaaten, soweit erforderlich, ihre Anstrengungen zur Optimierung der operativen und Ausbildungstätigkeiten im Rahmen internationaler und regionaler Organisationen wie auch im Rahmen einschlägiger zwei- und mehrseitiger Übereinkünfte.
Artikel 30
Sonstige Maßnahmen: Anwendung des Übereinkommens durch wirtschaftliche Entwicklung und technische Hilfe
- (1) Die Vertragsstaaten treffen unter Berücksichtigung der schädlichen Auswirkungen der organisierten Kriminalität auf die Gesellschaft im Allgemeinen und auf die nachhaltige Entwicklung im Besonderen Maßnahmen, die geeignet sind, die bestmögliche Anwendung dieses Übereinkommens durch internationale Zusammenarbeit zu gewährleisten.
- (2) Die Vertragsstaaten unternehmen in Abstimmung untereinander sowie mit den internationalen und regionalen Organisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten konkrete Anstrengungen,
- a) um ihre Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern auf verschiedenen Ebenen mit dem Ziel zu verstärken, deren Fähigkeit zur Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu erhöhen;
- b) um die finanzielle und materielle Hilfe für die Entwicklungsländer mit dem Ziel zu verstärken, deren Anstrengungen zur wirksamen Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu unterstützen und ihnen bei der erfolgreichen Anwendung dieses Übereinkommens behilflich zu sein;
- c) um den Entwicklungsländern und den Ländern im wirtschaftlichen Übergang technische Hilfe dazu zu gewähren, dass sie ihre Bedürfnisse im Hinblick auf die Anwendung dieses Übereinkommens befriedigen können. Zu diesem Zweck bemühen sich die Vertragsstaaten, regelmäßig angemessene freiwillige Beiträge auf ein dafür eingerichtetes Konto bei einem Finanzierungsmechanismus der Vereinten Nationen einzuzahlen. Die Vertragsstaaten können ferner besonders in Erwägung ziehen, im Einklang mit ihrem innerstaatlichen Recht und mit diesem Übereinkommen einen bestimmten Prozentsatz der Gelder oder des Gegenwerts von Erträgen aus Straftaten oder von Vermögensgegenständen, die im Einklang mit diesem Übereinkommen eingezogen wurden, auf das genannte Konto einzuzahlen;
- d) um andere Staaten und gegebenenfalls Finanzinstitutionen dazu zu ermutigen und zu bewegen, sich den im Einklang mit diesem Artikel unternommenen Anstrengungen anzuschließen, indem sie insbesondere mehr Ausbildungsprogramme und moderne Ausrüstung für die Entwicklungsländer bereitstellen, um ihnen bei der Verwirklichung der Ziele dieses Übereinkommens behilflich zu sein.
- (3) Diese Maßnahmen werden, soweit möglich, unbeschadet bestehender Zusagen auf dem Gebiet der Auslandshilfe oder sonstiger Übereinkünfte über finanzielle Zusammenarbeit auf bilateraler, regionaler oder internationaler Ebene getroffen.
- (4) Die Vertragsstaaten können zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte über materielle und logistische Hilfe schließen, bei denen die finanziellen Regelungen berücksichtigt werden, die erforderlich sind, um die Wirksamkeit der in diesem Übereinkommen vorgesehenen Formen der internationalen Zusammenarbeit zu gewährleisten und die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität zu verhüten, aufzudecken und zu bekämpfen.
Artikel 31
Verhütung
- (1) Die Vertragsstaaten bemühen sich, einzelstaatliche Projekte auszuarbeiten und zu bewerten und die besten Praktiken und politischen Konzepte festzulegen und zu fördem, die auf die Verhütung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität gerichtet sind.
- (2) Die Vertragsstaaten bemühen sich, im Einklang mit den wesentlichen Grundsätzen ihres innerstaatlichen Rechts bestehende oder künftige Gelegenheiten für organisierte kriminelle Gruppen, mit Erträgen aus Straftaten an rechtmäßigen Märkten teilzunehmen, zu verringern, indem sie geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder sonstige Maßnahmen ergreifen. Diese Maßnahmen sollen auf Folgendes ausgerichtet sein:
- a) die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden oder Staatsanwälten und den in Betracht kommenden privaten Rechtsträgern, auch in der Industrie;
- b) die Förderung der Erarbeitung von Normen und Verfahren mit dem Ziel,
- die Integrität öffentlicher und betroffener privater Rechtsträger zu schützen, sowie von Verhaltenskodizes für die in Betracht kommenden Berufsgruppen, insbesondere Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Buchhalter;
- c) die Verhütung des Missbrauchs der von öffentlichen Stellen durchgeführten Ausschreibungsverfahren und der von öffentlichen Stellen für eine Geschäftstätigkeit gewährten Subventionen und Lizenzen durch organisierte kriminelle Gruppen;
- d) die Verhütung des Missbrauchs juristischer Personen durch organisierte kriminelle Gruppen; dies könnte folgende Maßnahmen umfassen:
I) die einrichtung öffentlicher Register juristischer und natürlicher Personen, die an der Gründung, Leitung und Finanzierung juristischer Personen beteiligt sind;
II) die Schaffung der Möglichkeit, Personen, die wegen Straftaten nach diesem Übereinkommen verurteilt wurden, durch eine gerichtliche Entscheidung oder ein anderes geeignetes Mittel für einen angemessenen Zeitraum das Recht zu entziehen, juristische Personen, die im Hoheitsbereich des betreffenden Vertragsstaats eingetragen sind, zu leiten;
III) die Aufstellung einzelstaatlicher Register der Personen, denen das Recht entzogen wurde, juristische Personen zu leiten, und
IV) den Austausch von Informationen, die in den unter den Ziffern i und iii genannten Registern enthalten sind, mit den zuständigen Behörden der anderen Vertragsstaaten.
- (3) Die Vertragsstaaten bemühen sich, die Wiedereingliederung von Personen, die wegen Straftaten nach diesem Übereinkommen verurteilt wurden, in die Gesellschaft zu fördem.
- (4) Die Vertragsstaaten bemühen sich, die bestehenden einschlägigen Rechtsinstrumente und Verwaltungspraktiken regelmäßig zu bewerten, um festzustellen, inwieweit die Gefahr ihres Missbrauchs durch organisierte kriminelle Gruppen besteht.
- (5) Die Vertragsstaaten bemühen sich, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für das Bestehen, die Ursachen und die Schwere der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und für die von ihr ausgehende Bedrohung zu schärfen. Sie können dies gegebenenfalls über die Medien und durch die Ergreifung von Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkung der Öffentlichkeit an den Verhütungs- und Bekämpfungsmaßnahmen tun.
- (6) Jeder Vertragsstaat unterrichtet den Generalsekretär der Vereinten Nationen über die Bezeichnung und die Adresse der
- Behörde oder Behörden, die anderen Vertragsstaaten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Verhütung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität behilflich sein können.
- (7) Die Vertragsstaaten arbeiten gegebenenfalls untereinander und mit den zuständigen internationalen und regionalen Organisationen bei der Förderung und Ausarbeitung der in diesem Artikel genannten Maßnahmen zusammen. Dies umfasst auch die Mitwirkung an internationalen Vorhaben mit dem Ziel der Verhütung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, beispielsweise durch die Entschärfung der Umstände, die gesellschaftliche Randgruppen für die Tätigkeit der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität anfällig werden lassen.
Artikel 32
Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens
- (1) Hiermit wird eine Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens eingerichtet, um die Vertragsstaaten besser in die Lage zu versetzen, die grenzüberschreitende internationale Kriminalität zu bekämpfen, und die Anwendung dieses Übereinkommens zu fördern und zu überprüfen.
- (2) Die Konferenz der Vertragsparteien wird vom Generalsekretär der Vereinten Nationen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens einberufen. Die Konferenz der Vertragsparteien gibt sich eine Geschäftsordnung und beschließt Regeln für die in den Absätzen 3 und 4 aufgeführten Tätigkeiten (einschließlich Regeln für die Finanzierung der Ausgaben für diese Tätigkeiten).
- (3) Die Konferenz der Vertragsparteien vereinbart Mechanismen zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele; insbesondere wird sie
- a) die Tätigkeiten der Vertragsstaaten nach den Artikeln 29, 30 und 31 erleichtern, unter anderem durch Aufrufe zur Leistung freiwilliger Beiträge;
- b) den Informationsaustausch zwischen den Vertragsstaaten über Muster und Tendenzen der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und über erfolgreiche Praktiken zu ihrer Bekämpfung erleichtern;
- c) mit den zuständigen internationalen und regionalen Organisationen sowie nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeiten;
- d) die Anwendung dieses Übereinkommens in regelmäßigen Zeitabständen überprüfen;
- e) Empfehlungen zur Verbesserung dieses Übereinkommens und seiner Anwendung geben.
- (4) Für die Zwecke des Absatzes 3 Buchstaben d und e verschafft sich die Konferenz der Vertragsparteien die erforderliche Kenntnis über die von den Vertragsstaaten zur Anwendung dieses Übereinkommens ergriffenen Maßnahmen und die dabei angetroffenen Schwierigkeiten; hierzu verwendet sie die von den Vertragsstaaten übermittelten Informationen sowie etwaige zusätzliche Überprüfungsmechanismen, die von ihr eingerichtet werden können.
- (5) Jeder Vertragsstaat übermittelt der Konferenz der Vertragsparteien Informationen über seine Programme, Pläne und Praktiken sowie über Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen zur Anwendung dieses Übereinkommens, soweit darum von der Konferenz der Vertragsparteien ersucht wird.
Artikel 33
Sekretariat
- (1) Der Generalsekretär der Vereinten Nationen stellt die erforderlichen Sekretariatsdienste für die Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zur Verfügung.
- (2) Das Sekretariat
- a) unterstützt die Konferenz der Vertragsparteien bei den in Artikel 32 beschriebenen Tätigkeiten, veranstaltet die Tagungen der Konferenz der Vertragsparteien und erbringt die dafür erforderlichen Dienstleistungen;
- b) unterstützt die Vertragsstaaten auf ihr Ersuchen bei der Übermittlung von Informationen für die Konferenz der Vertragsparteien, wie in Artikel 32 Absatz 5 vorgesehen, und
- c) sorgt für die notwendige Abstimmung mit den Sekretariaten der zuständigen internationalen und regionalen Organisationen.
Artikel 34
Anwendung des Übereinkommens
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft im Einklang mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen, einschließlich Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen, um die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen sicherzustellen.
- (2) Die in Übereinstimmung mit den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten werden im innerstaatlichen Recht jedes Vertragsstaats unabhängig von der grenzüberschreitenden Natur oder der Mitwirkung einer organisierten kriminellen Gruppe nach Artikel 3 Absatz 1 umschrieben, soweit nicht Artikel 5 die Mitwirkung einer organisierten kriminellen Gruppe verlangt.
- (3) Jeder Vertragsstaat kann zur Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden internationalen Kriminalität strengere oder schärfere Maßnahmen treffen als in diesem Übereinkommen vorgesehen.
Artikel 35
Beilegung von Streitigkeiten
- (1) Die Vertragsstaaten bemühen sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens durch Verhandlungen beizulegen.
- (2) Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem er einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.
- (3) Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Übereinkommens oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Absatz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.
- (4) ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 angebracht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurückziehen.
Artikel 36
Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
- (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Staaten vom 12. bis 15. Dezember 2000 in Palermo (Italien) und danach bis zum 12. Dezember 2002 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.
- (2) Dieses Übereinkommen liegt auch für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auf, sofern mindestens ein Mitgliedstaat der betreffenden Organisation dieses Übereinkommen nach Absatz 1 unterzeichnet hat.
- (3) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann ihre Ratifikations, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn dies mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten getan hat. In dieser Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklärt die Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
- (4) Dieses Übereinkommen steht jedem Staat und jeder Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, von der mindestens ein Mitgliedstaat Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Bei ihrem Beitritt erklärt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Übereinkommen erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
Artikel 37
Verhältnis zu Protokollen
- (1) Dieses Übereinkommen kann durch ein oder mehrere Protokolle ergänzt werden.
- (2) Um Vertragspartei eines Protokolls zu werden, muss ein Staat oder eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration auch Vertragspartei dieses Übereinkommens sein.
- (3) ein Vertragsstaat dieses Übereinkommens ist durch ein Protokoll nur dann gebunden, wenn er nach dessen Bestimmungen Vertragspartei des Protokolls wird.
- (4) Jedes Protokoll dieses Übereinkommens ist zusammen mit dem Übereinkommen unter Berücksichtigung des Zwecks des Protokolls auszulegen.
Artikel 38
Inkrafttreten
- (1) Dieses Übereinkommen tritt am neunzigsten Tag nach Hinterlegung der vierzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft. Für die Zwecke dieses Absatzes zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.
- (2) Für jeden Staat und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die dieses Übereinkommen nach Hinterlegung der vierzigsten entsprechenden Urkunde ratifiziert,
- annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt das Übereinkommen am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat beziehungsweise diese Organisation in Kraft.
Artikel 39
Änderung
- (1) Nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Übereinkommens kann ein Vertragsstaat eine Änderung vorschlagen und sie beim Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen; dieser leitet die vorgeschlagene Änderung den Vertragsstaaten und der Konferenz der Vertragsparteien zu, damit diese den Vorschlag prüfen und darüber beschließen können. Die Konferenz der Vertragsparteien bemüht sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird keine Einigung erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Sitzung der Konferenz der Vertragsparteien anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten erforderlich, um die Änderung zu beschließen.
- (2) Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht nach diesem Artikel mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt.
- (3) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsstaaten.
- (4) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung tritt für einen Vertragsstaat neunzig Tage nach der Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Änderung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.
- (5) Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein, bindend. Die anderen Vertragsstaaten sind weiter durch dieses Übereinkommen und alle früher von ihnen ratifizierten, angenommenen oder genehmigten Änderungen gebunden.
Artikel 40
Kündigung
- (1) ein Vertragsstaat kann dieses Übereinkommen durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
- (2) eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hört auf, Vertragspartei dieses Übereinkommens zu sein, wenn alle ihre Mitgliedstaaten es gekündigt haben.
- (3) Die Kündigung dieses Übereinkommens nach Absatz 1 hat die Kündigung der dazugehörigen Protokolle zur Folge.
Artikel 41
Verwahrer und Sprachen
- (1) Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird zum Verwahrer dieses Übereinkommens bestimmt.
- (2) Die Urschrift dieses Übereinkommens, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.
- Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Übereinkommen unterschrieben.
Zusatzprotokoll
zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
Präambel
Die Vertragsstaaten dieses Protokolls
unter Hinweis darauf, dass wirksame Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, ein allseitiges internationales Vorgehen in den Herkunfts, Transit- und Zielländern erfordern, das unter anderem Maßnahmen zur Verhütung dieses Handels, zur Bestrafung der Händler und zum Schutz der Opfer dieses Handels umfasst, namentlich durch den Schutz ihrer international anerkannten Menschenrechte,
unter Berücksichtigung dessen, dass zwar eine Reihe internationaler Übereinkünfte bestehen, die Vorschriften und praktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbeutung von Menschen, insbesondere von Frauen und Kindern, enthalten, dass es jedoch keine umfassende Übereinkunft gibt, die alle Aspekte des Menschenhandels einbezieht,
besorgt darüber, dass in Ermangelung einer solchen Übereinkunft Personen, die besonders leicht Opfer des Menschenhandels werden, nicht ausreichend geschützt sein werden, im Hinblick auf die Resolution 053/111 der Generalversammlung vom 9. Dezemhaber 1998, in der die Versammlung beschloss, einen allen Mitgliedstaaten offen stehenden zwischenstaatlichen Adhoc-Ausschuss einzusetzen mit dem Auftrag, ein umfassendes internationales Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität auszuarbeiten und unter anderem die Ausarbeitung einer internationalen Übereinkunft zur Bekämpfung des Frauen- und Kinderhandels zu erörtern
überzeugt, dass die Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität durch eine internationale Übereinkunft zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, für die Verhütung und Bekämpfung dieser Art der Kriminalität von Nutzen sein wird sind wie folgt übereingekommen:
I. Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1
Verhältnis zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
- (1) Dieses Protokoll ergänzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Es ist zusammen mit dem Übereinkommen auszulegen.
- (2) Das Übereinkommen findet sinngemäß auf dieses Protokoll Anwendung, sofern im Protokoll nichts anderes vorgesehen ist.
- (3) Die in Übereinstimmung mit Artikel 5 dieses Protokolls umschriebenen Straftaten werden als in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen umschriebene Straftaten angesehen.
Artikel 2
Zweck
Zweck dieses Protokolls ist es,
- a) den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen, wobei Frauen und Kindern besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird;
- b) die Opfer des Menschenhandels unter voller Achtung ihrer Menschenrechte zu schützen und ihnen zu helfen sowie
- c) die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zur Verwirklichung dieser Ziele zu fördern.
Artikel 3
Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Protokolls
- a) bezeichnet der Ausdruck Menschenhandel" die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen;
- b) ist die Einwilligung eines Opfers des Menschenhandels in die unter Buchstabe a genannte beabsichtigte Ausbeutung unerheblich, wenn eines der unter Buchstabe a genannten Mittel angewendet wurde;
- c) gilt die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme eines Kindes zum Zweck der Ausbeutung auch dann als Menschenhandel, wenn dabei keines der unter Buchstabe a genannten Mittel angewendet wurde;
- d) bezeichnet der Ausdruck Kind" Personen unter achtzehn Jahren.
Artikel 4
Geltungsbereich
- Dieses Protokoll findet, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, Anwendung auf die Verhütung, Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung der in Übereinstimmung mit Artikel 5 umschriebenen Straftaten, wenn diese Straftaten grenzüberschreitender Natur sind und eine organisierte kriminelle Gruppe daran mitwirkt, sowie auf den Schutz der Opfer solcher Straftaten.
Artikel 5
Kriminalisierung
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um die in Artikel 3 genannten Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, als Straftaten zu umschreiben.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft ferner die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen als Straftaten zu umschreiben:
-
- a) vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung den Versuch, eine in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebene Straftat zu begehen;
- b) die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebenen Straftat und
- c) die Organisation der Begehung einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebenen Straftat oder die Anleitung anderer zu ihrer Begehung.
II. Schutz der Opfer des Menschenhandels
Artikel 6
Hilfe und Schutz für die Opfer des Menschenhandels
- (1) In geeigneten Fällen und soweit dies nach seinem innerstaatlichen Recht möglich ist, schützt jeder Vertragsstaat die Privatsphäre und die Identität der Opfer des Menschenhandels, namentlich indem er, unter anderem, bestimmt, dass Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Menschenhandel nicht öffentlich sind.
- (2) Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass seine innerstaatliche Rechts- oder Verwaltungsordnung Maßnahmen vorsieht, durch die den Opfern des Menschenhandels in geeigneten Fällen
-
- a) Informationen über die maßgeblichen Gerichts- und Verwaltungsverfahren gegeben werden;
- b) Hilfe gewährt wird, damit ihre Auffassungen und Anliegen in geeigneten Abschnitten des Strafverfahrens gegen die Täter auf eine Weise, welche die Rechte der Verteidigung nicht beeinträchtigt, vorgetragen und behandelt werden können.
- (3) Jeder Vertragsstaat erwägt die Durchführung von Maßnahmen, welche die körperliche, seelische und soziale Gesundung der Opfer des Menschenhandels ermöglichen, in geeigneten Fällen auch in Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft, und insbesondere die Bereitstellung von
-
- a) angemessener Unterkunft;
- b) Beratung und Information für die Opfer des Menschenhandels, insbesondere über die ihnen zustehenden Rechte, in einer für sie verständlichen Sprache;
- c) medizinischer, psychologischer und materieller Hilfe sowie
- d) Beschäftigungs, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten.
- (4) Jeder Vertragsstaat berücksichtigt bei der Anwendung dieses Artikels das Alter, das Geschlecht und die besonderen Bedürfnisse der Opfer des Menschenhandels, vor allem die besonderen Bedürfnisse von Kindern, namentlich was angemessene Unterkunft, Bildung und Betreuung angeht.
- (5) Jeder Vertragsstaat ist bestrebt, für die körperliche Sicherheit der Opfer des Menschenhandels zu sorgen, solange sich diese in seinem Hoheitsgebiet aufhalten.
- (6) Jeder Vertragsstaat stellt sicher, dass seine innerstaatliche Rechtsordnung Maßnahmen vorsieht, die es den Opfern des Menschenhandels ermöglichen, Entschädigung für den erlittenen Schaden zu erlangen.
Artikel 7
Rechtsstellung der Opfer des Menschenhandels in den Aufnahmestaaten
- (1) Zusätzlich zu den Maßnahmen nach Artikel 6 erwägt jeder Vertragsstaat, gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen zu treffen, die es den Opfern des Menschenhandels gestatten, in geeigneten Fällen vorübergehend oder auf Dauer in seinem Hoheitsgebiet zu bleiben.
- (2) Bei der Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigt jeder Vertragsstaat in angemessener Weise humanitäre und persönliche Faktoren.
Artikel 8
Rückführung der Opfer des Menschenhandels
- (1) Der Vertragsstaat, dessen Staatsangehöriger ein Opfer des Menschenhandels ist oder in dem die betreffende Person zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, erleichtert und akzeptiert die Rückkehr dieser Person unter gebührender Berücksichtigung ihrer Sicherheit und ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung.
- (2) Führt ein Vertragsstaat ein Opfer des Menschenhandels in einen Vertragsstaat zurück, dessen Staatsangehörige die betreffende Person ist oder in dem sie zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, so erfolgt die Rückführung unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit dieser Person und des Standes jeglichen Gerichtsverfahrens im Zusammenhang damit, dass die Person ein Opfer des Menschenhandels ist; die Rückführung erfolgt vorzugsweise freiwillig.
- (3) Auf Ersuchen eines aufnehmenden Vertragsstaats prüft ein ersuchter Vertragsstaat ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung, ob eine Person, die ein Opfer des Menschenhandels ist, seine Staatsangehörige ist oder zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet besaß.
- (4) Um die Rückführung eines Opfers des Menschenhandels, das über keine ordnungsgemäßen Ausweispapiere verfügt, zu erleichtern, erklärt sich der Vertragsstaat, dessen Staatsangehörige die betreffende Person ist oder in dem sie zum Zeitpunkt ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet des aufnehmenden Vertragsstaats ein Recht auf ständigen Aufenthalt besaß, damit einverstanden, auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats die erforderlichen Reisedokumente oder sonstigen Genehmigungen auszustellen, damit die Person zu seinem Hoheitsgebiet reisen und in dieses wieder einreisen kann.
- (5) Dieser Artikel 1ässt die durch das innerstaatliche Recht des aufnehmenden Vertragsstaats gewährten Rechte der Opfer des Menschenhandels unberührt.
- (6) Dieser Artikel 1ässt die anwendbaren zwei- oder mehrseitigen Übereinkünfte, welche die Rückführung der Opfer des Menschenhandels ganz oder teilweise regeln, unberührt.
III. Verhütung, Zusammenarbeit und sonstige Maßnahmen
Artikel 9
Verhütung des Menschenhandels
- (1) Die Vertragsstaaten legen umfassende politische Konzepte, Programme und andere Maßnahmen fest,
- a) um den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen und
- b) um die Opfer des Menschenhandels, insbesondere Frauen und Kinder, davor zu schützen, dass sie erneut zu Opfern werden.
- (2) Die Vertragsstaaten sind bestrebt, Maßnahmen wie Forschung, Informations- und breit angelegte Medienkampagnen sowie soziale und wirtschaftliche Initiativen zu ergreifen, um den Menschenhandel zu verhüten und zu bekämpfen.
- (3) Die in Übereinstimmung mit diesem Artikel festgelegten politischen Konzepte, Programme und anderen Maßnahmen umfassen gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft.
- (4) Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken Maßnahmen, so auch durch zwei- oder mehrseitige Zusammenarbeit, um die Ursachen dafür zu verringern, dass Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, leicht Opfer des Menschenhandels werden, wie etwa Armut, Unterentwicklung und fehlende Chancengleichheit.
- (5) Die Vertragsstaaten treffen oder verstärken gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen, wie etwa erzieherische, soziale oder kulturelle Maßnahmen, so auch durch zwei- und mehrseitige Zusammenarbeit, um der Nachfrage entgegenzuwirken, die alle Formen der zum Menschenhandel führenden Ausbeutung von Personen, insbesondere von Frauen und Kindern, begünstigt.
Artikel 10
Informationsaustausch und Ausbildung
- (1) Die Strafverfolgungs-, Einwanderungs- oder sonstigen zuständigen Behörden der Vertragsstaaten arbeiten gegebenenfalls miteinander zusammen, indem sie in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht Informationen austauschen, um feststellen zu können,
-
- a) ob Personen, die mit Reisedokumenten, die einer anderen Person gehören, oder ohne Reisedokumente eine internationale Grenze überschreiten oder zu überschreiten versuchen, Täter oder Opfer des Menschenhandels sind;
- b) welche Art von Reisedokumenten Personen zum Überschreiten einer internationalen Grenze zum Zweck des Menschenhandels benutzt oder zu benutzen versucht haben;
- c) welche Mittel und Methoden organisierte kriminelle Gruppen beim Menschenhandel anwenden, einschließlich der Anwerbung und Beförderung der Opfer, der benutzten Wege und der Verbindungen zwischen Einzelpersonen und Gruppen, die einen solchen Handel betreiben, und welche Maßnahmen zu ihrer Aufdeckung getroffen werden können.
- (2) Die Vertragsstaaten gewährleisten oder verstärken die Ausbildung für die Bediensteten der Strafverfolgungs-, Einwanderungs- und sonstigen zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Verhütung des Menschenhandels. Diese Ausbildung soll sich auf die Methoden zur Verhütung des Menschenhandels, zur Strafverfolgung der Menschenhändler und zum Schutz der Rechte der Opfer konzentrieren, namentlich den Schutz der Opfer vor den Menschenhändlern. Die Ausbildung soll außerdem die erforderliche einbeziehung menschenrechtlicher sowie kinder- und geschlechterspezifischer Fragen berücksichtigen und die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft fördem.
- (3) ein Vertragsstaat, der Informationen erhält, kommt jedem Ersuchen des die Informationen übermittelnden Vertragsstaats nach, das ihren Gebrauch Einschränkungen unterwirft.
Artikel 11
Maßnahmen an den Grenzen
- (1) Unbeschadet der internationalen Verpflichtungen betreffend den freien Personenverkehr verstärken die Vertragsstaaten so weit wie möglich die Grenzkontrollen, die zur Verhütung und Aufdeckung des Menschenhandels erforderlich sind.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung von in Übereinstimmung mit Artikel 5 umschriebenen Straftaten benutzt werden.
- (3) Gegebenenfalls und unbeschadet der anwendbaren internationalen Übereinkünfte gehört zu diesen Maßnahmen auch die Verpflichtung gewerblicher Beförderungsunternehmer, einschließlich Beförderungsunternehmen und Besitzer oder Betreiber aller Arten von Beförderungsmitteln, sich dessen zu vergewissern, dass alle beförderten Personen im Besitz der für die Einreise in den Aufnahmestaat erforderlichen Reisedokumente sind.
- (4) Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht die erforderlichen Maßnahmen, um im Fall eines Verstoßes gegen die in Absatz 3 festgelegte Verpflichtung Sanktionen vorzusehen.
- (5) Jeder Vertragsstaat erwägt, Maßnahmen zu treffen, die es in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht gestatten, Personen, die an der Begehung von in Übereinstimmung mit diesem Protokoll umschriebenen Straftaten beteiligt sind, die Einreise zu verweigern oder ihre Visa für ungültig zu erklären.
- (6) Unbeschadet des Artikels 27 des Übereinkommens erwägen die Vertragsstaaten, die Zusammenarbeit zwischen ihren Grenzkontrollbehörden zu verstärken, indem sie unter anderem direkte Nachrichtenverbindungen einrichten und aufrechterhalten.
Artikel 12
Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten
Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen der verfügbaren Mittel die erforderlichen Maßnahmen,
- a) um sicherzustellen, dass die Qualität der von ihm ausgestellten Reise- oder Identitätsdokumente so beschaffen ist, dass sie nicht leicht missbraucht und nicht ohne weiteres gefälscht oder auf rechtswidrige Weise verändert, vervielfältigt oder ausgestellt werden können, und
- b) um die Unversehrtheit und Sicherheit der Reise- oder Identitätsdokumente zu gewährleisten, die von dem Vertragsstaat oder in seinem Namen ausgestellt wurden, und ihre rechtswidrige Herstellung, Ausstellung und Verwendung zu verhindern.
Artikel 13
Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten
- Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats überprüft ein Vertragsstaat in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Reise- oder Identitätsdokumenten, die tatsächlich oder angeblich in seinem Namen ausgestellt wurden und die mutmaßlich für den Menschenhandel benutzt werden.
IV. Schlussbestimmungen
Artikel 14
Vorbehaltsklausel
- (1) Dieses Protokoll berührt nicht die Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem darin verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung.
- (2) Die in diesem Protokoll genannten Maßnahmen sind so auszulegen und anzuwenden, dass Personen nicht auf Grund dessen, dass sie Opfer des Menschenhandels sind, diskriminiert werden. Die Auslegung und Anwendung dieser Maßnahmen muss mit den international anerkannten Grundsätzen der Nichtdiskriminierung im Einklang stehen.
Artikel 15
Beilegung von Streitigkeiten
- (1) Die Vertragsstaaten bemühen sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls durch Verhandlungen beizulegen.
- (2) Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem er einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.
- (3) Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Protokolls oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Absatz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.
- (4) ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 angebracht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurückziehen.
Artikel 16
Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
- (1) Dieses Protokoll liegt für alle Staaten vom 12. bis 15. Dezember 2000 in Palermo (Italien) und danach bis zum 12. Dezember 2002 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.
- (2) Dieses Protokoll liegt auch für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auf, sofern mindestens ein Mitgliedstaat der betreffenden Organisation dieses Protokoll nach Absatz 1 unterzeichnet hat.
- (3) Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn dies mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten getan hat. In dieser Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklärt die Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
- (4) Dieses Protokoll steht jedem Staat und jeder Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, von der mindestens ein Mitgliedstaat Vertragspartei dieses Protokolls ist, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Bei ihrem Beitritt erklärt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
Artikel 17
Inkrafttreten
- (1) Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach Hinterlegung der vierzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nicht vor Inkrafttreten des Übereinkommens. Für die Zwecke dieses Absatzes zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.
- (2) Für jeden Staat und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die dieses Protokoll nach Hinterlegung der vierzigsten entsprechenden Urkunde ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt das Protokoll am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat beziehungsweise diese Organisation oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Absatz 1 in Kraft, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.
Artikel 18
Änderung
- (1) Nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann ein Vertragsstaat des Protokolls eine Änderung vorschlagen und sie beim Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen; dieser leitet die vorgeschlagene Änderung den Vertragsstaaten und der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zu, damit diese den Vorschlag prüfen und darüber beschließen können. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls, die in der Konferenz der Vertragsparteien zusammentreten, bemühen sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird keine Einigung erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Sitzung der Konferenz der Vertragsparteien anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten dieses Protokolls erforderlich, um die Änderung zu beschließen.
- (2) Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht nach diesem Artikel mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Protokolls sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt.
- (3) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsstaaten.
- (4) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung tritt für einen Vertragsstaat neunzig Tage nach der Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Änderung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.
- (5) Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein, bindend. Die anderen Vertragsstaaten sind weiter durch dieses Protokoll und alle früher von ihnen ratifizierten, angenommenen oder genehmigten Änderungen gebunden.
Artikel 19
Kündigung
- (1) ein Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
- (2) eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hört auf, Vertragspartei dieses Protokolls zu sein, wenn alle ihre Mitgliedstaaten es gekündigt haben.
Artikel 20
Verwahrer und Sprachen
Zusatzprotokoll
gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land, See und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
(Übersetzung)
Präambel
Die Vertragsstaaten dieses Protokolls
- unter Hinweis darauf, dass wirksame Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg ein allseitiges internationales Vorgehen erfordern, das unter anderem Zusammenarbeit, den Austausch von Informationen sowie weitere geeignete Maßnahmen, darunter soziale und wirtschaftliche Maßnahmen, auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene umfasst,
- im Hinblick auf die Resolution 054/212 der Generalversammlung vom 22. Dezember 1999, in der die Versammlung die Mitgliedstaaten und das System der Vereinten Nationen nachdrücklich aufforderte, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Migration und Entwicklung zu verstärken, um gegen die tieferen Ursachen der Migration, insbesondere diejenigen im Zusammenhang mit der Armut, anzugehen und um den Beteiligten den größtmöglichen Nutzen aus der internationalen Migration zuteil werden zu lassen, und in der sie den interregionalen, regionalen und subregionalen Mechanismen nahe legte, sich gegebenenfalls auch weiterhin mit der Frage der Migration und der Entwicklung zu befassen,
- überzeugt von der Notwendigkeit, den Migranten eine menschliche Behandlung und den vollen Schutz ihrer Rechte zu gewähren,
- unter Berücksichtigung dessen, dass es trotz der in anderen internationalen Foren geleisteten Arbeit keine umfassende Übereinkunft gibt, die alle Aspekte der Schleusung von Migranten und andere damit zusammenhängende Fragen einbezieht,
- besorgt über die erhebliche Zunahme der Tätigkeit organisierter krimineller Gruppen bei der Schleusung von Migranten und anderer damit zusammenhängender, in diesem Protokoll genannter krimineller Tätigkeiten, die den betroffenen Staaten großen Schaden verursachen,
- sowie besorgt darüber, dass die Schleusung von Migranten das Leben oder die Sicherheit der betroffenen Migranten gefährden kann,
- im Hinblick auf die Resolution 053/111 der Generalversammlung vom 9. Dezember 1998, in der die Versammlung beschloss, einen allen Mitgliedstaaten offen stehenden zwischenstaatlichen Adhoc-Ausschuss einzusetzen mit dem Auftrag, ein umfassendes internationales Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität auszuarbeiten und unter anderem die Ausarbeitung einer internationalen Übereinkunft zur Bekämpfung der Schleusung von Migranten und ihrer unerlaubten Beförderung, einschließlich auf dem Seeweg, zu erörtern,
- überzeugt, dass die Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität durch eine internationale Übereinkunft gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg für die Verhütung und Bekämpfung dieser Art der Kriminalität von Nutzen sein wird
sind wie folgt übereingekommen:
I. Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1
Verhältnis zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
- (1) Dieses Protokoll ergänzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Es ist zusammen mit dem Übereinkommen auszulegen.
- (2) Das Übereinkommen findet sinngemäß auf dieses Protokoll Anwendung, sofern im Protokoll nichts anderes vorgesehen ist.
- (3) Die in Übereinstimmung mit Artikel 6 dieses Protokolls umschriebenen Straftaten werden als in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen umschriebene Straftaten angesehen.
Artikel 2
Zweck
Zweck dieses Protokolls ist es, die Schleusung von Migranten zu verhüten und zu bekämpfen sowie die diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zu fördern und dabei gleichzeitig die Rechte der geschleusten Migranten zu schützen.
Artikel 3
Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Protokolls
- a) bezeichnet der Ausdruck Schleusung von Migranten" die Herbeiführung der unerlaubten Einreise einer Person in einen Vertragsstaat, dessen Staatsangehörige sie nicht ist oder in dem sie keinen ständigen Aufenthalt hat, mit dem Ziel, sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen;
- b) bezeichnet der Ausdruck unerlaubte Einreise" das Überschreiten von Grenzen, ohne die erforderlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise in den Aufnahmestaat zu erfüllen;
- c) bezeichnet der Ausdruck gefälschtes Reise- oder Identitätsdokument" ein Reise- oder Identitätsdokument,
I) das von jemand anderem als der Person oder Stelle, die rechtmäßig befugt ist, das Reise- oder Identitätsdokument im Namen eines Staates anzufertigen oder auszustellen, als Fälschung angefertigt oder in substantieller Weise verändert wurde,
II) das auf Grund falscher Angaben, durch Korruption, Nötigung oder auf andere unrechtmäßige Weise unbefugt ausgestellt oder erlangt wurde oder
III) das von einer Person benutzt wird, die nicht der rechtmäßige Inhaber ist;
- d) bezeichnet der Ausdruck Schiff" alle Arten von Wasserfahrzeugen, einschließlich nicht wasserverdrängender Fahrzeuge und Wasserflugzeuge, die als Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden können, mit Ausnahme von Kriegsschiffen, Flottenhilfsschiffen oder sonstigen Schiffen, die einem Staat gehören oder von ihm eingesetzt sind und die zum gegebenen Zeitpunkt im Staatsdienst ausschließlich für andere als Handelszwecke genutzt werden.
Artikel 4
Geltungsbereich
Dieses Protokoll findet, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, Anwendung auf die Verhütung, Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung der in Übereinstimmung mit Artikel 6 umschriebenen Straftaten, wenn die Straftaten grenzüberschreitender Natur sind und eine organisierte kriminelle Gruppe daran mitwirkt, sowie auf den Schutz der Rechte der Personen, die Gegenstand dieser Straftaten waren.
Artikel 5
Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Migranten
Migranten können nicht nach diesem Protokoll strafrechtlich dafür verfolgt werden, dass sie Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden.
Artikel 6
Kriminalisierung
- (1) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und zur unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils begangen, als Straftaten zu umschreiben:
- a) die Schleusung von Migranten;
- b) wenn die Handlung begangen wurde, um die Schleusung von Migranten zu ermöglichen,
I) die Herstellung eines gefälschten Reise oder Identitätsdokuments;
II) die Beschaffung, die Bereitstellung oder den Besitz eines solchen Dokuments;
- c) es einer Person, die nicht Staatsangehörige des betreffenden Staates ist oder dort keinen ständigen Aufenthalt hat, durch die unter Buchstabe b genannten oder andere unrechtmäßige Mittel zu ermöglichen, in diesem Staat zu verbleiben, ohne die erforderlichen Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt zu erfüllen.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft ferner die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen als Straftaten zu umschreiben:
- a) vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung den Versuch, eine in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebene Straftat zu begehen;
- b) die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a, Buchstabe b Ziffer i oder Buchstabe c umschriebenen Straftat sowie, vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung, die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii umschriebenen Straftat;
- c) die Organisation der Begehung einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebenen Straftat oder die Anleitung anderer zu ihrer Begehung.
- (3) Jeder Vertragsstaat trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende erschwerende Umstände für die in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a, Buchstabe b Ziffer i und Buchstabe c umschriebenen Straftaten sowie, vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung, für die in Übereinstimmung mit Absatz 2 Buchstaben b und c umschriebenen Straftaten festzulegen:
- a) die Gefährdung oder mögliche Gefährdung des Lebens oder der Sicherheit der betroffenen Migranten;
- b) die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dieser Migranten, einschließlich zum Zweck der Ausbeutung.
- (4) Dieses Protokoll hindert einen Vertragsstaat nicht daran, Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen, deren Handlungen nach seinem innerstaatlichen Recht eine Straftat darstellen.
II. Schleusung von Migranten auf dem Seeweg
Artikel 7 Zusammenarbeit
Die Vertragsstaaten arbeiten so weit wie irgend möglich zusammen, um die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg im Einklang mit dem Internationalen Seerecht zu verhüten und zu bekämpfen.
Artikel 8
Maßnahmen gegen die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg
- (1) ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff, das seine Flagge führt oder angeblich in sein Schiffsregister eingetragen ist und das keine Staatszugehörigkeit besitzt oder das, obwohl es eine fremde Flagge führt oder sich weigert, seine Flagge zu zeigen, in Wirklichkeit die Staatszugehörigkeit des betreffenden Vertragsstaats besitzt, für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, kann andere Vertragsstaaten um Hilfe bei der Unterbindung der Nutzung des Schiffes für diesen Zweck ersuchen. Die darum ersuchten Vertragsstaaten leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfe.
- (2) ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff, das die Freiheit der Schifffahrt in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ausübt und die Flagge eines anderen Vertragsstaats führt oder dessen Registrierungszeichen zeigt, für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, kann dies dem Flaggenstaat anzeigen, eine Bestätigung der Registrierung anfordern und bei Bestätigung den Flaggenstaat um die Genehmigung ersuchen, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf dieses Schiff zu treffen. Der Flaggenstaat kann dem ersuchenden Staat unter anderem die Genehmigung erteilen,
- a) das Schiff anzuhalten;
- b) das Schiff zu durchsuchen und,
- c) falls Beweise dafür gefunden werden, dass das Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, die vom Flaggenstaat genehmigten geeigneten Maßnahmen im Hinblick auf das Schiff sowie die an Bord befindlichen Personen und die an Bord befindliche Ladung zu treffen.
- (3) ein Vertragsstaat, der eine Maßnahme nach Absatz 2 getroffen hat, unterrichtet den betreffenden Flaggenstaat unverzüglich über die Ergebnisse dieser Maßnahme.
- (4) ein Vertragsstaat antwortet umgehend auf ein Ersuchen eines anderen Vertragsstaats um Feststellung, ob ein Schiff, das angeblich in sein Schiffsregister eingetragen ist oder das seine Flagge führt, dazu berechtigt ist, sowie auf ein Ersuchen um eine Genehmigung nach Absatz 2.
- (5) ein Flaggenstaat kann in Übereinstimmung mit Artikel 7 seine Genehmigung von Bedingungen abhängig machen, die von ihm und dem ersuchenden Staat zu vereinbaren sind, einschließlich Bedingungen im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit und dem Umfang der zu treffenden wirksamen Maßnahmen. ein Vertragsstaat trifft ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Flaggenstaat keine zusätzlichen Maßnahmen außer solchen, die erforderlich sind, um eine unmittelbare Gefahr für das Leben von Personen abzuwenden, oder die sich aus einschlägigen zwei oder mehrseitigen Übereinkünften ableiten.
- (6) Jeder Vertragsstaat bestimmt eine oder gegebenenfalls mehrere Behörden, die Ersuchen um Hilfe, um die Bestätigung der Registrierung oder des Rechts eines Schiffes, seine Flagge zu führen, sowie um die Genehmigung, geeignete Maßnahmen zu treffen, entgegennehmen und beantworten. Der Generalsekretär notifiziert die so bestimmten Behörden innerhalb eines Monats nach deren Bestimmung allen anderen Vertragsstaaten.
- (7) ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird und keine Staatszugehörigkeit besitzt oder einem Schiff ohne Staatszugehörigkeit gleichgestellt werden kann, kann das Schiff anhalten und es durchsuchen. Werden Beweise gefunden, die den Verdacht bestätigen, so trifft der Vertragsstaat geeignete Maßnahmen im Einklang mit dem einschlägigen innerstaatlichen Recht und dem einschlägigen Völkerrecht.
Artikel 9
Schutzklauseln
- (1) Trifft ein Vertragsstaat gegen ein Schiff Maßnahmen nach Artikel 8, so
- a) gewährleistet er die Sicherheit und die menschliche Behandlung der an Bord befindlichen Personen;
- b) trägt er der Notwendigkeit gebührend Rechnung, weder die Sicherheit des Schiffes noch die der Ladung zu gefährden;
- c) trägt er der Notwendigkeit gebührend Rechnung, die wirtschaftlichen oder rechtlichen Interessen des Flaggenstaats oder eines anderen interessierten Staates nicht zu beeinträchtigen;
- d) stellt er im Rahmen der verfügbaren Mittel sicher, dass jede im Hinblick auf das Schiff getroffene Maßnahme umweltverträglich ist.
- (2) Erweist sich der Verdacht für die nach Artikel 8 getroffenen Maßnahmen als unbegründet, so ist gegenüber dem Schiff ein etwaiger Verlust oder Schaden zu ersetzen, es sei denn, von Seiten des Schiffes wurde eine die getroffenen Maßnahmen rechtfertigende Handlung begangen.
- (3) Jede nach diesem Kapitel getroffene, beschlossene oder durchgeführte Maßnahme trägt der Notwendigkeit gebührend Rechnung, Folgendes nicht zu behindern oder zu beeinträchtigen:
- a) die Rechte und Pflichten sowie die Ausübung der Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten in Übereinstimmung mit dem Internationalen Seerecht oder
- b) die Befugnis des Flaggenstaats, die Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten in Bezug auf das Schiff auszuüben.
- (4) Jede Maßnahme auf See nach diesem Kapitel wird nur von Kriegsschiffen oder Militärluftfahrzeugen oder von anderen Schiffen oder Luftfahrzeugen durchgeführt, die deutlich als im Staatsdienst stehend gekennzeichnet und als solche erkennbar und die hierzu befugt sind.
III. Verhütung, Zusammenarbeit und sonstige Maßnahmen
Artikel 10
Information
- (1) Unbeschadet der Artikel 27 und 28 des Übereinkommens tauschen die Vertragsstaaten, insbesondere diejenigen, die gemeinsame Grenzen besitzen oder an den für die Schleusung von Migranten benutzten Wegen liegen, zur Erreichung der Ziele dieses Protokolls im Einklang mit ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsordnung sachdienliche Informationen unter anderem zu folgenden Angelegenheiten aus:
- a) den Reiseantritts- und Zielpunkten sowie den Wegen, Beförderungsunternehmern und Beförderungsmitteln, die bekanntlich oder mutmaßlich von einer organisierten kriminellen Gruppe benutzt werden, welche die in Artikel 6 genannten Handlungen begeht;
- b) der Identität und den Methoden von Organisationen oder organisierten kriminellen Gruppen, die bekanntlich oder mutmaßlich die in Artikel 6 genannten Handlungen begehen;
- c) der Echtheit und ordnungsgemäßen Form der von einem Vertragsstaat ausgestellten Reisedokumente und dem Diebstahl oder Missbrauch von Blanko-Reise- oder Identitätsdokumenten;
- d) den Mitteln und Methoden des Verbergens und der Beförderung von Personen, der rechtswidrigen Änderung, Vervielfältigung oder Erwerbung oder des sonstigen Missbrauchs von Reise- oder Identitätsdokumenten, die bei in Artikel 6 genannten Handlungen angewendet werden, und Möglichkeiten zu ihrer Aufdeckung;
- e) den Erfahrungen bei der Gesetzgebung sowie den Praktiken und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der in Artikel 6 genannten Handlungen und
- f) den wissenschaftlichen und technischen Informationen, die für die Strafverfolgung von Nutzen sind, um ihre Fähigkeit, die in Artikel 6 genannten Handlungen zu verhüten, aufzudecken und zu untersuchen und die Beteiligten strafrechtlich zu verfolgen, gegenseitig zu verstärken.
- (2) ein Vertragsstaat, der Informationen erhält, kommt jedem Ersuchen des die Informationen übermittelnden Vertragsstaats nach, das ihren Gebrauch Einschränkungen unterwirft.
Artikel 11
Maßnahmen an den Grenzen
- (1) Unbeschadet der internationalen Verpflichtungen betreffend den freien Personenverkehr verstärken die Vertragsstaaten so weit wie möglich die Grenzkontrollen, die zur Verhütung und Aufdeckung der Schleusung von Migranten erforderlich sind.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel für die Begehung der in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a umschriebenen Straftat benutzt werden.
- (3) Gegebenenfalls und unbeschadet der anwendbaren internationalen Übereinkünfte gehört zu diesen Maßnahmen auch die Verpflichtung gewerblicher Beförderungsunternehmer, einschließlich Beförderungsunternehmen und Besitzer oder Betreiber aller Arten von Beförderungsmitteln, sich dessen zu vergewissern, dass alle beförderten Personen im Besitz der für die Einreise in den Aufnahmestaat erforderlichen Reisedokumente sind.
- (4) Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht die erforderlichen Maßnahmen, um im Fall eines Verstoßes gegen die in Absatz 3 festgelegte Verpflichtung Sanktionen vorzusehen.
- (5) Jeder Vertragsstaat erwägt, Maßnahmen zu treffen, die es in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht gestatten, Personen, die an der Begehung von in Übereinstimmung mit diesem Protokoll umschriebenen Straftaten beteiligt sind, die Einreise zu verweigern oder ihre Visa für ungültig zu erklären.
- (6) Unbeschadet des Artikels 27 des Übereinkommens erwägen die Vertragsstaaten, die Zusammenarbeit zwischen ihren Grenzkontrollbehörden zu verstärken, indem sie unter anderem direkte Nachrichtenverbindungen einrichten und aufrechterhalten.
Artikel 12
Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten
Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen der verfügbaren Mittel die erforderlichen Maßnahmen,
- a) um sicherzustellen, dass die Qualität der von ihm ausgestellten Reise- oder Identitätsdokumente so beschaffen ist, dass sie nicht leicht missbraucht und nicht ohne weiteres gefälscht oder auf rechtswidrige Weise verändert, vervielfältigt oder ausgestellt werden können, und
- b) um die Unversehrtheit und Sicherheit der Reise- oder Identitätsdokumente zu gewährleisten, die von dem Vertragsstaat oder in seinem Namen ausgestellt wurden, und ihre rechtswidrige Herstellung, Ausstellung und Verwendung zu verhindern.
Artikel 13
Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten
Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats überprüft ein Vertragsstaat in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Reise- oder Identitätsdokumenten, die tatsächlich oder angeblich in seinem Namen ausgestellt wurden und die mutmaßlich für die in Artikel 6 genannten Handlungen benutzt werden.
Artikel 14
Ausbildung und technische Zusammenarbeit
- (1) Die Vertragsstaaten gewährleisten oder verstärken die besondere Ausbildung für die Bediensteten der Einwanderungs- und sonstigen zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Verhütung der in Artikel 6 genannten Handlungen und der menschlichen Behandlung der Migranten, die Gegenstand dieser Handlungen geworden sind, bei gleichzeitiger Achtung ihrer in diesem Protokoll festgelegten Rechte.
- (2) Die Vertragsstaaten arbeiten untereinander sowie gegebenenfalls mit den zuständigen internationalen Organisationen, nichtstaatlichen Organisationen, anderen in Betracht kommenden Organisationen und sonstigen Teilen der Zivilgesellschaft zusammen, um sicherzustellen, dass das Personal in ihrem Hoheitsgebiet eine angemessene Ausbildung in der Verhütung, Bekämpfung und Unterbindung der in Artikel 6 genannten Handlungen und zum Schutz der Rechte der Migranten, die Gegenstand dieser Handlungen geworden sind, erhält. Diese Ausbildung umfasst
- a) die Verbesserung der Sicherheit und der Qualität von Reisedokumenten;
- b) das Erkennen und Aufdecken gefälschter Reise- oder Identitätsdokumente;
- c) die Gewinnung von strafrechtlich bedeutsamen Informationen, insbesondere in Bezug auf die Identifizierung organisierter krimineller Gruppen, die bekanntlich oder mutmaßlich die in Artikel 6 genannten Handlungen begehen, die bei der Schleusung von Migranten angewandten Beförderungsmethoden, den Missbrauch von Reise- oder Identitätsdokumenten für die in Artikel 6 genannten Handlungen und die bei der Schleusung von Migranten benutzten Mittel zum Verdunkeln dieser Handlungen;
- d) die Verbesserung der Verfahren zur Entdeckung geschleuster Personen an konventionellen wie nichtkonventionellen ein- und Ausreisepunkten und
- e) die menschliche Behandlung von Migranten und den Schutz ihrer in diesem Protokoll festgelegten Rechte.
- (3) Die Vertragsstaaten, die über einschlägiges Fachwissen verfügen, erwägen die Gewährung technischer Hilfe an die Staaten, die häufig Herkunfts- oder Transitländer für Personen sind, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen sind. Die Vertragsstaaten bemühen sich nach Kräften, die erforderlichen Mittel wie Fahrzeuge, Computersysteme und Dokumentenlesegeräte zur Verfügung zu stellen, um die in Artikel 6 genannten Handlungen zu bekämpfen.
Artikel 15
Sonstige Verhütungsmaßnahmen
- (1) Jeder Vertragsstaat sorgt durch entsprechende Maßnahmen für die Bereitstellung oder Verstärkung von Aufklärungsprogrammen, um der Öffentlichkeit bewusster zu machen, dass die in Artikel 6 genannten Handlungen eine kriminelle Tätigkeit darstellen, die häufig von organisierten kriminellen Gruppen zu Gewinnzwecken betrieben wird und die mit schwerwiegenden Risiken für die betroffenen Migranten verbunden ist.
- (2) In Übereinstimmung mit Artikel 31 des Übereinkommens arbeiten die Vertragsstaaten auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit zusammen, um zu verhindern, dass potentielle Migranten Opfer organisierter krimineller Gruppen werden.
- (3) Jeder Vertragsstaat fördert beziehungsweise verstärkt die Entwicklungsprogramme und die Zusammenarbeit auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene und trägt dabei den sozioökonomischen Realitäten der Migration Rechnung und widmet den wirtschaftlich und sozial schwachen Gebieten besondere Aufmerksamkeit, um die tieferen sozioökonomischen Ursachen der Schleusung von Migranten, wie Armut und Unterentwicklung, zu bekämpfen.
Artikel 16
Schutz und Hilfsmaßnahmen
- (1) Bei der Anwendung dieses Protokolls trifft jeder Vertragsstaat im Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen alle geeigneten Maßnahmen, erforderlichenfalls auch gesetzgeberische Maßnahmen, um die nach dem anwendbaren Völkerrecht bestehenden Rechte der Personen, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen geworden sind, zu wahren und zu schützen, insbesondere das Recht auf Leben und das Recht, nicht der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.
- (2) Jeder Vertragsstaat trifft geeignete Maßnahmen, um Migranten angemessenen Schutz vor Gewalt zu gewähren, die Einzelpersonen oder Gruppen gegen sie auf Grund dessen ausüben, dass sie Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen sind.
- (3) Jeder Vertragsstaat gewährt Migranten, deren Leben oder Sicherheit auf Grund dessen gefährdet ist, dass sie Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen sind, angemessene Hilfe.
- (4) Bei der Anwendung dieses Artikels berücksichtigen die Vertragsstaaten die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern.
- (5) Wird eine Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, in Haft genommen, so befolgt jeder Vertragsstaat seine Verpflichtungen aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, sofern anwendbar, einschließlich der Verpflichtung, die betroffene Person unverzüglich über die Bestimmungen betreffend die Benachrichtigung der Konsularbeamten und den Verkehr mit diesen zu unterrichten.
Artikel 17
Übereinkünfte
Die Vertragsstaaten erwägen den Abschluss zweiseitiger oder regionaler Übereinkünfte oder operativer Vereinbarungen oder Absprachen mit dem Ziel,
- a) die geeignetsten und wirksamsten Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der in Artikel 6 genannten Handlungen zu ergreifen oder
- b) die Bestimmungen dieses Protokolls untereinander zu verstärken.
Artikel 18
Rückführung geschleuster Migranten
- (1) Jeder Vertragsstaat stimmt zu, ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung die Rückführung einer Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die zum Zeitpunkt der Rückführung seine Staatsangehörige ist oder ein Recht auf ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet besitzt, zu erleichtern und zu akzeptieren.
- (2) Jeder Vertragsstaat erwägt die Möglichkeit, die Rückführung einer Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die zum Zeitpunkt ihrer Einreise in den Aufnahmestaat ein Recht auf ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet besaß, nach seinem innerstaatlichen Recht zu erleichtern und zu akzeptieren.
- (3) Auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats prüft ein ersuchter Vertragsstaat ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung, ob eine Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, seine Staatsangehörige ist oder ein Recht auf ständigen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet besitzt.
- (4) Um die Rückführung einer Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die über keine ordnungsgemäßen Ausweispapiere verfügt, zu erleichtern, erklärt sich der Vertragsstaat, dessen Staatsangehörige die betreffende Person ist oder in dem sie ein Recht auf ständigen Aufenthalt besitzt, damit einverstanden, auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats die erforderlichen Reisedokumente oder sonstigen Genehmigungen auszustellen, damit die Person zu seinem Hoheitsgebiet reisen und in dieses wieder einreisen kann.
- (5) Jeder Vertragsstaat, der an der Rückführung einer Person, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, beteiligt ist, trifft alle geeigneten Maßnahmen, um die Rückführung dieser Person auf ordnungsgemäße Weise und unter gebührender Berücksichtigung ihrer Sicherheit und ihrer Würde durchzuführen.
- (6) Die Vertragsstaaten können bei der Anwendung dieses Artikels mit den zuständigen internationalen Organisationen zusammenarbeiten.
- (7) Dieser Artikel 1ässt die durch das innerstaatliche Recht des aufnehmenden Vertragsstaats gewährten Rechte der Personen, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden, unberührt.
- (8) Dieser Artikel berührt nicht die Verpflichtungen aus anderen anwendbaren zwei- oder mehrseitigen Verträgen oder anderen anwendbaren operativen Übereinkünften, welche die Rückführung von Personen ganz oder teilweise regeln, die Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden.
IV. Schlussbestimmungen
Artikel 19
Vorbehaltsklausel
- (1) Dieses Protokoll berührt nicht die anderen Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem darin verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung.
- (2) Die in diesem Protokoll genannten Maßnahmen sind so auszulegen und anzuwenden, dass Personen nicht auf Grund dessen, dass sie Gegenstand der in Artikel 6 genannten Handlungen sind, diskriminiert werden. Die Auslegung und Anwendung dieser Maßnahmen muss mit den international anerkannten Grundsätzen der Nichtdiskriminierung im Einklang stehen.
Artikel 20
Beilegung von Streitigkeiten
- (1) Die Vertragsstaaten bemühen sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls durch Verhandlungen beizulegen.
- (2) Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterworfen. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem er einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.
- (3) Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Protokolls oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Absatz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.
- (4) ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 angebracht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurückziehen.
Artikel 21
Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
- (1) Dieses Protokoll liegt für alle Staaten vom 12. bis 15. Dezember 2000 in Palermo (Italien) und danach bis zum 12. Dezember 2002 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.
- (2) Dieses Protokoll liegt auch für die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auf, sofern mindestens ein Mitgliedstaat der betreffenden Organisation dieses Protokoll nach Absatz 1 unterzeichnet hat.
- (3) Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn dies mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten getan hat. In dieser Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklärt die Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
- (4) Dieses Protokoll steht jedem Staat und jeder Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, von der mindestens ein Mitgliedstaat Vertragspartei dieses Protokolls ist, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Bei ihrem Beitritt erklärt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Die Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.
Artikel 22
Inkrafttreten
- (1) Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach Hinterlegung der vierzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nicht vor Inkrafttreten des Übereinkommens. Für die Zwecke dieses Absatzes zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.
- (2) Für jeden Staat und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die dieses Protokoll nach Hinterlegung der vierzigsten entsprechenden Urkunde ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt das Protokoll am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat beziehungsweise diese Organisation oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Absatz 1 in Kraft, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist.
Artikel 23
Änderung
- (1) Nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann ein Vertragsstaat des Protokolls eine Änderung vorschlagen und sie beim Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen; dieser leitet die vorgeschlagene Änderung den Vertragsstaaten und der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens zu, damit diese den Vorschlag prüfen und darüber beschließen können. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls, die in der Konferenz der Vertragsparteien zusammentreten, bemühen sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird keine Einigung erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Sitzung der Konferenz der Vertragsparteien anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten dieses Protokolls erforderlich, um die Änderung zu beschließen.
- (2) Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht nach diesem Artikel mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsparteien dieses Protokolls sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt.
- (3) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsstaaten.
- (4) eine nach Absatz 1 beschlossene Änderung tritt für einen Vertragsstaat neunzig Tage nach der Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zu der Änderung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.
- (5) Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein, bindend. Die anderen Vertragsstaaten sind weiter durch dieses Protokoll und alle früher von ihnen ratifizierten, angenommenen oder genehmigten Änderungen gebunden.
Artikel 24
Kündigung
- (1) ein Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär der
- Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
- (2) eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hört auf, Vertragspartei dieses Protokolls zu sein, wenn alle ihre Mitgliedstaaten es gekündigt haben.
Artikel 25
Verwahrer und Sprachen
- (1) Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird zum Verwahrer dieses Protokolls bestimmt.
- (2) Die Urschrift dieses Protokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.
Zu Urkund dessen haben die unterzeichneten, von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben.
Denkschrift zum Übereinkommen
I. Allgemeines
Das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität enthält neue völkerrechtliche Verpflichtungen, um die weltweite Zusammenarbeit bei der Bekämpfung dieses Bereichs der Kriminalität zu verbessern.
lm Jahre 2002 verursachte die organisierte Kriminalität nach dem Lagebericht zur organisierten Kriminalität des Bundeskriminalamtes in Deutschland einen Schaden von mehr als 3 Mrd. Euro. In knapp 80 % der Fälle wirkten Tatverdächtige unterschiedlicher Nationalität zusammen, über 80 % der Delikte wiesen grenzüberschreitende Bezüge auf. eine effektive Bekämpfung dieser Art von Kriminalität ist daher nur durch ein abgestimmtes internationales Vorgehen möglich.
einen wichtigen Beitrag mit dem Ziel einer verstärkten internationalen Kooperation stellt dabei das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität dar. Es wurde am 15. November 2000 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. Die internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung und Verfolgung von organisierter Kriminalität mit grenzüberschreitendem Faktor zu intensivieren, ist Zweck des Übereinkommens. Die Staaten verpflichten sich mit dem Übereinkommen zudem, eine Reihe von Delikten der organisierten Kriminalität unter Strafe zu stellen. Hierzu gehört z.B. die Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe, die schwere Straftaten mit einer Mindeststrafe von vier Jahren begeht. Außerdem werden in dem Übereinkommen einzelne Taten genannt, wie z.B. Geldwäsche und Korruption im Zusammenhang mit Delikten organisierter Kriminalität sowie Behinderung der Justiz beziehungsweise Strafvereitelung, die unter Strafe gestellt werden müssen.
Die Vertragsstaaten sind durch das Übereinkommen insbesondere dazu verpflichtet:
- die Beteiligung an einer kriminellen Organisation unter Strafe zu stellen;
- gesetzgeberische oder andere Maßnahmen zu ergreifen, um die Strafbarkeit der Geldwäsche herzustellen;
- die vorsätzliche aktive und passive Korruption von Amtsträgern unter Strafe zu stellen und die Bestrafung der aktiven und passiven Korruption ausländischer Amtsträger zumindest in Erwägung zu ziehen;
- die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um juristische Personen strafrechtlich, zivilrechtlich oder verwaltungsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
Vermögenswerte, welche bei der Tatbegehung verwendet oder mit der Tat erlangt wurden, sollen beschlagnahmt werden können. Dieses soll auch grenzüberschreitend im Wege der internationalen Zusammenarbeit ermöglicht werden.
Andere Schwerpunkte der Konvention sind umfangreiche Regelungen über die gegenseitige Auslieferung von Tatverdächtigen sowie über die internationale Rechtshilfe bei der Verfolgung der Täter der durch das Übereinkommen erfassten Straftaten. Weitere Regelungen betreffen die internationale Zusammenarbeit beim Informationsaustausch und der Aus und Fortbildung, Maßnahmen der Prävention und Regelungen über den Schutz von Opfern und Zeugen.
Das Übereinkommen wird ergänzt durch drei Protokolle
- das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen und Kinderhandels,
- das Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land, See und Luftweg und
- das Zusatzprotokoll gegen die unerlaubte Herstellung von Feuerwaffen, deren Teilen, Komponenten und Munition sowie gegen den unerlaubten Handel damit.
Die Protokolle enthalten für die speziellen dort genannten Bereiche grenzüberschreitender Kriminalität zusätzliche Sonderbestimmungen. Obwohl voneinander unabhängig, stellen die Protokolle jedoch jeweils eine Einheit mit der Konvention dar und sind deshalb entsprechend dem Mutterübereinkommen auszulegen. Die Bestimmungen des Übereinkommens können in sieben Bereiche aufgeteilt werden:
1. Definitionen
Die Eröffnungsbestimmungen der Konvention erläutern wichtige Begriffe, die in der Konvention verwandt werden. In ihnen werden die Elemente der Taten festgelegt, die auf Grund des Übereinkommens unter Strafe gestellt werden müssen und sie bestimmen die Umstände, in welchen die verschiedenen Regelungen Anwendung finden. Die Definitionen werden auch helfen, die internationale Begrifflichkeit zur Erfassung des grenzüberschreitenden organisierten Verbrechens zu standardisieren.
2. Schaffung von Strafvorschriften
Das Übereinkommen regelt vier besondere Bereiche, in denen Straftatbestände geschaffen werden müssen Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe (Artikel 5), Geldwäsche (Artikel 6), Korruption (Artikel 8) und Behinderung der Justiz (Artikel 23). Dadurch sollen Tätigkeiten bekämpft werden, die häufig im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität angetroffen werden. Die Staaten, die das Übereinkommen ratifizieren, müssen Vorschriften haben oder erlassen, um diese Tätigkeiten als nationale Straftaten verfolgen zu können.
3. Nationale Maßnahmen zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens
Durch das Übereinkommen werden die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, nationale Gesetze und Praktiken zu schaffen, welche vorbeugend oder verhindernd spezielle Arten von organisierten Verbrechen erfassen. Um zum Beispiel Geldwäsche bekämpfen zu können, werden die Staaten aufgefordert, Regelungen zu schaffen, die ihre Banken verpflichten, Aufzeichnungen über Konten und Transaktionen aufzubewahren und diese den zuständigen nationalen Behörden zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Anonyme Bankkonten sollen nicht mehr erlaubt sein; der Missbrauch des Bankgeheimnisses zur Verdeckung krimineller Aktivitäten soll verhindert werden.
4. Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen das grenzüberschreitende organisierte Verbrechen
Das Übereinkommen geht davon aus, dass es für die national zuständigen Stellen unerlässlich ist, international vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, um mit Erfolg die organisierte Kriminalität bekämpfen zu können. Dies bedeutet, dass die Vertragsparteien sich mit Nachdruck in Einzelfällen gegenseitig unterstützen müssen. Zusammenarbeit nach dem Übereinkommen beinhaltet Auslieferung (Artikel 16), Rechtshilfe (Artikel 18) und andere besondere Maßnahmen sowie die Sammlung und den Austausch von Informationen.
5. Ausbildung und technische Unterstützung
Eine Reihe von Artikeln verpflichten die Vertragsparteien, angemessenen nationalen Sachverstand aufzubauen und zu erhalten, um die Probleme des grenzüberschreitenden organisierten Verbrechens in Angriff zu nehmen. Dies setzt auch angemessene Ausbildungsmöglichkeiten voraus. Das Übereinkommen enthält deshalb Vorschriften, in denen entwickelte Länder zu technischer Hilfe und anderweitiger Unterstützung der Entwicklungsländer aufgefordert werden. Gemäß Artikel 30 Abs. 2 Buchstabe c werden die Vertragsstaaten aufgefordert, angemessene und regelmäßige freiwillige Zahlungen auf ein Konto der Vereinten Nationen zu leisten, welches für die Unterstützung von Entwicklungsländern in ihrem Kampf gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität errichtet wurde. Nach den Möglichkeiten der nationalen Gesetzgebung sollen dafür auch beschlagnahmte Erträge aus Verbrechen herangezogen werden.
6. Verhütung
In Artikel 31 der Konvention werden die Vertragsparteien aufgerufen, Maßnahmen zur Verhütung verschiedener Formen grenzüberschreitender organisierter Kriminalität zu ergreifen. Dies beinhaltet Sicherheitsmaßnahmen, die Ausbildung von Beamten, das Führen von Aufzeichnungen über Verbrechen und die Kontrolle von besonderen Aktivitäten, wie zum Beispiel die Ausgabe von Reisedokumenten und den Handel mit Schusswaffen.
7. Schlussvorschriften
Die Schlussvorschriften schließlich regeln unter anderem den Zeitpunkt, an dem das Übereinkommen in Kraft tritt. Dies ist gemäß Artikel 36 Abs. 3 und Artikel 38 der 90. Tag nach dem Tag, an welchem der 40. Staat seine Ratifizierungsurkunde übermittelt hat. Des Weiteren ist hier ein System vorgesehen, welches eine Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens ermöglichen soll.
Die Regelungen des Übereinkommens, das auch nach der Ratifizierung nur Pflichten der Vertragsparteien enthält, sind bereits heute umfassend im nationalen deutschen Recht verwirklicht, so dass bei Ratifizierung keine Änderungen des deutschen Rechts, insbesondere des Straf und Strafprozessrechts, erforderlich sind. Das Übereinkommen stellt keine Ermächtigungsgrundlage zum Eingriff gegen einzelne Bürger dar.
II. Besonderes
Zu den Bestimmungen des Übereinkommens im Einzelnen:
Zu Artikel 1 Zweck
In Artikel 1 wird der Zweck des Übereinkommens bestimmt. Dieser besteht darin, die internationale Zusammenarbeit zu fördern, um eine wirksamere Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität zu erreichen. Damit wird angesichts der zunehmenden Bedeutung des grenzüberschreitenden Charakters der organisierten Kriminalität die Wichtigkeit der Zusammenarbeit festgestellt.
Zu Artikel 2 Begriffsbestimmungen
In dieser Vorschrift werden verschiedene, in dem Übereinkommen häufig verwendete Begriffe näher bestimmt.
eine organisierte kriminelle Gruppe" ist eine strukturierte Gruppe von mindestens drei Personen, welche für eine gewisse Dauer besteht und das gemeinsame Ziel verfolgt, eine oder mehrere schwere Straftaten oder andere in diesem Übereinkommen bestimmte Straftaten zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils zu begehen. eine schwere Straftat" stellt ein Verhalten dar, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens vier Jahren im Höchstmaß oder einer schwereren Strafe bedroht ist.
eine strukturierte Gruppe" ist keine Gruppe, die sich zufällig zur unmittelbaren Begehung einer Straftat gebildet hat. Sie setzt jedoch nicht notwendigerweise eine förmlich festgelegte Rolle für ihre Mitglieder, eine kontinuierliche Mitgliedschaft voraus. eine besonders ausgeprägte Struktur wird vom Übereinkommen nicht verlangt.
Vermögensgegenstände" sind Vermögensgegenstände jeglicher Art, körperliche oder nicht körperliche, bewegliche oder unbewegliche, materielle oder immaterielle Gegenstände sowie rechtserhebliche Schriftstücke oder Urkunden, die das Recht auf solche Gegenstände oder Rechte daran belegen. Der Begriff Erträge aus Straftaten" bezeichnet jeden unmittelbar oder mittelbar aus der Begehung einer Straftat stammenden oder dadurch erlangten Vermögensgegenstand. Durch die weite Fassung des Begriffs des Ertrages, welcher im Zusammenhang mit der Umschreibung des Vermögenswertes in Artikel 2 Buchstabe d zu sehen ist, soll gewährleistet werden, dass dem Täter alle aus seiner kriminellen Tätigkeit herrührenden wirtschaftlichen Vorteile entzogen werden können. Nach deutschem Verständnis wird dieser Begriff abgedeckt durch den Begriff des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB).
einfrieren" oder Beschlagnahmen" erfassen das vorübergehende Verbot der Übertragung, der Umwandlung oder Bewegung von Vermögensgegenständen oder der Verfügung darüber oder die vorübergehende Verwahrung oder Kontrolle von Vermögensgegenständen. Voraussetzung ist, dass dies auf Grund einer von einem Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde getroffenen Entscheidung erfolgt.
Unter Einziehung" ein Begriff, der auch den Verfall umfassen kann wird die dauerhafte Entziehung von Vermögensgegenständen auf Grund einer Entscheidung eines Gerichts oder einer anderen Behörde verstanden. Somit umfasst er Sanktionen gegen das Vermögen, die sowohl nach nationalem Recht als Strafe als auch wie nach deutschem Recht als Maßnahme ausgestaltet wurden.
Dabei ist zudem, wie auch der Hinweis auf den Verfall zeigt, dieser Begriff als Oberbegriff für den Verfall nach den §§ 73 ff. StGB und die Einziehung nach den §§ 74 ff. StGB zu verstehen. Notwendig ist die Verbindung der Maßnahme mit einer strafbaren Handlung. Nicht entscheidend ist, ob die Einziehung in einem strafrechtlichen Urteilsverfahren angeordnet wird. Sie kann auch gemäß § 438 Strafprozeßordnung (StPO) durch Strafbefehl oder gemäß § 440 StPO in einem selbständigen Verfahren angeordnet werden. Erforderlich ist in jedem Falle, dass die Anforderungen des unabhängigen Gerichts im Sinne des Artikels 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten eingehalten sind und der Anordnung der Einziehung in jedem Fall eine gemäß § 48 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (lRG) als mit Strafe bedrohte Tat zugrunde liegt.
Der Begriff der Haupttat", der sich auch schon in dem Übereinkommen des Europarats vom 8. November 1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten wiederfindet, bezieht sich auf die den Ertrag hervorbringende Vortat, also diejenige, die der Geldwäschehandlung vorausgeht.
Der Begriff der kontrollierten Lieferung" wird bereits im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen verwendet. Vorliegend hat man weitgehend auf die bereits dort gefundene Definition zurückgegriffen.
Zu Artikel 3 Geltungsbereich
Artikel 3 regelt den Geltungsbereich des Übereinkommens. Dieser ist zum einen begrenzt durch den Umstand, dass eine Grenzüberschreitung gegeben sein und eine organisierte kriminelle Gruppe an der Handlung mitwirken muss. So wird eine Beschränkung des Übereinkommens auf Fälle von grenzüberschreitender Natur und Fälle der organisierten Kriminalität erreicht, wie seine Überschrift schon deutlich macht. Zugleich erfolgt eine Beschränkung auf vier charakteristische Arten von Straftaten, nämlich die Beteiligung an einer kriminellen Gruppe an einer schweren Straftat, die Geldwäsche, die Korruption und die Beeinträchtigung der Justiz. Durch die daneben in Artikel 2 vorgesehene Definition der schweren Straftat, die eine Höchststrafe von mindestens vier Jahren erfordert, wird der Geltungsbereich einerseits ausgeweitet, andererseits aber auch eingeschränkt. Er wird von den nationalen Standards bei der gesetzlichen Strafandrohung abhängig gemacht. Praktisch besteht damit die Gefahr einer Umgehung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens durch die nationale Festlegung eines Strafmaßes. Das Merkmal der Grenzüberschreitung" wird in Absatz 2 näher bestimmt. eine Grenzüberschreitung liegt bereits vor, wenn die Tat in einem Staat begangen wird und erhebliche Auswirkungen in einem anderen Staat hat.
Zu Artikel 4 Schutz der Souveränität
Diese Bestimmung entspricht Artikel 2 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen. Sie hat einschränkenden Charakter. Die Bestimmung stellt klar, dass ein Staat bei der Erfüllung der Verpflichtungen nach diesem Übereinkommen nicht in die hoheitlichen Befugnisse eines anderen Vertragsstaats eingreifen darf.
Zu Artikel 5 Kriminalisierung der Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe
Artikel 5 enthält wie die Artikel 6, 8 und 23 die Bestimmung eines bestimmten Verhaltens, welches umfassend unter Strafe gestellt werden muss. Dieses Verhalten wird seiner Natur nach als unabdingbar der organisierten Kriminalität zugehörig angesehen. Nach deutschem Recht wird das in Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a beschriebene Verhalten insbesondere durch § 129 StGB erfasst. Dies gilt für Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe a Ziffer i allerdings nur insoweit, als eine organisierte kriminelle Gruppe an der Verabredung teilnimmt. Diese Einschränkung erlaubt das Übereinkommen ausdrücklich. Die Voraussetzungen des Artikels 5 Abs. 3 Satz 1 des Übereinkommens liegen im Hinblick auf § 129 StGB vor. lm Übrigen sind in diesem Zusammenhang die Vorschriften der Anstiftung gemäß § 26 StGB, der Beihilfe gemäß § 27 StGB, des Versuchs gemäß § 23 StGB und des Versuchs der Beteiligung gemäß § 30 StGB zu nennen. Dem in Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe b beschriebenen Verhalten wird durch die zweite Alternative von § 129 StGB, der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Rechnung getragen. Nach Absatz 2 soll das Vorliegen bestimmter subjektiver Tatbestandselemente bei der Beteiligung an einer organisierten kriminellen Gruppe aus objektiven und faktischen Umständen hergeleitet werden können. eine derartige Vorschrift befindet sich bereits in Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe c des Geldwäscheübereinkommens des Europarates. Sie steht im Einklang mit dem Ziel der freien richterlichen Beweiswürdigung, welches eine Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Rahmen der Beweiswürdigung gestattet beziehungsweise erfordert.
Zu Artikel 6 Kriminalisierung des Waschens der Erträge aus Straftaten
Diese Vorschrift stellt eine der zentralen Bestimmungen des Übereinkommens dar. Jede Vertragspartei ist verpflichtet, die vorsätzlich begangene Geldwäsche unter Strafe zu stellen. Dabei entspricht die Umschreibung der unter Strafe zu stellenden Tathandlung weitgehend der Ausgestaltung der entsprechenden Bestimmungen in Artikel 3 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen und in Artikel 6 Abs. 1 des Übereinkommens vom 8. November 1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Wie schon bei den zuletzt genannten Übereinkommen wird der Kreis der Haupttaten, also derjenigen Taten, aus denen Erträge gewaschen werden, nicht eingeschränkt. In Absatz 2 Buchstabe a wird die Verwendung eines möglichst breit gefächerten Katalogs von Haupttaten gefordert.
Die deutsche Regelung in § 261 StGB erfüllt bereits die Anforderungen dieser Vorschrift. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass in Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe b Satz 1 und 2 Alternativlösungen dargestellt werden. Die Bundesrepublik Deutschland verfügt über ein System, das der Listenlösung in Satz 2 entspricht, da nicht nur Verbrechen" gemäß § 12 Abs. 1 StGB, sondern auch näher bezeichnete, besonders aufgelistete Vergehen als Haupttaten in Betracht kommen.
Der Notwendigkeit, umfassend Straftaten als Haupttaten anzusehen, die mit organisierten kriminellen Gruppen zusammenhängen, wird durch das Anknüpfen an ein gewerbsmäßiges oder innerhalb einer Bande verwirklichtes Vorgehen gemäß § 261 Abs. 1 Nr. 4 und 5 StGB Rechnung getragen. Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe c ist durch § 261 Abs. 8 StGB umgesetzt.
Insgesamt geht die bestehende Fassung von § 261 StGB deutlich über den in Artikel 6 festgelegten Mindeststandard hinaus. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls kommt auch eine Strafbarkeit nach den §§ 257 ff. StGB in Betracht.
Zu Artikel 7 Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche
In dieser Vorschrift werden Maßnahmen aufgelistet, die jeder Vertragsstaat zur Bekämpfung der Geldwäsche zu schaffen hat.
Hierzu zählt unter anderem ein umfassendes innerstaatliches Regulierungs und Aufsichtssystem für Banken, Finanzinstitutionen und für andere, besonders für geldwäschegefährdete Einrichtungen. Die mit der Bekämpfung der Geldwäsche befassten Behörden müssen sowohl national, als auch international zusammenarbeiten und Informationen austauschen können. Vertragsstaaten sollen darüber hinaus erwägen, praktisch durchführbare Maßnahmen zu ergreifen, um grenzüberschreitende Bewegungen von Bargeld und gegebenenfalls Wertpapieren aufzudecken und zu überwachen. Sie werden aufgefordert, sich bei der Schaffung eines Regulierungs und Aufsichtssystems von Initiativen regionaler, interregionaler und multilateraler Organisationen gegen die Geldwäsche anregen zu lassen. Die Zusammenarbeit der mit der Geldwäschebekämpfung befassten Behörden soll auf den unterschiedlichen Ebenen ausgebaut und gefördert werden.
Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe a wird von der Bundesrepublik Deutschland durch verschiedene bestehende Vorschriften erfüllt. Zu nennen sind § 24c Kreditwesengesetz (KWG) (automatisierter Abruf von Kontoinformationen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht), § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KWG (Verpflichtung der Finanzinstitute zur organisatorischen Umsetzung des Knowyourcustomer-Prinzips) und § 25b KWG (besondere organisatorische Pflichten von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten im grenzüberschreitenden bargeldlosen Zahlungsverkehr).
Daneben werden die inhaltlichen Vorgaben in Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe a im Wesentlichen vom Geldwäschegesetz (GwG), insbesondere den dortigen §§ 2 bis 4, 6, 8 (Identifizierung), 9 (Aufzeichnung und Aufbewahrung) und 11 (Anzeige von Verdachtsfällen), erfüllt, wobei die Beaufsichtigung für den zentralen Bereich der Banken und anderen Finanzinstitutionen durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgt (§ 16).
Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe b wird vorrangig durch § 5 GwG und die damit eingerichtete Financial Intelligence Unit beim Bundeskriminalamt (Zentralstelle für Verdachtsanzeigen) im geltenden deutschen Recht erfüllt.
Auf die bewährten Regeln der internationalen Zusammenarbeit gemäß der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen kann zurückgegriffen werden.
Außerdem ist in § 9 KWG eine Weitergabe von Tatsachen, die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht und Tätigkeit bekannt geworden sind, unter anderem an in und ausländische Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sowie an andere Aufsichtsbehörden geregelt, was auch den in Artikel 7 Abs. 1 Buchstabe b geforderten Informationsaustausch ermöglicht.
Die in Absatz 2 angeregte Aufdeckung und Überwachung grenzüberschreitender Bewegungen ist durch die §§ 12a und 31a des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) im Hinblick auf die Kontrolle des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs bereits umgesetzt.
Deutschland hat sich bei seiner nationalen Geldwäschebekämpfungsgesetzgebung nachdrücklich durch die zwei relevanten Richtlinien der Europäischen Union und durch die 40 Empfehlungen der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) anregen lassen. Deutschland arbeitet bereits heute in verschiedenen internationalen und multinationalen Gremien zur Bekämpfung der Geldwäsche umfassend mit. Beispielhaft sind hier als Zusammenarbeitsmechanismen Eurojust, Europol, das Europäische Justitielle Netz und als weltweit aktive Organisation, auf die in den Interpretationsnoten zu dem Übereinkommen ausdrücklich Bezug genommen wird, die FATF zu erwähnen.
Zu Artikel 8 Kriminalisierung der Korruption
ein Herzstück des Übereinkommens sind die Regelungen zur Bekämpfung der Bestechung in und ausländischer Amtsträger. Artikel 8 enthält eine Begriffsbestimmung der aktiven und passiven Bestechung von Amtsträgern und fordert die Schaffung der notwendigen Strafbestimmungen. Die Vorgaben von Absatz 1 werden bereits von den §§ 331 bis 334 StGB erfüllt.
Artikel 8 Abs. 2 dieser Vorschrift fordert die Vertragsstaaten auf, in Erwägung zu ziehen, auch ausländische Amtsträger oder internationale Beamte den nationalen Strafbestimmungen im Bereich der Bestechung zu unterwerfen. Durch das Europäische Bestechungsgesetz vom 10. September 1998 (BGBl. 1998 II S. 2340) wurde bereits der Anwendungsbereich der aktiven und passiven Bestechung auf Amtsträger" der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft erstreckt. Durch das Internationale Bestechungsgesetz vom 10. September 1998 (BGBl. 1998 II S. 2327), mit dem die OECD-Konvention vom 17. Dezember 1997 über die Bekämpfung von Bestechung von ausländischen Beamten im internationalen Geschäftsverkehr umgesetzt wurde, wird sichergestellt, dass Amtsträger" ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen bei internationalen Geschäftstransaktionen wie nationale Amtsträger" behandelt werden, soweit es die Anwendung der Strafvorschriften über die aktive Bestechung anbelangt und sich die Handlung auf zukünftiges Verhalten des Amtsträgers" bezieht.
Durch § 299 StGB hat Deutschland der Forderung nach Artikel 8 Abs. 2 Satz 2, auch andere Formen der Korruption als Straftaten zu umschreiben, bereits Rechnung getragen. Daneben gibt es nach deutschem Recht noch weitere Delikte der Bestechung, wie die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB und Wählerbestechung nach § 108b StGB. Ferner finden sich Sonderregelungen außerhalb des Strafgesetzbuches, welche jedoch in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen.
Absatz 4 schließlich enthält eine Definition des Begriffs Amtsträger".
Zu Artikel 9 Maßnahmen gegen die Korruption
Artikel 9 fordert, ähnlich wie Artikel 7, konkrete Maßnahmen zur Verhinderung beziehungsweise Aufdeckung von Straftaten nach Artikel 8. Die geforderten Maßnahmen sind im deutschen Recht bereits verwirklicht.
Die Integrität von Amtsträgern und die Verhütung von Korruption wird in Deutschland durch § 54 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) und § 36 Satz 2 Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG), wonach ein Beamter sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten hat, bereits heute gewährleistet. Nach § 70 BBG und § 43 BRRG ist die Annahme von Belohnungen oder Geschenken, auch nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, ausdrücklich verboten. ein schuldhafter Verstoß kann disziplinarisch geahndet werden; er stellt ein Dienstvergehen gemäß § 77 BBG und § 45 BRRG dar. Die hierbei vorgesehenen Sanktionen reichen von einem Verweis bis zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Zur Aufdeckung und Bestrafung der Korruption von Amtsträgern stehen den Strafverfolgungsbehörden die allgemeinen Ermittlungsbefugnisse, wie sie in der Strafprozeßordnung geregelt sind, zur Verfügung.
Zu der in Absatz 2 geforderten Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörde ist festzuhalten, dass die Staatsanwaltschaft nach § 152 Abs. 2 StPO grundsätzlich verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben nach § 163 StPO Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen. Diese Ausprägung des Legalitätsprinzips (Pflicht zur Verfolgung von Straftaten) sowie die organisatorische Unabhängigkeit der Justizstrukturen von justizfremden Behördenzweigen garantieren den Strafverfolgungsbehörden eine ausreichende Unabhängigkeit, um unangemessene Einflussnahmen auf ihr Handeln zu verhindern.
Zu Artikel 10 Verantwortlichkeit juristischer Personen
Absatz 1 dieser Vorschrift enthält die Verpflichtung, die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen um sicherzustellen, dass auch juristische Personen für die Beteiligung an den schweren Straftaten, an denen eine organisierte kriminelle Gruppe mitwirkt, sowie für die Begehung der in Artikel 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten zur Verantwortung gezogen werden können. Absatz 2 stellt klar, dass diese Verantwortlichkeit juristischer Personen strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Art sein kann.
Nach § 30 auch in Verbindung mit § 130 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) können juristische Personen für die Begehung von jeder Art von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten bußgeldrechtlich verantwortlich gemacht werden. Artikel 10 bedarf folglich keiner weiteren Umsetzung in nationales Recht.
Auch die in Absatz 4 enthaltene Verpflichtung, nach der jeder Vertragsstaat sicherzustellen hat, dass juristische Personen, die nach diesem Artikel verantwortlich sind, angemessenen und abschreckenden Sanktionen unterworfen sind, ist bereits durch das bestehende deutsche Recht erfüllt. Nach § 30 OWiG kann eine Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro verhängt werden, wobei dieser Betrag nochmals überschritten werden kann und soll, bis die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil aus der Tat übersteigt (§ 30 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 17 Abs. 4 OWiG). Auch sind nach dem Strafgesetzbuch Maßnahmen der Einziehung und des Verfalls gegen juristische Personen möglich (§ 73 Abs. 3, § 75 StGB). Daneben sind auch die Möglichkeiten des Zivilrechts zu berücksichtigen, wie z.B. Schadensersatzansprüche oder Strafen nach dem Handels und Gesellschaftsrecht, welche auf juristische Personen angewandt werden können und bis zur Einziehung von Geschäftszulassungen oder zur Auflösung der Gesellschaft führen können.
Zu Artikel 11 Strafverfolgung, Aburteilung und Sanktionen
Artikel 11 fordert eine angemessene Strafandrohung im Hinblick auf die in den Artikeln 5, 6, 8 und 23 umschriebenen Straftaten (Absatz 1 ). Daneben werden die Vertragsstaaten aufgefordert sicherzustellen, dass eine etwaige bestehende Ermessensfreiheit bei der Strafverfolgung im Hinblick auf Straftaten des Übereinkommens so ausgeübt wird, dass die Maßnahmen der Strafrechtspflege größtmögliche Wirksamkeit erlangen (A b s a t z 2 ). Bei Entscheidungen über Haftentlassungen soll die Notwendigkeit berücksichtigt werden, die Anwesenheit des Beschuldigten im weiteren Strafverfahren sicherzustellen (Absatz 3 ). Auch die Gerichte oder die anderen zuständigen Behörden sollen bei der Prüfung einer vorzeitigen oder bedingten Haftentlassung die Schwere der Straftaten nach diesem Übereinkommen berücksichtigen (Absatz 4 ). Die Verjährungsfrist muss angemessen lang sein (Absatz 5 ). Zwar enthalten die diesbezüglichen deutschen Bestimmungen keine Sonderregelung für die von diesem Übereinkommen erfassten Straftaten; es ist jedoch durch die bestehenden Regeln im deutschem Recht gewährleistet, dass die Anforderungen bereits heute vollständig erfüllt sind. In Absatz 6 wird betont, dass die Definition der nach diesem Übereinkommen beschriebenen Straftaten und die Beschreibung der Gründe zum Ausschluss der Strafbarkeit oder der Rechtfertigung dem innerstaatlichen Recht eines Vertragsstaats vorbehalten sind und dass diese Straftaten nur nach dessen Recht verfolgt und bestraft werden. Dadurch wird die Erfüllung der Verpflichtungen zur Strafbarkeit den Grundsätzen der jeweiligen nationalen Rechtsordnungen unterworfen. Die Grundlagen der Strafbarkeitsverpflichtung werden im Übereinkommen niedergelegt, die Einzelheiten, insbesondere auch im Hinblick auf etwaige Strafaufhebungs, Schuldausschließungs und Rechtfertigungsgründe bleiben den nationalen Gesetzgebungen überlassen. ein Eingriff in das allgemeine Strafrecht ist nicht vorgesehen und wäre mit dem Sinn und Zweck des Übereinkommens nicht zu vereinbaren.
Zu Artikel 12 Einziehung und Beschlagnahme
Artikel 12 enthält die Verpflichtung zur Ermöglichung der Einziehung von Vermögensgegenständen, die aus den Straftaten nach diesem Übereinkommen stammen, und von solchen Vermögensgegenständen, Geräten oder anderen Tatwerkzeugen, die zur Begehung von Straftaten nach diesem Übereinkommen verwendet wurden oder bestimmt waren, in größtmöglichem Umfang. Bei der Auslegung dieser Vorschrift ist zu berücksichtigen, dass sich der Umfang weitgehend an den Grundsätzen der nationalen Rechtsordnungen orientiert und nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts das Eigentum eines ausländischen Staates, welches nicht für kommerzielle Zwecke benutzt wird, nur mit dessen Zustimmung beschlagnahmt werden darf. Die Anwendung der Vorschrift steht unter dem Vorbehalt des nationalen Rechts (Absatz 8).
Die Erfüllung dieser Verpflichtung wird in Deutschland bereits durch §§ 73 ff. StGB über Einziehung und Verfall die Begriffsdefinition in Artikel 2 Buchstabe g deckt insoweit beide deutsche Begriffe ab gewährleistet. Den Vorgaben der Absätze 3 bis 5 entsprechend eröffnen § 73 Abs. 2 und § 73a StGB auch die Anordnung des Verfalls von Nutzungen und Surrogaten sowie des Verfalls des Wertersatzes.
Mit den §§ 94 ff. StPO und den §§ 111b ff. StPO sind in der Bundesrepublik Deutschland auch ausreichende prozessuale Maßnahmen vorhanden, um die Erfüllung der in Artikel 12 enthaltenen Verpflichtungen sicherzustellen.
Artikel 12 Abs. 6 Satz 2, der das Bankgeheimnis betrifft, bedarf keiner Umsetzung in das nationale Recht. Nach den §§ 94 ff., 111 StPO kann das Bankgeheimnis im Ermittlungs und im Strafverfahren nicht geltend gemacht werden.
Nach Absatz 7 können die Vertragsstaaten eine Beweislastumkehr im Hinblick auf den Ursprung von Vermögensgegenständen einführen. Die nach deutschem Rechtsverständnis insofern weitestmögliche Regelung findet sich in § 73d StGB, wie er von der höchstrichterlichen Rechtsprechung einengend ausgelegt wird (vgl. BVerfGBeschluss vom 14. Januar 2004, 2 BvR 564/95).
Absatz 8 stellt klar, dass die Rechte gutgläubiger Dritter unberührt bleiben. Durch § 73 Abs. 1 Satz 2, § 73e Abs. 1 Satz 2 und § 74e Abs. 2 Satz 1 StGB werden diese Rechte in materieller Hinsicht geschützt. Nach den §§ 304, 431 ff., 439, 442 Abs. 1 StPO haben Personen, die durch Maßnahmen im Sinne von Artikel 12 in ihren Rechten berührt werden, die Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung zu veranlassen.
Zu Artikel 13 Internationale Zusammenarbeit zum Zweck der Einziehung
Artikel 13 regelt die internationale Zusammenarbeit zum Zwecke der Einziehung in einer Weise, wie sie von Deutschland und anderen Staaten seit langer Zeit praktiziert wird. Absatz 1 entspricht Artikel 13 Abs. 1 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990 mit dem Unterschied, dass die unter den Buchstaben a und b aufgeführten Vorgehensweisen in der Bezifferung umgekehrt sind. Die Vorschrift enthält eine Verpflichtung zur Einziehung auf Ersuchen einer anderen Vertragspartei. Dabei eröffnet sie den Vertragsparteien eine Wahlmöglichkeit. So kann ein selbständiges nationales Einziehungsverfahren durchgeführt werden oder aber es wird die gerichtliche Anordnung der Einziehung der ersuchenden Partei vollstreckt, soweit sie sich auf Gegenstände nach Artikel 12 Abs. 1 bezieht, die sich im Hoheitsgebiet des ersuchten Vertragsstaats befinden. Entsprechendes gilt für die Maßnahmen nach Artikel 12 Abs. 2 ( Absatz 2 ). Die Bundesrepublik Deutschland hat sich schon bei der Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen dafür entschieden, prinzipiell die ausländische Anordnung der Einziehung auf Ersuchen zu vollstrecken, vorausgesetzt, die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß den §§ 48 ff. IRG sind erfüllt. Absatz 3 enthält Einzelheiten zu den Angaben, die nach diesem Artikel gestellte Ersuchen zu enthalten haben. Absatz 4 wiederholt einen aus anderen Übereinkommen bekannten Grundsatz, wonach die Erledigung des ausländischen Ersuchens auf der Grundlage des nationalen Verfahrensrechts erfolgt. Wenn beispielsweise nach dem Recht der ersuchten Partei Verjährung eingetreten ist, kommt eine Vollstreckung der ausländischen Entscheidung nicht in Betracht. Absatz 7 betont, dass sich die Zusammenarbeit nach diesem Artikel nur auf Straftaten, die in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallen, bezieht. Artikel 13 bedarf keiner Umsetzung in deutsches Recht. Selbst im vertraglosen Bereich sieht das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen eine umfassende Zusammenarbeit in diesem Bereich vor. Auf § 67 Abs. 1 IRG sei hingewiesen. Nach dieser Vorschrift kann und das sogar vor Eingang eines entsprechenden Ersuchens eine Beschlagnahme oder Sicherstellung vorgenommen werden hinsichtlich Gegenständen, deren Herausgabe an einen ausländischen Staat in Betracht kommt.
Zu Artikel 14 Verfügung über eingezogene Erträge aus Straftaten oder Vermögensgegenstände
Absatz 1 enthält die Grundsatzentscheidung, dass der ersuchte Staat über die eingezogenen Vermögensgegenstände nach seinem innerstaatlichen Recht und Verwaltungsverfahren verfügt. eine Änderung der nationalen Bestimmungen im Hinblick auf den Verbleib der eingezogenen Erträge und Vermögensgegenstände ist aufgrund des Übereinkommens mithin nicht erforderlich.
Sofern dies nach dem innerstaatlichen Recht zulässig ist, sollen die ersuchten Vertragsstaaten gemäß Absatz 2 vorrangig erwägen, die eingezogenen Erträge und Vermögensgegenstände an den ersuchenden Vertragsstaat zurückzugeben, damit dieser die Erträge zur Entschädigung von Opfern verwenden oder aber die Erträge oder Vermögensgegenstände den rechtmäßigen Eigentümern zurückgeben kann. Die Möglichkeit der Herausgabe von Erträgen oder Gegenständen richtet sich nach § 66 IRG. Dabei ist die in § 66 Abs. 1 Nr. 2 IRG vorgesehene Möglichkeit der Herausgabe nicht beschränkt auf den vom ersuchenden Staat verfolgten Zweck der Einziehung oder des Verfalls, so dass hierunter auch die Herausgabe zur Aushändigung an den Geschädigten in Betracht kommt. Voraussetzung hierfür ist, dass die weiteren in § 66 Abs. 2 IRG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind. eine Änderung des deutschen Rechts ist nicht geboten.
Nach Artikel 14 Abs. 3 Buchstabe a soll in Erwägung gezogen werden, Übereinkünfte abzuschließen, die die Übertragung des Wertes solcher Erträge oder Vermögensgegenstände oder die aus dem Verkauf derselben stammenden Geldmittel ganz oder teilweise auf ein nach Artikel 30 Abs. 2 Buchstabe c eingerichtetes Konto und auf zwischenstaatliche Organe zum Kampf gegen die organisierte Kriminalität vorsehen.
In Absatz 3 wird die Möglichkeit angesprochen, Übereinkünfte über das Aufteilen von Erträgen oder Vermögensgegenständen, das sogenannte AssetSharing, zu schließen. Ob und in welchem Umfang international hiervon künftig Gebrauch gemacht wird, lässt sich derzeit nicht vorhersehen. Die Bundesregierung hat bislang die Auffassung vertreten, dass das AssetSharing einen Fremdkörper in der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen darstellt. Angesichts der Überzeugung der Staatengemeinschaft, dass es ein Anliegen und eine Aufgabe aller Staaten sei, bei der Bekämpfung der Kriminalität zusammenzuarbeiten, war es bisher international üblich, keine Erstattung von Rechtshilfekosten zu fordern und die eingezogenen Gegenstände im ersuchten Staat zu lassen. Schafft man in gewissen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung finanzielle Anreize, kann dies dazu führen, dass Rechtshilfeersuchen unterschiedlich bearbeitet werden. Finanzielle Interessen könnten dann beispielsweise Einfluss haben auf die Schnelligkeit oder Gründlichkeit der Bearbeitung eingehender Ersuchen. lm Rahmen der EU wird das Thema AssetSharing allerdings in letzter Zeit im Rahmen der Erarbeitung eines Rahmenbeschlusses über die Vollstreckung von Einziehungsentscheidungen mit unterschiedlichen Ansätzen erörtert.
Zu Artikel 15 Gerichtsbarkeit
Artikel 15 ist in engem Zusammenhang mit Artikel 16, der die Auslieferung regelt, zu sehen. Zusammen sollen beide Vorschriften sicherstellen, dass Täter, die Straftaten nach den Artikeln 5, 6, 8 und 23 des Übereinkommens begangen haben, entweder der Gerichtsbarkeit ihres Aufenthaltsstaats unterliegen und dort strafrechtlich verfolgt oder aber von diesem Staat an den Tatortstaat ausgeliefert werden (Prinzip aut dedere aut iudicare"). Gerichtsbarkeit muss nach Absatz 1 begründet werden, wenn die Straftat in dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Vertragsstaats, an Bord eines seiner Schiffe oder seiner Luftfahrzeuge begangen wurde. Darüber hinaus enthält Absatz 3 eine zwingende Gerichtsbarkeit für Fälle, in denen die Tat von einem Täter begangen wurde, der sich in dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Vertragsstaats aufhält und an einen anderen Vertragsstaat nicht ausgeliefert wird, weil er eigener Staatsangehöriger ist. Darüber hinaus werden nach dem Vorbild des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen Fälle in Absatz 2 aufgeführt, in denen jeder Staat seine Gerichtsbarkeit begründen kann. In Absatz 6 wird hervorgehoben, dass unbeschadet der Regeln des allgemeinen Völkerrechts dieses Übereinkommen die Ausübung einer Strafgerichtsbarkeit, die von einem Vertragsstaat nach innerstaatlichem Recht begründet ist, nicht ausschließt. Die deutschen Regelungen über die Gerichtsbarkeit gemäß den §§ 3 bis 7 StGB erfüllen die Verpflichtungen des Übereinkommens nach Artikel 15. Es bedarf keiner neuen Rechtsvorschriften. Nach Absatz 5 soll eine Konsultation stattfinden, wenn ein Vertragsstaat, der nach Absatz 1 oder 2 seine Gerichtsbarkeit ausübt, erfährt, dass ein oder mehrere andere Vertragsstaaten in Bezug auf dieselbe Tat Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder ein Gerichtsverfahren durchführen. Hierdurch sollen zu treffende Maßnahmen abgestimmt werden.
Zu Artikel 16 Auslieferung
Diese Vorschrift ist nach der Bestimmung über die Rechtshilfe in Artikel 18 die umfangreichste des Übereinkommens. Sie enthält zahlreiche Vorgaben für das nationale Auslieferungsrecht im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, stellt jedoch keine Ermächtigungsgrundlage zur Auslieferung im Einzelfall dar. Artikel 16 berücksichtigt, dass die Regelungen zum Europäischen Haftbefehl, bi und multilaterale Auslieferungsverträge, welche auch für die Bundesrepublik Deutschland Bedeutung haben, und die Regeln über den vertraglosen Auslieferungsverkehr nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen weiterhin die Auslieferung umfassend regeln. Sie werden durch Artikel 16 nicht inhaltlich verändert. Da diese nationalen Regeln die Vorgaben von Artikel 16 umfassend erfüllen, ist auch eine Anpassung nicht erforderlich.
Absatz 2 betrifft die akzessorische Auslieferung; Absatz 3 will gewährleisten, dass Kataloge von auslieferungsfähigen Taten als ergänzt anzusehen sind,
soweit Straftaten nach diesem Übereinkommen vorliegen. In zukünftig abzuschließenden Auslieferungsverträgen sind und hierzu verpflichten die Vertragsstaaten sich die Straftaten des Übereinkommens als auslieferungsfähig einzubeziehen.
Absätze 4 und 5 beziehen sich auf Staaten, die im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland nach ihrem innerstaatlichen Recht auf vertragloser Grundlage nicht ausliefern dürfen. Diesen wird es durch das Übereinkommen ermöglicht, eine ausreichende Grundlage für die Auslieferung wegen der in Absatz 1 genannten Straftaten zu haben.
Die Absätze 6 bis 9 und 1 6 enthalten weitere Regelungen zu Einzelfragen des Auslieferungsrechts. Sie sind im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bereits berücksichtigt.
In Absatz 1 0 ist das Prinzip aut dedere aut iudicare" enthalten. eine Pflicht zur Unterbreitung des Falls an seine zuständigen Behörden zum Zwecke der Strafverfolgung besteht jedoch nur bei einem dahin gehenden Verlangen des um Auslieferung ersuchenden Vertragsstaats. Die dort enthaltene Formulierung ähnelt der in Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957. Absatz 10 Satz 2 stellt klar, dass die Behörden des ersuchten Staates im Falle des Unterbreitens in der gleichen Art und Weise verfahren sollen wie in jedem Falle einer anderen schweren Straftat nach ihrem innerstaatlichen Recht. Die Verpflichtung nach Absatz 10 gilt nach Absatz 1 1 als erfüllt, wenn Staaten eigene Staatsangehörige zur Strafverfolgung unter der Bedingung ausliefern, dass eine später im ersuchenden Staat wegen der Straftat, wegen der die Auslieferung erfolgt ist, verhängte Strafe im ersuchten Staat vollstreckt wird.
Absatz 1 2 entspricht Artikel 6 Abs. 10 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen. Er regt an, dass Staaten, die eine Auslieferung zur Vollstreckung einer Strafe mit der Begründung der Nichtauslieferung eigener Staatsangehöriger ablehnen, in Erwägung ziehen, über das Instrument der Vollstreckungshilfe eine Vollstreckung dieser Strafe im eigenen Lande vorzunehmen.
Die Absätze 1 3 und 1 4 enthalten Schutzvorschriften zu Gunsten des Verfolgten im Auslieferungsverfahren. Sie sind im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bereits berücksichtigt.
Absatz 1 5 sieht vor, dass ein Auslieferungsersuchen nicht alleine deswegen abgelehnt werden kann, weil die Straftat als eine Tat angesehen wird, die auch fiskalische Angelegenheiten berührt.
In Absatz 1 7 verpflichten sich die Vertragsstaaten, die Wirksamkeit des Übereinkommens durch den Abschluss bi und multilateraler Auslieferungsverträge zu erhöhen.
Zu Artikel 17 Überstellung von Verurteilten
In dieser Vorschrift werden die Vertragsstaaten dazu aufgerufen, in Erwägung zu ziehen, bi oder multilaterale Übereinkünfte über die Vollstreckungshilfe und Überstellung abzuschließen, um eine wegen einer Straftat nach diesem Übereinkommen verurteilte Person zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe zu überstellen. Für Deutsch land gilt bereits das im Rahmen des Europarats geschlossene Übereinkommen vom 21. März 1983 über die Überstellung verurteilter Personen.
Zu Artikel 18 Rechtshilfe
Dieser Artikel weist 30 Absätze auf. Es handelt sich hierbei, ähnlich wie Artikel 16 zur Auslieferung, fast um ein eigenes Übereinkommen zur Rechtshilfe im Rahmen dieses VN-Übereinkommens. Der Artikel enthält zahlreiche Vorgaben für das nationale Rechtshilferecht im Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität, stellt jedoch keine Ermächtigungsgrundlage zur Rechtshilfe im Einzelfall dar. Artikel 18 berücksichtigt, dass die Rahmenbeschlüsse im Bereich der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Rechtshilfe, bi und multilaterale Rechtshilfeverträge, welche auch für die Bundesrepublik Deutschland Bedeutung haben, und die Regeln über den vertraglosen Rechtshilfeverkehr nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen weiterhin die Rechtshilfe umfassend regeln. Sie werden durch Artikel 18 nicht inhaltlich verändert. Da diese nationalen Regeln die Vorgaben von Artikel 18 umfassend erfüllen, ist auch eine Anpassung nicht erforderlich.
Absatz 1 stellt klar, dass nach diesem Übereinkommen so weit wie möglich Rechtshilfe zu leisten ist. Das Kriterium der grenzüberschreitenden Natur muss nicht eindeutig feststellbar sein; ausreichend ist, wenn ein hinreichender Grund zu dem Verdacht des Vorliegens dieser Eigenschaft vorliegt.
Nach Absatz 2 ist auch bei Verfahren gegen juristische Personen, die gemäß Artikel 10 im ersuchenden Vertragsstaat zur Verantwortung gezogen werden können, Rechtshilfe in größtmöglichem Umfang, den das Recht des ersuchten Vertragsstaats zulässt, zu leisten. Dies kann im Einzelfall zu Schwierigkeiten nach deutschem Recht führen. Soweit eine beiderseitige Strafbarkeit nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen zur Leistung von Rechtshilfe erforderlich ist, kann ihr Fehlen im Einzelfall der Rechtshilfe entgegenstehen. In den meisten Fällen der Sonstigen Rechtshilfe ist das Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit jedoch nicht zwingend (§ 59 IRG), sondern ausreichend, dass ein Straf oder Bußgeldverfahren vorliegt.
Absatz 3 Buchstabe a bis h bestimmt den Mindestumfang der zu leistenden Rechtshilfe. Buchstabe i stellt fest, dass darüber hinausgehend Hilfe jeder anderen Art nicht ausgeschlossen ist, sofern sie nicht im Widerspruch zum innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates steht.
Die Absätze 4 und 5 betreffen Spontanmitteilungen, soweit diese nach nationalem Recht zulässig sind.
Absatz 6 stellt klar, dass Artikel 18 andere vertragliche Verpflichtungen im Bereich der Rechtshilfe unberührt lässt.
Absatz 7 stellt klar, dass die Absätze 9 bis 2 9 nur gelten, sofern die betroffenen Vertragsstaaten nicht durch einen Vertrag über Rechtshilfe anderweitig gebunden sind oder, wenn dies der Fall ist, sie statt dessen die Anwendung dieser Absätze vereinbaren. Für den Bereich der vertraglosen Rechtshilfe entspricht die nationale deutsche Rechtslage bereits inhaltlich den Regelungen der Absätze 9 bis 2 9 .
Absatz 8 schließt den Einwand des Bankgeheimnisses" als Grund, der zur Verweigerung der Rechtshilfe berechtigen würde, aus. Nach deutschem Recht steht das Bankgeheimnis Maßnahmen im Bereich der internationalen Rechtshilfe nicht entgegen.
In Absatz 9 wird den Vertragsstaaten die Möglichkeit eingeräumt, Rechtshilfe nach diesem Artikel bei fehlender beiderseitiger Strafbarkeit zu verweigern. Gleichzeitig wird festgehalten, dass der ersuchte Vertragsstaat auch in Ermangelung des Vorliegens dieser Voraussetzung Rechtshilfe leisten kann, soweit er dies nach eigenem Ermessen für zweckmäßig hält. Mit Ausnahme der in § 66 IRG geregelten Maßnahmen bedarf es im Falle der Sonstigen Rechtshilfe nach deutschem Recht des Vorliegens der beiderseitigen Strafbarkeit nicht.
Die Absätze 1 0 bis 1 2 entsprechen sinngemäß Artikel 13 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge. Die vorübergehende Überstellung einer Person, die sich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats in Haft befindet, in einen anderen Vertragsstaat zum Zwecke einer Identifizierung, der Vernehmung oder einer sonstigen Hilfeleistung zur Beschaffung von Beweisen für Ermittlungen, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Gerichtsverfahren gemäß den Straftaten dieses Übereinkommens kann erfolgen, wenn die Person nach vorheriger Aufklärung einwilligt und die zuständigen Behörden beider Staaten ihre Zustimmung erteilen, wobei diese auch an Bedingungen geknüpft werden kann. Der Staat, dem die Person überstellt wird, hat die Pflicht, die betreffende Person in Haft zu halten, sofern der andere Staat nichts anderes verlangt oder genehmigt. Auch darf der Staat, dem die Person überstellt wird, den anderen Staat nicht um eine Auslieferung zwecks Rücküberstellung in Bezug auf diese Person ersuchen. Die Haftzeit, welche in dem Staat verbracht wurde, wird von dem Staat, in dem die Person die Strafe zu verbüßen hat, angerechnet. In Absatz 1 2 ist geregelt, dass die Person von dem Vertragsstaat, in den sie überstellt wurde, grundsätzlich nicht wegen Handlungen oder Verurteilungen, die vor ihrer Überstellung liegen, strafrechtlich verfolgt, in Haft gehalten oder einer anderen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden darf. Sie genießt damit grundsätzlich freies Geleit, es sei denn, dass der überstellende Vertragsstaat zustimmt. Die Regelung entspricht der deutschen Rechtslage (§ 62 IRG).
Nach Absatz 1 3 muss jeder Vertragsstaat eine zentrale Behörde zur Entgegennahme von Rechtshilfeersuchen benennen. Da im Bereich der vertraglosen Rechtshilfe regelmäßig der diplomatische Geschäftsweg eingehalten werden soll, nach § 74 Abs. 1 IRG im Regelfall das Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Bewilligung von Rechtshilfeersuchen entscheidet und eine zentrale deutsche Justizbehörde im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland nicht vorhanden ist, kann nur das Bundesministerium der Justiz als zentrale Behörde für den Bereich der vertraglosen Rechtshilfe benannt werden. Soweit im Einzelfall durch bi oder multilaterale völkerrechtliche Übereinkünfte abweichende Geschäftswegregelungen vorhanden sind, bedarf es, wie aus Absatz 7 folgt, keiner Benennung einer zentralen Behörde.
Absatz 1 4 bestimmt die Anforderungen an Form und Sprache eines Rechtshilfeersuchens. ein in Deutschland eingehendes Rechtshilfeersuchen muss in deutscher Sprache abgefasst oder ihm muss eine deutsche Übersetzung beigefügt sein.
Die Absätze 1 4 bis 2 9 enthalten weitere, international allgemein übliche Regelungen für den Bereich der Rechtshilfe. Sie entsprechen im deutschen Recht den Möglichkeiten nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Hervorzuheben sind
- die Möglichkeit der Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen mittels Videokonferenz, soweit eine solche Vernehmung mit den wesentlichen Grundsätzen des nationalen Rechts vereinbar ist ( Absatz 1 8 ).
- die Zweckbindung der übermittelten Beweismittel für das Verfahren, für das sie erbeten wurden (A b s a t z 1 9 );
- die Gründe für die Verweigerung oder den Aufschub der Rechtshilfe (Absätze 2 1 , 2 2 und 2 5 ). Unter den Begriff der wesentlichen Interessen" in Absatz 21 Buchstabe b fallen auch Fälle, in denen der ersuchte Staat annimmt, eine Person werde nur wegen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität oder ihrer politischen Anschauung verfolgt oder es handele sich bei der Tat um eine politische Tat. Aus Absatz 21 Buchstabe d folgt, dass die Rechtshilfe verweigert werden kann, wenn sie dem Rechtshilferecht des ersuchten Staates zuwiderliefe. Dies bedeutet, dass auch die Regeln über die vertragslose Rechtshilfe im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen den Regelungen der Absätze 8 bis 29 vorgehen;
- die Notwendigkeit, freies Geleit" zu gewähren (Absatz 2 7 ).
Die Bundesrepublik Deutschland, die weltweit zahlreiche Rechtshilfeübereinkommen ratifiziert hat, ist bestrebt, entsprechend Absatz 3 0 weitere bi und multilaterale Vereinbarungen über die Rechtshilfe, nicht nur im Anwendungsbereich dieses Übereinkommens abzuschließen.
Zu Artikel 19 Gemeinsame Ermittlungen
Diese Vorschrift entspringt dem zunehmenden Bewusstsein, dass die grenzüberschreitende Kriminalität in einem immer weiter zusammenwachsenden Umfeld nur gemeinsam, unter Bündelung des vorhandenen Wissens der Strafverfolgungsbehörden wirksam bekämpft werden kann. Die Möglichkeit, zukünftig gemeinsame Ermittlungsgruppen zu bilden, kann maßgeblich zu einer Verbesserung der operativen Handlungsspielräume der Strafverfolgungsbehörden beitragen. Rechtliche Grundlage der Einsetzung der Ermittlungsgruppen sollen dabei bi oder multilaterale Übereinkünfte (z.B. Artikel 13 EuRHÜ) oder aber Vereinbarungen von Fall zu Fall sein. Die Souveränität des Vertragsstaats, auf dessen Hoheitsgebiet die Ermittlungen stattfinden, darf dabei nicht angetastet werden. Nach deutschem Recht sind gemeinsame Ermittlungen bereits heute möglich; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 20 Besondere Ermittlungsmethoden
In Absatz 1 wird zunächst festgehalten, dass jeder Vertragsstaat im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter den Bedingungen seines nationalen Rechts die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, um eine angemessene Anwendung der kontrollierten Lieferung und dies wird in das Ermessen des Vertragsstaats gestellt anderer besonderer Ermittlungsmethoden zu gewährleisten. Bei der kontrollierten Lieferung handelt es sich um eine bewährte Maßnahme der Zusammenarbeit mehrerer Staaten bei der Ermittlung insbesondere im Bereich des illegalen Betäubungsmittelhandels. eine Begriffsbestimmung im Einzelnen enthält Artikel 2 Buchstabe i. Der Begriff ist in Übereinstimmung mit den internationalen Standards in der Kriminalitätsbekämpfung und dem innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten auszulegen. Zu den anderen besonderen Ermittlungsmethoden werden als Beispiele die elektronische oder andere Formen der Überwachung und verdeckte Ermittlungen aufgezählt.
Gemäß Absatz 2 der Vorschrift wird angeregt, sofern dies erforderlich ist, geeignete zwei oder mehrseitige Übereinkünfte für die Anwendung dieser besonderen Ermittlungsmethoden abzuschließen. Daneben soll auch die Möglichkeit gegeben sein, von Fall zu Fall die Anwendung dieser besonderen Ermittlungsmethoden zu vereinbaren. Nach deutschem Recht sind die in diesem Artikel angesprochenen Maßnahmen bereits heute möglich; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 21 Übertragung von Strafverfahren
Nach dieser Bestimmung sollen die Vertragsstaaten die Übertragung von Strafverfahren auf andere Vertragsstaaten prüfen, sofern dies dem Interesse einer geordneten Rechtspflege entspricht. Damit sollen insbesondere die Fälle erfasst werden, in denen mehrere Gerichtsbarkeiten betroffen sind und in denen eine Bündelung von Strafverfahren sinnvoll erscheint. Nach deutschem Recht ist die Übertragung von Strafverfahren bereits heute möglich; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 22 Feststellung von Vorstrafen
Hiernach können die Vertragsstaaten die gesetzgeberischen und andere Maßnahmen treffen, die es ihnen ermöglichen, frühere rechtskräftige Verurteilungen einer verdächtigen Person in einem anderen Staat in einem eigenen Strafverfahren gegen diese Person im Zusammenhang mit einer Straftat nach diesem Übereinkommen zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung früherer rechtskräftiger Verurteilungen ist nach deutschem Recht möglich.
Zu Artikel 23 Kriminalisierung der Behinderung der Justiz
Nach Artikel 23 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Behinderung der Justiz" unter Strafe zu stellen. einerseits sollen Zeugen, Sachverständige oder Beschuldigte von unzulässiger Beeinflussung, andererseits Justiz- oder Polizeibeamte bei der Ausübung ihrer Dienstpflichten geschützt werden. Der Begriff des Justizbeamten erfasst nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift den Richter.
Das in Artikel 23 des Übereinkommens dargestellte Verhalten ist im deutschen Recht mit Strafe bewehrt. Ausdrücklich hervorgehoben seien in diesem Zusammenhang die §§ 159,160, 223 ff., 240, 241, 258, 334 und 343 StGB (versuchte Anstiftung zur Falschaussage, Verleitung zur Falschaussage, Körperverletzung, Nötigung, Bedrohung, Strafvereitelung, Bestechung und Aussageerpressung).
Zu Artikel 24 Zeugenschutz
Nach Absatz 1 sind geeignete Maßnahmen zu treffen, Zeugen in Strafverfahren über Straftaten dieses Übereinkommens zu schützen. In Absatz 2 werden ausdrücklich Maßnahmen zum physischen Schutz der Zeugen und Maßnahmen verfahrensrechtlicher Art genannt. Nach deutschem Recht ist der geforderte Zeugenschutz umfassend bereits heute gewährleistet; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 25 Hilfe und Schutz für Opfer
Nach Absatz 1 hat jeder Vertragsstaat nach seinem Recht den Opfern von Straftaten im Sinne dieses Übereinkommens Hilfe und Schutz zu gewähren. Absatz 2 verpflichtet die Vertragsstaaten, geeignete Verfahren zur Opferentschädigung und Rückerstattung zu schaffen. Nach Absatz 3 soll ein Opfer nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts in einem Strafverfahren beteiligt und ihm insbesondere auch rechtliches Gehör gewährt werden, wobei die Rechte der Verteidigung aber nicht beeinträchtigt werden dürfen. Nach deutschem Recht ist der geforderte Opferschutz umfassend bereits heute gewährleistet; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 26 Maßnahmen zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden
Nach Artikel 26 sollen Straftäter aus dem Bereich der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität ermutigt werden, vertrauensvoll mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Die Vertragsstaaten werden aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen. Beteiligte an organisierten kriminellen Gruppen sollen zu einer Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden bewegt werden, um die Gruppe zu identifizieren oder ihre finanziellen Erträge aus Straftaten einziehen zu können. Dabei soll auch die Möglichkeit einer Strafmilderung oder Verzicht auf eine Strafverfolgung in Erwägung gezogen werden. Gemäß Absatz 5 soll eine solche Erwägung auch für den Fall des Aufenthalts der in dieser Vorschrift erfassten Person in einem anderen Vertragsstaat angestellt werden. Nach deutschem Recht sind die angesprochenen Maßnahmen umfassend bereits heute gewährleistet; ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
Zu Artikel 27 Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung
Absatz 1 betont noch einmal, dass die Vertragsstaaten im Einklang mit ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechts und Verwaltungsordnung eng zusammenarbeiten, um die Effektivität der Strafrechtspflege zur Bekämpfung der Straftaten nach diesem Übereinkommen zu stärken. Die Einschränkung im Einklang mit ..." gibt ihnen dabei eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf Art und Ausmaß der Zusammenarbeit. Die Zusammenarbeit kann in den Fällen verweigert werden, in denen eine solche in Widerspruch zu den nationalen Gesetzen oder der nationalen Verwaltungspraxis steht.
Es werden Maßnahmen aufgelistet, die für die Strafverfolgung zur Bekämpfung der Straftaten nach diesem Übereinkommen als wirksam angesehen werden und die von den Vertragsstaaten zu treffen sind. Hierbei handelt es sich zum einen um die Verwirklichung eines effektiven Nachrichtenaustauschs zwischen seinen eigenen zuständigen Behörden und nach Ermessen auch mit ausländischen Stellen, aber auch um Maßnahmen zur Verwirklichung der Zusammenarbeit mit anderen Vertragsstaaten bei der Ermittlung zu einzelnen Fragen in Bezug auf Straftaten nach diesem Übereinkommen. Als Rechtsgrundlage der angesprochenen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit kommen für die Bundesrepublik Deutschland vor allem die jeweils anwendbaren Bestimmungen zur internationalen Rechtshilfe in Strafsachen in Betracht. ein Umsetzungsbedarf besteht nicht.
In Absatz 2 werden die Vertragsstaaten ermutigt, zwei oder mehrseitige Übereinkünfte über eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen ihren Strafverfolgungsbehörden zu vereinbaren bzw. bestehende Übereinkünfte anzupassen. Der angesprochene unmittelbare Geschäftsweg ist bereits heute in verschiedenen für die Bundesrepublik Deutschland gültigen bi und multilateralen Verträgen, wie zum Beispiel dem Schengener Durchführungsübereinkommen, enthalten. Der in Absatz 3 geforderte einsatz moderner Technologien bei der Kriminalitätsbekämpfung ist in Deutschland verwirklicht.
Zu Artikel 28 Sammlung, Austausch und Analyse von Informationen über das Wesen der organisierten Kriminalität
Diese Vorschrift stellt in das Ermessen der Vertragsstaaten, inwieweit sie den Bereich der organisierten Kriminalität in ihrem Hoheitsgebiet mit der wissenschaftlichen und akademischen Fachwelt analysieren, ihre dahingehenden Erkenntnisse international austauschen und ihre politischen Konzepte und konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung überwachen und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Der Bereich der organisierten Kriminalität wird in Deutschland auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Gremien auch wissenschaftlich analysiert. Zu erwähnen ist hier beispielsweise die Arbeit des Max-Planck-Instituts, aber auch die jährlichen Berichte zur organisierten Kriminalität unter Federführung des Bundesministeriums des Innern. ein Informationsaustausch hierüber mit anderen Staaten findet in den unterschiedlichsten internationalen Gremien, wie zum Beispiel im Rahmen des Europarats, aber auch bilateral regelmäßig statt. Zu den in Absatz 2 genannten Organisationen zählen auch Interpol, Europol und Eurojust.
Zu Artikel 29 Ausbildung und technische Hilfe
Soweit dies erforderlich ist, werden die Vertragsstaaten aufgerufen, besondere Ausbildungsprogramme für das Personal ihrer Strafverfolgungsbehörden und für sonstiges Personal, das zur Bekämpfung und Verhütung der von diesem Übereinkommen erfassten Straftaten eingesetzt wird, zu verbessern oder aufzubauen. Hierbei soll auch eine Zusammenarbeit der Vertragsstaaten untereinander mit dem Ziel des Austauschs von Fachkenntnissen stattfinden. Ausbildung und technische Hilfe sollen durch die Vertragsstaaten gefördert werden, damit Auslieferung und Rechtshilfe erleichtert werden.
Zu Artikel 30 Sonstige Maßnahmen: Anwendung des Übereinkommens durch wirtschaftliche Entwicklung und technische Hilfe
Diese Vorschrift befasst sich in erster Linie mit dem Verhältnis der entwickelten Länder zu den Entwicklungsländern. Dabei ist vorgesehen, dass sich die Vertragsstaaten in Abstimmung untereinander sowie in Abstimmung mit internationalen und regionalen Organisationen bemühen", die Entwicklungsländer bei ihrer Fähigkeit zu unterstützen, die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität zu verhüten und zu bekämpfen. Dies soll durch finanzielle und materielle, aber auch durch technische Hilfe erfolgen. Ausdrücklich eingeschlossen als potenzielle Empfänger der letztgenannten Art von Hilfe werden in Artikel 30 Abs. 2 Buchstabe c auch die Länder im wirtschaftlichen Übergang, also die Länder, die den Wechsel von der Plan zur Marktwirtschaft vollziehen. Es ist vorgesehen, hierzu ein Konto der Vereinten Nationen einzurichten, auf das die Vertragsstaaten einzahlen und das dazu dient, die Gelder für die zuvor erwähnte Hilfe bereitzustellen. Absatz 3 bestimmt, dass die in dieser Vorschrift vorgesehenen Maßnahmen möglichst ohne Einfluss auf bereits bestehende Zusagen auf dem Gebiet der Auslands und Entwicklungshilfe erfolgen sollen. Artikel 30 enthält jedoch letztlich keine verbindliche rechtliche Regelung, konkrete in der Höhe bezifferbare Leistungen zu erbringen. Mögliche künftige Leistungen sind im Haushaltsverfahren zu behandeln.
Zu Artikel 31 Verhütung
Artikel 31 fordert auf, zur Verhütung der organisierten Kriminalität Projekte zu entwickeln und die besten Praktiken und politischen Konzepte auszuarbeiten und zu fördern. Sie sollen sich bemühen zu verhindern, dass organisierte kriminelle Gruppen mit ihren unrechtmäßig erworbenen Erträgen an rechtmäßigen Märkten teilnehmen. Hierzu sind geeignete Gesetzgebungs, Verwaltungs oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, welche unter anderem die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den in Betracht kommenden privaten Rechtsträgern fördern. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Integrität betroffener öffentlicher und privater Rechtsträger zu schützen. Öffentliche Ausschreibungsverfahren, Subventionen und Lizenzen sollen vor einem Missbrauch durch organisierte kriminelle Gruppen geschützt werden. Entsprechendes gilt für einen Missbrauch juristischer Personen durch organisierte kriminelle Gruppen. In Deutschland gibt es bereits verschiedene gesetzgeberische und andere Maßnahmen, die der in dieser Vorschrift geforderten Verhütung den Weg bereiten. Beispielhaft seien die Tätigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen im Bereich der Banken, Wertpapier und Versicherungsaufsicht, die Identifizierungspflichten der Banken und Finanzinstitutionen aber auch anderer Berufszweige, die nicht zum Finanzsektor gehören, nach dem Geldwäschegesetz und die Tätigkeiten der beim Bundeskriminalamt angesiedelten Financial Intelligence Unit erwähnt. lm Hinblick auf die Korruption von Amtsträgern wird auf die bereits oben zu Artikel 9 genannten Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes und des Beamtenrechtsrahmengesetzes hingewiesen. Die Verhütung des Missbrauchs juristischer Personen durch organisierte kriminelle Gruppen wird in Deutschland nicht nur durch verschiedene Kontrollmechanismen hinsichtlich des letztlich wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften sichergestellt, sondern auch durch weitere Registrierungen von Gesellschaften, beispielsweise im Handelsregister, oder der Verpflichtung zur Offenlegung der Identität der Anteilseigner bei der Erreichung eines gewissen Schwellenwertes von Anteilen nach dem Wertpapiergesetz. Die Bundesregierung beabsichtigt, das Bundeskriminalamt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gemäß Absatz 6 dieser Vorschrift als Behörde zu bezeichnen, die anderen Vertragsstaaten bei der Ausarbeitung von Maßnahmen zur Verhütung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität behilflich sein kann.
Zu Artikel 32 Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens
In Artikel 32 Abs. 1 wird eine Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens eingerichtet. Ziel dieser Konferenz ist es, es den Vertragsstaaten zu ermöglichen, grenzüberschreitende internationale Kriminalität besser zu bekämpfen und die Anwendung dieses Übereinkommens zu evaluieren. ein erstes Zusammentreffen dieser Konferenz ist für das Jahr 2004 ins Auge gefasst worden. Zur Erreichung ihrer Ziele soll die Konferenz Mechanismen beschließen, welche teilweise in Absatz 3 vorgegeben sind.
Die Konferenz verschafft sich das erforderliche Wissen über die Anwendung des Übereinkommens in den einzelnen Vertragsstaaten und die dabei aufgetretenen Schwierigkeiten. Sie stützt sich hierbei einerseits auf die Informationen aus den Vertragsstaaten selbst, kann jedoch andererseits auch zusätzliche, nicht näher bestimmte Überprüfungsmechanismen anwenden.
Zu Artikel 33 Sekretariat
Das Sekretariat der Konferenz der Vertragsparteien wird durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen ausgestattet. In Absatz 2 werden die Aufgaben des Sekretariats der Konferenz der Vertragsparteien näher beschrieben.
Zu Artikel 34 Anwendung des Übereinkommens
Absatz 1 betont, dass jeder Vertragsstaat im Einklang mit den wesentlichen Grundsätzen seines innerstaatlichen Rechts die erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen zu leisten hat. In Absatz 2 ist hervorgehoben, dass die in den Artikeln 5, 6, 8 und 23 bezeichneten Straftaten in dem nationalen Recht eines jeden Vertragsstaats vorzusehen sind, unabhängig von der grenzüberschreitenden Natur oder der Mitwirkung der organisierten kriminellen Gruppe nach Artikel 3 Abs. 1. Gemäß Absatz 3 kann jede Vertragspartei auch strengere oder schärfere Maßnahmen treffen als in diesem Übereinkommen vorgesehen sind.
Zu Artikel 35 Beilegung von Streitigkeiten
Die Vertragsstaaten sollen gemäß Absatz 1 dieser Vorschrift Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens auf dem Verhandlungswege lösen. Absatz 2 entspricht Artikel 20 Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge. In dieser Vorschrift ist ein Schiedsverfahren vorgesehen für den Fall, dass zwei oder mehr Vertragsstaaten ihren Streit über die Auslegung oder Anwendung dieses Übereinkommens nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlung beilegen können. Für den Fall, dass sich die Parteien nicht binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung einigen können, kann jede der Parteien die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof vorlegen.
Zu Artikel 36 bis 41 Allgemeine Schlussbestimmungen
Hierin enthalten sind allgemeine Schlussbestimmungen zu dem Übereinkommen von überwiegend formeller Natur, wie zum Beispiel zur Dauer der Auslegung zur Unterzeichnung, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens, zu einer Änderung des Übereinkommens, zur Kündigungsmöglichkeit sowie zu den verbindlichen Sprachfassungen.
In Artikel 37, welcher die Überschrift Verhältnis zu Protokollen" trägt, wird festgeschrieben, dass das Übereinkommen durch ein oder mehrere Protokolle ergänzt werden kann. Um Vertragspartei eines Protokolls zu werden, muss man Vertragspartei des Übereinkommens sein. eine Auslegung der Protokolle zu diesem Übereinkommen hat unter Berücksichtigung des Mutterübereinkommens zu erfolgen. Derzeit gibt es drei Zusatzprotokolle zu dem Übereinkommen.
Denkschrift zum Zusatzprotokoll
zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen und Kinderhandels
A. Allgemeines
I. Entstehungsgeschichte
Schon die Vorläuferorganisationen der Vereinten Nationen haben seit 1904 Menschenhandel in mehreren völkerrechtlichen Dokumenten als Verbrechen bezeichnet, das nur in internationaler Zusammenarbeit bekämpft werden kann. Dem Internationalen Abkommen vom 18. Mai 1904 über Verwaltungsmaßregeln zur Gewährung wirksamen Schutzes gegen den Mädchenhandel (RGBl. 1905 S. 695, 705, 708), das durch ein Änderungsprotokoll der Vereinten Nationen vom 4. Mai 1949 (BGBl. 1972 II S. 1074) ergänzt wurde, folgten das Internationale Übereinkommen zur Bekämpfung des Mädchenhandels vom 4. Mai 1910 (RGBl. 1928 II S. 314), für das das oben genannte Änderungsprotokoll ebenfalls gilt, die Internationale Übereinkunft vom 30. September 1921 zur Unterdrückung des Frauen und Kinderhandels (RGBl. 1924 II S. 180, 202) mit einem Zusatzprotokoll der Vereinten Nationen vom 12. November 1947 (BGBl. 1972 II S. 1074, 1081) und das Übereinkommen vom 11. Oktober 1933 zur Unterdrückung des Handels mit volljährigen Frauen (BGBl. 1972 II S. 1478), auf das sich das Protokoll von 1947 ebenfalls bezieht. Bereits 1937 unternahm der Völkerbund den Versuch, ein weiteres Übereinkommen auszuhandeln, mit dem alle vorhergehenden Instrumente in einem Übereinkommen gebündelt werden sollten. Dieses Vorhaben konnte jedoch bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und die Auflösung des Völkerbundes nicht zum Abschluss gebracht werden. Schon kurz nach ihrer Gründung im Jahre 1945 griffen die Vereinten Nationen das Thema Menschenhandel auf und einigten sich auf die oben erwähnten Zusatzprotokolle zu den Übereinkommen. 1949 verabschiedete die Generalversammlung ein Übereinkommen zur Unterdrückung des Menschenhandels und der Ausbeutung der Prostitution anderer", das die Wiederaufnahme des erwähnten Dokuments von 1937 darstellt, dessen Fertigstellung durch den Zweiten Weltkrieg verhindert wurde. Diese Konvention blieb aber umstritten und ist von der Bundesrepublik Deutschland nicht gezeichnet bzw. ratifiziert worden.
II. Verhältnis zu anderen Übereinkommen
Das hier vorliegende Protokoll greift das Thema Menschenhandel angesichts der immer größer werdenden Mobilität der Menschen und der zunehmenden Vernetzung der Welt unter neuen Voraussetzungen auf und stellt zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen und ihrer Vorläufer eine klare Verbindung zwischen organisierter Kriminalität und Menschenhandel her. Das Protokoll ergänzt das Übereinkommen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität und bezieht sich auf spezifische Maßnahmen gegen den Menschenhandel. ein weiteres Zusatzprotokoll regelt die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Schleusung von Migranten. Übergreifende Fragen, wie z.B. die Feststellung einer Schweren Straftat" oder grundsätzliche Maßnahmen des Zeugen und Opferschutzes sind im Übereinkommen geregelt, so dass sich die Zusatzprotokolle auf tatspezifische Aspekte beschränken. Das hier vorliegende Zusatzprotokoll unterscheidet sich von seinen oben angeführten Vorläufern insbesondere durch die Erweiterung des Begriffs Menschenhandel". Die neue Definition des Menschenhandels löst die Beschränkung auf die Ausbeutung zur Prostitution auf und verpflichtet die Mitgliedstaaten, Handel mit Menschen in alle Formen der Ausbeutung unter Strafe zu stellen. Es ist gelungen, einen breiten Konsens zu dieser Definition zu erzielen. Das zeigt sich auch daran, dass bereits in der ersten Woche 81 Staaten das Protokoll gezeichnet haben; damit hatte das Protokoll bereits sieben Tage nach der Auslegung einen breiteren Zeichnerkreis, als die Konvention von 1949 insgesamt Mitgliedstaaten besitzt.
III. Bedeutung
Die besondere Bedeutung dieses Protokolls liegt darin, dass ein weltweit gültiger Begriff für Menschenhandel festgeschrieben wurde, der die Vertragsstaaten verpflichtet, alle Formen des Handels mit Menschen zum Zwecke der Ausbeutung unter Strafe zu stellen und zu verfolgen. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten geregelt und gestärkt. Das Übereinkommen gegen die organisierte Kriminalität stellt durch zwei getrennte einschlägige Zusatzprotokolle klar, dass Menschenhandel und Schleusung zwei unterschiedliche Tatbestände sind, die auch unterschiedliche Bekämpfungsstrategien erforderlich machen. Die Regelungen des Zusatzprotokolls, das auch nach der Ratifizierung nur Pflichten der Vertragsparteien enthält, sind bereits heute umfassend im nationalen deutschen Recht verwirklicht, so dass bei Ratifizierung keine Änderungen des deutschen Rechts, insbesondere des Strafrechts, erforderlich sind. Das Zusatzprotokoll enthält keine Ermächtigungsgrundlage zum Eingriff gegen einzelne Bürger.
B . B e s o n d e r e s
Zu den Bestimmungen des Zusatzprotokolls im Einzelnen:
Zu der Präambel
Die Präambel stellt das Protokoll in den historischen und sachlichen Kontext der Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels und legt die Erkenntnis der Vertragsstaaten dar, dass das Verbrechen Menschenhandel nur in grenzüberschreitender Zusammenarbeit gelöst werden kann. Ferner wird festgestellt, dass die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verhandelten internationalen Übereinkünfte nicht alle Aspekte des Menschenhandels erfassen. Neuere frauenrechtliche Dokumente der Vereinten Nationen, wie z.B. das Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau oder die Aktionsplattform der Vierten Weltfrauenkonferenz in Peking von 1995 greifen das Thema zwar auf, beschäftigen sich aber nur mit Teilaspekten des Verbrechens. Daher fehlte eine allgemein gültige, auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts ausgerichtete Übereinkunft, die nun mit diesem Protokoll ausgehandelt wurde.
Darüber hinaus bekräftigen die Vertragsstaaten in der Präambel, dass zur Bekämpfung dieses Verbrechens eine Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität um dieses Zusatzprotokoll erforderlich ist, um den spezifischen Herausforderungen des Menschenhandels begegnen und der Schwere der Straftat Rechnung tragen zu können.
I. Allgemeine Bestimmungen
Zu Artikel 1 Verhältnis zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
Die Bestimmungen in den Absätze n 1 und 2 über das Verhältnis des Protokolls zu dem Übereinkommen sind das Pendant zu Artikel 37 Abs. 1 und 3 des Übereinkommens. Für die Vertragsparteien des Protokolls gelten Protokoll und Übereinkommen als einheitliches Ganzes. Absatz 3 stellt klar, dass die in Artikel 5 des Protokolls genannten Straftaten solche im Sinne des Artikels 5 des Übereinkommens sind, so dass die allgemeinen Maßnahmen der Zusammenarbeit bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten der organisierten Kriminalität, die das Übereinkommen vorsieht, auch auf erstere anwendbar sind. ein Staat kann nach Artikel 37 Abs. 2 des Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität nur Mitglied des Protokolls werden, wenn er auch Mitglied des Übereinkommens ist.
Zu Artikel 2 Zweck
Artikel 2 benennt die drei Stoßrichtungen des Protokolls:
- a) die Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels,
- b) Schutz und Unterstützung für die Opfer und
- c) Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zur Erreichung der unter a) und b) genannten Ziele.
Mit der Zielsetzung Opferschutz verfolgt das Protokoll über die Regelung der polizeilichen und justitiellen Zusammenarbeit zur Verbrechensbekämpfung und verhütung hinaus die Gewährleistung und den Schutz von Menschenrechten. Es grenzt sich dadurch auch vom Protokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land, See und Luftweg ab, das den Opferschutz nicht in der Zweckbestimmung führt.
Zu Artikel 3 Begriffsbestimmungen
Artikel 3 Buchstabe a verdeutlicht, dass Menschenhandel als ein komplexes Phänomen mit vielfältigen Erscheinungsformen zu verstehen ist. Menschenhandel bedeutet die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen
- durch Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung,
- durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder
- durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen, um das Einverständnis einer Person zu erlangen, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder Entnahme von Körperorganen.
Artikel 3 Buchstabe b regelt, dass eine Zustimmung des Opfers zu der unter Buchstabe a benannten Ausbeutung unwirksam ist, wenn die aufgeführten Mittel angewendet wurden.Artikel 3 Buchstabe c trifft eine besondere Regelung für Kinder. Hier reichen die Handlungen der Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder der Empfang eines Kindes zu Ausbeutungszwecken aus, um als Menschenhandel erfasst zu werden. Die unter Buchstabe a genannten Mittel müssen anders als bei Erwachsenen nicht vorliegen.Artikel 3 Buchstabe d definiert als Kind in Übereinstimmung mit der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen jede Person unter 18 Jahren.
Zu Artikel 4 Geltungsbereich
Artikel 4 stellt klar, dass die Bestimmungen des Protokolls auf die Verhinderung, Untersuchung und Strafverfolgung sowie den Schutz der Opfer von Menschenhandelsdelikten Anwendung finden. Voraussetzung ist allerdings, dass eine organisierte kriminelle Gruppe gemäß Artikel 2 Buchstabe a des Übereinkommens an den Straftaten mitgewirkt hat und die Straftaten grenzüberschreitender Natur sind, wie in Artikel 3 Abs. 2 des Übereinkommens geregelt.
Zu Artikel 5 Kriminalisierung
Artikel 5 Abs. 1 verpflichtet jeden Vertragsstaat, die in Artikel 3 genannten Handlungen, wenn sie vorsätzlich begangen werden, unter Strafe zu stellen. Dieser Personalisierungsverpflichtung trägt das geltende Recht bereits hinreichend Rechnung. Hinsichtlich des Menschenhandels zwecks sexueller Ausbeutung ist im Strafgesetzbuch (StGB) insbesondere auf die §§ 180b, 181 (Menschenhandel, schwerer Menschenhandel), außerdem auf die §§ 180a (Förderung der Prostitution) und 181a (Zuhälterei) hinzuweisen. Dabei berücksichtigen § 180b Abs. 1 Satz 2 und § 181 Abs. 1 Nr. 2 StGB die besondere Erscheinungsform des Heiratshandels. Hinsichtlich des Menschenhandels zwecks Ausbeutung der Arbeitskraft sind für den Bereich des StGB in erster Linie § 234 (Menschenraub), aber auch die allgemeinen Strafvorschriften z.B. gegen Freiheitsberaubung (§ 239) und Nötigung (§ 240), für den Bereich des Nebenstrafrechts die §§ 406 und 407 des Sozialgesetzbuches III sowie die §§ 15 und 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zu nennen. Das besondere Schutzbedürfnis von Kindern und Jugendlichen wird darüber hinaus in § 235 StGB (Entziehung Minderjähriger) und § 236 StGB (Kinderhandel), außerdem in den Straf und Bußgeldvorschriften der §§ 58 und 59 des Jugendarbeitsschutzgesetzes berücksichtigt. Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/die GRÜNEN haben im Mai 2004 einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (Bt-Drucksache 015/3045), mit dem die oben genannten Vorschriften fortentwickelt werden sollen, um dem besonderen Unrechtsgehalt der verschiedenen Erscheinungsformen des Menschenhandels im Sinne des Zusatzprotokolls und weiterer internationalen Regelungswerke noch besser Rechnung tragen zu können.
II. Schutz der Opfer des Menschenhandels
Zu Artikel 6 Hilfe und Schutz für die Opfer des Menschenhandels
Die Bestimmungen dieses Artikels ergänzen die Regelungen des Übereinkommens nach Artikel 24 (Zeugenschutz) und Artikel 25 (Hilfe und Schutz für Opfer).
Nach Artikel 6 Abs. 1 werden die Vertragsstaaten aufgefordert, zum Schutz der Privatsphäre und der Identität der Opfer die Gerichtsverfahren in geeigneten Fällen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen, soweit dies nach innerstaatlichem Recht möglich ist.
Das strafgerichtliche Verfahren ist gemäß § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) grundsätzlich öffentlich. Der Grundsatz der Öffentlichkeit ist eine grundlegende einrichtung des Rechtsstaats und Prozessmaxime für die Hauptverhandlung, der jedoch unter bestimmten engen Voraussetzungen u. a. folgende Einschränkungen erfahren hat:
- § 171b Abs. 1 GVG sieht die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit vor, wenn und soweit Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Prozessbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen. Damit wird dem Schutz der Privatsphäre Rechnung getragen.
- Gemäß § 172 Abs. 1a GVG kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit eines Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist. Damit wird dem Schutzbedürfnis dieser Person Rechnung getragen.
Durch diese Regelungen wird ausreichend sichergestellt, dass das Gericht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch bei Gerichtsverhandlungen, in denen es um Menschenhandel geht, die Öffentlichkeit ausschließen kann.
Nach Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe a soll jeder Vertragsstaat sicherstellen, dass Opfer in geeigneten Fällen Informationen zu maßgeblichen Gerichts und Verwaltungsverfahren erhalten.
Bereits nach geltendem Recht ist es den Opfern von Menschenhandel möglich, Informationen über das strafrechtliche Gerichtsverfahren zu erlangen:
- Zum einen sind Opfer von Menschenhandelsdelikten nach § 395 Abs. 1 Nr. 1a Strafprozeßordnung (StPO) i. V. m. §§ 180b, 181 StGB nebenklageberechtigt. Mit erfolgtem Anschluss stehen dem Nebenkläger bestimmte Rechte, u. a. das Recht zur Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung zu ( § 397 StPO). Mit dem Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1354), das am 1. September 2004 in Kraft getreten ist, hat auch der Nebenklageberechtigte, der seinen Anschluss (noch) nicht erklärt hat, dieses Anwesenheitsrecht.
- Nach § 406d StPO ist der verletzten Person der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens mitzuteilen, soweit es sie betrifft. Weiterhin steht ihr das Recht zu, dass ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin für sie nach § 406e StPO Akteneinsicht nimmt. Mit dem bereits genannten Opferrechtsreformgesetz hat die verletzte Person auch Anspruch auf Mitteilungen über eine Einstellung des Verfahrens und über eine bevorstehende Haftentlassung des Beschuldigten oder Verurteilten. Auf seine strafprozessualen Rechte einschließlich der Informationsrechte muss das Opfer nach dem Opferrechtsreformgesetz künftig zwingend hingewiesen werden.
Mit dieser Rechtslage ist dem Informationsbedürfnis der Opfer auch von Menschenhandel ausreichend Rechnung getragen.
Nach Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe b soll jeder Staat sicherstellen, dass Opfer von Menschenhandel in geeigneter Weise in Strafverfahren beteiligt werden.
Opfer von Menschenhandelsdelikten sind gemäß § 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO i. V. m. §§ 180b, 181 StGB nebenklageberechtigt. Soweit ein Verbrechen des schweren Menschenhandels vorliegt, wird diesen Opfern auf Antrag ein sogenannter Opferanwalt auf Staatskosten bestellt (§§ 397a, 406g StPO). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, besteht für das nebenklageberechtigte Opfer die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen ( § 397a Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung). Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass auch Opfer, die nicht über die ausreichenden finanziellen Mittel verfügen, eine anwaltliche Vertretung heranziehen können.
Die Nebenklage eröffnet den Verletzten eine umfassende Beteiligungsbefugnis im gesamten gerichtlichen Strafverfahren. Seiner Rechtsstellung nach ist der Nebenkläger ein mit besonderen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter ( § 397 StPO). Dem Nebenkläger kommt auch die Rechtsmittelbefugnis gemäß § 400 StPO zu.
Durch diese Regelungen wird auch den Opfern von Menschenhandel eine ausreichende Beteiligungsmöglichkeit im strafgerichtlichen Verfahren gewährt.
Absatz 3 benennt geeignete Maßnahmen zur körperlichen, seelischen und sozialen Gesundung der Opfer von Menschenhandel, deren Bereitstellen die Mitgliedstaaten in Erwägung ziehen sollten:
- a) angemessene Unterkunft,
- b) Beratung und Information für die Opfer des Menschenhandels in einer für sie verständlichen Sprache über ihre Rechte,
- c) medizinische, psychologische und materielle Hilfe,
- d) Beschäftigungs, Bildungs und Ausbildungsmöglichkeiten.
Die Ausführung der in Artikel 6 Abs. 3 genannten Maßnahmen zum Opferschutz fallen nach Artikel 83 Grundgesetz in den Zuständigkeitsbereich der Länder. In den meisten Bundesländern gibt es Fachberatungsstellen, die die Betroffenen entsprechend unterstützen und sichere Unterkunft gewähren. In einzelnen Bundesländern werden die dafür anfallenden Kosten aus Sondertiteln der Landeskasse getragen. lst dies nicht der Fall, bestehen Ansprüche für die Zeit des Aufenthalts in Deutschland je nach Aufenthaltsstatus des Opfers entweder nach Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Opfer von Menschenhandel in Deutschland können nach Erlass des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an die Bundesanstalt für Arbeit unter bestimmten Voraussetzungen eine Arbeitserlaubnis ohne Wartefrist bekommen. Dies dient zum einen der Integration der Opfer in das normale Arbeitsleben, zum anderen entlastet es die Staatskasse, da diese Opfer ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Grundlage hierfür ist § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Arbeitsgenehmigungsverordnung.
Absatz 4 fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Durchführung der in diesem Artikel angeführten Maßnahmen auf Alter, Geschlecht und die besonderen Bedürfnisse der Opfer Rücksicht zu nehmen, vor allem, wenn es sich um Kinder handelt.
Absatz 5 legt fest, dass jeder Vertragsstaat für die körperliche Sicherheit der Opfer sorgen soll, während sich diese in seinem Hoheitsgebiet aufhalten. Diese Bestimmung korrespondiert mit Artikel 24 Abs. 2 Buchstabe a und Artikel 25 Abs. 1 des Übereinkommens.
Der Schutz der Opfer fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Verschiedene Bundesländer haben Kooperationsabkommen zwischen Polizei und Fachberatungsstellen abgeschlossen, wonach die Fachberatungsstellen für die professionelle Unterstützung und Betreuung der Opfer zuständig sind, während die Polizei für den Schutz der Opferzeugen Sorge trägt.
Absatz 6 regelt, dass jeder Vertragsstaat sicherstellen soll, dass seine innerstaatliche Rechtsordnung Maßnahmen vorsieht, die den Opfern des Menschenhandels ermöglichen, Entschädigungen für den erlittenen Schaden zu erlangen. Diese Regelung korrespondiert mit Artikel 25 Abs. 2 des Übereinkommens.
Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sieht entsprechende Entschädigungsansprüche in den §§ 823, 249 und 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor. So besteht etwa bei schuldhafter Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit nach § 823 Abs. 1 BGB eine Schadensersatzpflicht des Schädigers. Daneben werden über die sonstigen Rechte" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB auch erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen von der Pflicht zum Ersatz des Schadens erfasst. Zu solchen Persönlichkeitsrechtsverletzungen zählen nach ständiger Rechtsprechung insbesondere Verletzungen des sexuellen Selbstbestimmungsrechts.
Darüber hinaus kommt für die Opfer von Menschenhandel ein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage von § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz in Betracht. Als Schutzgesetze im Sinne der Norm sind Gesetze zu verstehen, die nicht lediglich dem Schutz der Allgemeinheit dienen, sondern einen Individualschutz gewähren. Hierzu zählen insbesondere eine Reihe von Strafvorschriften des Strafgesetzbuchs wie etwa die Beleidigung (§ 185), Aussetzung (§ 221), Körperverletzung (§ 223), Freiheitsberaubung (§ 239), Nötigung (§ 240), Menschenhandel (§§ 180b, 181) und andere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 ff.).
Nach § 825 BGB ist außerdem zum Schadensersatz verpflichtet, wer einen anderen durch Hinterlist, durch Drohung oder unter Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen bestimmt.
lm Rahmen der §§ 823ff. BGB sind gemäß § 249 BGB zunächst alle Vermögensschäden zu ersetzen. Grundsätzlich ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne das schadensstiftende Ereignis bestünde. Darüber hinaus kann nach § 253 Abs. 2 BGB im Falle der Verletzung des Körpers und der Gesundheit, bei Freiheitsentziehung sowie bei Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung auch für immatrielle Schäden eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Zudem erkennt die Rechtsprechung gestützt auf Artikel 1 und 2 Grundgesetz einen Anspruch auf Geldentschädigung auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen an, sofern diese Verletzungen als schwerwiegend anzusehen sind und sich nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lassen.
Das damit gegebene relativ hohe Schutzniveau für Opfer von Menschenhandel wird mit dem am 1. August 2002 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften weiter verbessert. Erstmals im deutschen Recht wurde ein umfassender Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der sexuellen Selbstbestimmung geschaffen. Dieser Anspruch geht unter anderem dadurch über die bisherige Rechtslage hinaus, dass der Anspruch auf Schmerzensgeld auf Haftungssysteme erweitert wird, die kein Verschulden voraussetzen (Gefährdungshaftung). Weiterhin ist mit der Neufassung von § 825 BGB der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung nicht länger nur auf Frauen beschränkt. Vielmehr werden im Wege einer jedermann schützenden Formulierung auch Kinder und Männer in den Schutzbereich der Norm einbezogen. Opfer des Menschenhandels können, wenn sie nicht nur vorübergehende gesundheitliche Schäden erlitten haben, gegebenenfalls Ansprüche auf eine staatliche Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz OEG) geltend machen. Das damalige Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung hat am 5. März 2001 einen entsprechenden Erlass zur einbeziehung von Gewalttaten im Zusammenhang mit Tatbeständen des Menschenhandels herausgegeben. Zu den Leistungen nach dem OEG zählen dauernde Renten, Krankenbehandlung und fürsorgerische Leistungen. Sie werden auf Antrag gewährt; die Einhaltung einer Frist ist nicht erforderlich. Der Leistungsumfang ist dabei abhängig von der Dauer des Aufenthalts und dem Ausmaß der Integration des Opfers in der Bundesrepublik Deutschland.
Zu Artikel 7 Rechtsstellung der Opfer des Menschenhandels in den Aufnahmestaaten
Absatz 1 legt fest, dass die Vertragsstaaten erwägen, in geeigneten Fällen Opfern des Menschenhandels ein befristetes oder unbefristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dieser Artikel ergänzt die Regelungen über die Hilfe und den Schutz für die Opfer des Menschenhandels und soll auch deren Anwesenheit für die Dauer des Strafverfahrens gegen die Menschenhändler ermöglichen. ein Anspruch der Opfer auf Gewährung eines Aufenthaltsrechts und eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zu einem gesetzgeberischen Handeln bestehen aufgrund dieses Artikels allerdings nicht. Die bestehenden deutschen ausländerrechtlichen Regelungen lassen bereits jetzt einen Aufenthalt für die Dauer des Strafverfahrens gegen Menschenhändler oder zur Stabilisierung der Opfer zu.
Absatz 2 stellt klar, dass bei der Entscheidung über die Gewährung eines Aufenthaltsrechts nicht allein strafverfahrensrechtliche, sondern auch humanitäre und in der Person der Opfer liegende Umstände zu berücksichtigen sind. Diesen Forderungen wird bereits im geltenden Ausländerrecht Genüge getan.
Zu Artikel 8 Rückführung der Opfer des Menschenhandels
Artikel 8 enthält eine besondere Klausel über die Rückführung der Opfer des Menschenhandels in die Herkunftsländer. Nach Absatz 1 erleichtern und akzeptieren die Vertragsstaaten die Rückkehr dieser Personen. Absatz 2 legt fest, dass die Rückführung unter Berücksichtigung des Standes der Strafverfahren gegen die Menschenhändler, der Sicherheit der Opfer und vorzugsweise freiwillig erfolgen soll. Die Absätze 3 und 4 sehen eine beschleunigte Prüfung und Feststellung der Nationalität und des dauernden Aufenthaltsrechts sowie die Ausstellung von Heimreisedokumenten durch die Vertragsstaaten vor. Nach den Absätze n 5 und 6 bleiben die den Opfern eingeräumten innerstaatlichen Rechte der aufnehmenden Vertragsstaaten und aus zwischenstaatlichen und sonstigen internationalen Abkommen und Vereinbarungen, die die Rückführung von Opfern von Menschenhandel regeln, unberührt.
III. Verhütung, Zusammenarbeitung sonstige Maßnahmen
Zu Artikel 9 Verhütung des Menschenhandels
Absatz 1 gibt den Vertragsstaaten auf, Leitlinien, Programme und andere Maßnahmen durchzuführen, um Menschenhandel zu verhindern und zu bekämpfen sowie um zu verhindern, dass die Opfer erneut Opfer von Menschenhandel werden. Hier ist Deutschland als Mitglied der Europäischen Union im Rahmen des früheren STOP, jetzt AGIS-Programms an der Förderung verschiedener Projekte beteiligt, zum anderen werden national vielfältige Maßnahmen von Nichtregierungsorganisationen in diesem Bereich unterstützt.
Deutschland hat 1999 den Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgelegt, in dem ein umfassendes Gesamtkonzept zu allen Formen der Gewalt gegen Frauen, so auch gegen Frauenhandel, entworfen wurde. Die umgesetzten Maßnahmen in diesem Bereich beinhalten u. a. verschiedene Förderungen von Nichtregierungsorganisationen, die Förderung einer bundesweiten Vernetzungsstelle von Fachberatungsstellen im Bereich Frauenhandel sowie die Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frauenhandel, in der neben Regierungsstellen auch Nichtregierungsorganisationen vertreten sind. Damit wird den Forderungen in Artikel 9 Abs. 2 und 3 entsprochen, bestimmte Maßnahmen und Initiativen zur Bekämpfung des Frauenhandels zu ergreifen und dabei auch die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen zu suchen. Der Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen wird fortgeschrieben werden; zu dem neuen Konzept werden auch weiterhin Maßnahmen gegen Frauenhandel gehören.
Absatz 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der Ursachen für Menschenhandel in den Herkunftsländern, wie insbesondere Armut, fehlende Bildungschancen und mangelnde Chancengleichheit. Mit der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen hat sich die Weltgemeinschaft dazu verpflichtet, bis zum Jahre 2015 den Anteil der extrem armen Menschen in der Welt zu halbieren. Die Bundesregierung trägt mit ihrem Aktionsprogramm 2015 zur Erreichung dieses Ziels bei. lm Aktionsprogramm wird bekräftigt, dass die Ursachen der Armut auch in der mangelnden Gleichberechtigung der Geschlechter liegen. Alle Aktivitäten werden daher so ausgerichtet, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichberechtigt berücksichtigt werden. ein eigenes Kapitel widmet sich dem gezielten Empowerment" von Frauen. eine der darin vorgesehenen Aktionen ist die Bekämpfung des Frauenhandels und der Zwangs und Kinderprostitution. In Entwicklungsländern will die Bundesregierung gefährdeten Kindern und Frauen besondere Unterstützung anbieten, um ihnen neue Beschäftigungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
Die Bundesregierung war aber bereits aber auch schon vor der Verabschiedung des Aktionsprogramms tätig: Die Zusage der Bundesregierung auf der Pekinger Weltfrauenkonferenz, 40 Mio. USDollar für die rechts und sozialpolitische Beratung unter besonderer Berücksichtigung der Interessen von Frauen in Entwicklungsländern bis zum Jahr 2000 bereitzustellen, wurde erfolgreich umgesetzt. So wurden beispielsweise öffentliche Stellen beraten, die ihr Rechtssystem im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter modernisieren wollen, Fraueninitiativen wurden bei ihrer Lobby und Aufklärungsarbeit unterstützt.
Das in Absatz 5 benannte Ziel, Menschenhandel auch auf der Nachfrageseite zu bekämpfen, hat die Bundesregierung bereits im Aktionsplan Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen" als Ziel festgesetzt und wird auch in der Fortschreibung Berücksichtigung finden.
Zu Artikel 10 Informationsaustausch und Ausbildung
Absatz 1 eröffnet den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit durch den Austausch von Informationen zu Personen, die ohne oder mit fremden Dokumenten Grenzübertritte durchgeführt haben oder beabsichtigen. Weiterhin können Informationen zu den dabei genutzten Reisedokumenten, zu Mitteln und Methoden des Menschenhandels sowie zu den Bekämpfungsmöglichkeiten ausgetauscht werden. eine Verpflichtung der Vertragsstaaten zum Informationsaustausch besteht aufgrund dieses Artikels nicht. ein gesetzgeberisches Handeln der Vertragsstaaten ist nicht gefordert, da der Informationsaustausch auf der Basis des jeweiligen innerstaatlichen Rechts ermöglicht wird.
Absatz 2 legt fest, dass jeder Vertragsstaat den Beamten der Strafverfolgungs, Einwanderungs und anderen zuständigen Behörden Aus und Fortbildungsmaßnahmen zur Verhütung und Verfolgung des Menschenhandels anbietet bzw. diese ausbaut. Dabei soll auch zur Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen ermutigt werden. Die Staaten sollen Aus und Fortbildung der für Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels zuständigen Beamten in notwendigem Umfang gewährleisten. Die Regelungen entsprechen der bereits in Deutschland gängigen Praxis.
Das Bundeskriminalamt führt seit 1997 regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen im Polizeibereich zum Thema Menschenhandel durch, an denen auch Nichtregierungsorganisationen beteiligt sind.
Die Bekämpfung des Menschenhandels ist in Deutschland eine zentrale Aufgabe aller mit der Strafverfolgung betrauten Kräfte. Daher wird der Fortbildung von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auf diesem Gebiet insbesondere durch Veranstaltungen der Deutschen Richterakademie breiter Raum eingeräumt. Die dort angebotenen Tagungen gehen über die reine Information zur Bekämpfung des Menschenhandels hinaus und vermitteln auch Methoden, wie der Entstehung dieser Art von organisierter Kriminalität entgegengewirkt werden kann. Darüber hinaus wird durch die Teilnahme deutscher Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte an internationalen Fortbildungsveranstaltungen ermöglicht, dass zum einen beispielsweise die Verfahren der internationalen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von grenzüberschreitender organisierter Kriminalität oder aber verschiedene Methoden in der Verbrechensbekämpfung nähergebracht werden; zum anderen können auch persönliche Erfahrungen ausgetauscht werden, die später im Berufsalltag von Nutzen sind.
Absatz 3 verpflichtet die Vertragsstaaten, etwaige Verwendungsbeschränkungen des übermittelnden Staates bezüglich der übermittelten Informationen zu beachten.
Zu Artikel 11 Maßnahmen an den Grenzen
Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu verstärkten zielgerichteten Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels bei der Durchführung von Grenzkontrollen, soweit bindende Verpflichtungen über den freien Personenverkehr im Einzelfall nicht entgegenstehen.
Nach Absatz 2 haben die Vertragsstaaten durch gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel zu Zwecken des Menschenhandels benutzt werden. Hierzu gehört nach Absatz 3 auch die Verpflichtung sofern angemessen und mit sonstigen internationalen Verpflichtungen vereinbar , den Beförderungsunternehmern aufzugeben, sich davon zu überzeugen, dass die beförderten Personen über die erforderlichen Grenzübertrittsdokumente verfügen. Für Verstöße gegen diese Verpflichtung sind nach Absatz 4 Sanktionen vorzusehen.
Nach Absatz 5 sollen die Vertragsstaaten ferner Maßnahmen erwägen, um Personen, die an Straftaten im Sinne von Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 3 beteiligt sind, bereits an der Grenze zurückzuweisen bzw. ihre etwaigen Einreisesichtvermerke für ungültig zu erklären, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist.
Gemäß Absatz 6 sollen die Vertragsstaaten unabhängig von der allgemeinen Pflicht zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung nach Artikel 27 des Übereinkommens die verstärkte Zusammenarbeit ihrer Grenzkontrollbehörden erwägen.
Zu Artikel 12 Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten
Artikel 12 verpflichtet die Vertragsstaaten im Rahmen ihrer verfügbaren Mittel zur Schaffung von Qualitätsstandards im Hinblick auf die Fälschungssicherheit von Dokumenten sowie zur Durchführung von Maßnahmen zur Verhinderung des Dokumentenmissbrauchs.
Zu Artikel 13 Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten
Artikel 13 soll sicherstellen, dass auf Antrag eines ersuchenden Vertragsstaats tatsächlich oder angeblich zu Zwecken des Menschenhandels benutzte Reise oder Identitätsdokumente eines anderen Vertragsstaats innerhalb eines angemessenen Zeitraums von diesem überprüft werden. Mit dieser Vorschrift soll u. a. eine beschleunigte Durchführung der Ermittlungen erreicht werden.
I V. S c h l u s s b e s t i m m u n g e n
Zu Artikel 14 Vorbehaltsklausel
Mit der Nichtberührensklausel in Absatz 1 soll klargestellt werden, dass die Bestimmungen des Protokolls die sonstigen Verpflichtungen der Vertragsstaaten aus einschlägigen Normen des internationalen Menschenrechtsschutzes und des humanitären Völkerrechts sowie sonstige völkerrechtliche Bindungen nicht verkürzen oder verändern. Insbesondere die Rechtsstellung der Flüchtlinge wird durch das Protokoll nicht berührt. Das gilt für die Vertragsparteien des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und des Protokolls von 1967 auch hinsichtlich des darin enthaltenen Grundsatzes der Nichtzurückweisung.
Die Auslegungsregel des Absatz e s 2 soll die Opfer des Menschenhandels vor Diskriminierung schützen. Sie ist so formuliert, dass sie jeweils für alle mit einem konkreten Einzelfall befassten Vertragsstaaten gilt. Satz 1 betrifft die Diskriminierung aufgrund der Tatsache, dass eine Person Opfer des Menschenhandels geworden ist. Satz 2 bezieht im Wege einer Generalklausel alle anderen international geltenden Diskriminierungsverbote mit ein.
Zu Artikel 15 Beilegung von Streitigkeiten
Die Streitbeilegungsklausel entspricht der des Übereinkommens und folgt einem international weithin üblichen Vorgehen.
Zu Artikel 16 Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
Artikel 16 enthält die üblichen völkerrechtlichen Regelungen über die Unterzeichnung und Ratifikation bzw. Annahme oder Beitritt. Die Absätze 2 bis 4 enthalten Sonderregelungen zugunsten von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die in derselben Weise wie Staaten Vertragspartei werden können, sofern mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei geworden ist. In ihrer Ratifikations oder Beitrittsurkunde muss eine solche Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf das Protokoll erläutern.
Zu Artikel 17 Inkrafttreten
Für das Inkrafttreten des Protokolls ist dieselbe Zahl von Vertragsparteien erforderlich wie bei dem Übereinkommen und den beiden anderen Protokollen, nämlich 40.
Zu Artikel 18 Änderung
Nach Absatz 1 können Änderungen frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls vorgeschlagen werden. Die Entscheidung über eine Vertragsänderung obliegt den üblichen Grundsätzen des Vertragsrechts entsprechend den Vertragsparteien, die darüber im Rahmen der Konferenz der Vertragsstaaten nach Artikel 32 des Übereinkommens beraten.
Die Stimmrechtsregelung für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in Absatz 2 entspricht der des Übereinkommens.
Änderungen bedürfen nach Absatz 3 der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsstaaten.
Angenommene Änderungen treten für einen Vertragsstaat 90 Tage nach Hinterlegung einer entsprechenden Ratifikations, Annahme oder Genehmigungsurkunde in Kraft (Absatz 4 ).
Bindend ist diese Änderung nur für die Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung dazu ausgedrückt haben (Absatz 5 ).
Zu Artikel 19 Kündigung
Zur üblichen Vorschrift über die Kündigung in Absatz 1 tritt eine Sonderregelung für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in Absatz 2 hinzu, die der Vorschrift über den Beitritt einer solchen Organisation (Artikel 16) entspricht. Danach hört eine solche Organisation automatisch auf, Vertragspartei zu sein, wenn keiner ihrer Mitgliedstaaten mehr Vertragspartei ist. Zu Artikel 20 Verwahrer und Sprachen
Die Vorschrift über den Verwahrer und die Sprachenklausel folgen der üblichen Praxis bei Übereinkommen der Vereinten Nationen.
Denkschrift zum Zusatzprotokoll
gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land, See und Luftweg
I. Allgemeines
Die weltweite Vernetzung unserer modernen Informations und Kommunikationsgesellschaft fördert auch die kriminelle Energie von Verbrechern, die sich dieser neuen Freiheiten" bedienen. So scheint sich die grenzüberschreitende Kriminalität nahezu als notwendiges Nebenprodukt moderner Gesellschaften zu etablieren. Schleusungskriminalität ist nicht nur der grenzüberschreitenden Kriminalität, sondern zunehmend der organisierten Kriminalität zuzurechnen. Aufgrund dieses wachsenden Bedrohungspotenzials für die Innere Sicherheit, insbesondere durch destabilisierende Einflussnahme auf Gesellschaft und Wirtschaft, liegt in der Schleusungskriminalität eine ernstzunehmende kriminalpolitische Herausforderung mit weltweitem Charakter.
Das Schleusungsprotokoll ist aus der Erkenntnis entstanden, dass dauerhafte Erfolge im Kampf gegen die grenzüberschreitende Schleusungskriminalität in einer globalisierten Welt nicht durch isolierte nationalstaatliche Maßnahmen, sondern letztlich nur durch eine international vernetzte Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen zu erreichen sind.
Der Zweck des Schleusungsprotokolls ist die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zur Verhinderung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten bei gleichzeitigem Schutz der Rechte der geschleusten Menschen. Da die gemeinsame Verantwortung und das gemeinsame Ziel unbestritten sind, ist es trotz unterschiedlicher Interessen der Herkunfts und Zielländer gelungen, ein abgestimmtes Protokoll und damit einen Interessensausgleich herbeizuführen. In den Verhandlungen war jedoch von Anfang an klar, dass die Ursprungsländer von Migration keinem Instrument zustimmen würden, das neue Rechtsgrundlagen für die Bestrafung der Migranten selbst schaffen würde. So sehr diese Länder auch die Einschätzung der Zielländer teilten, dass die organisierte Schleusung ein riesiger illegaler Markt für organisierte kriminelle Gruppen geworden ist, so wurde doch deutlich, dass sie kein Interesse daran haben, ihre eigenen Landsleute, die ihr Heimatland aus wirtschaftlicher Not verlassen hatten, im Ausland polizeilicher Verfolgung auszusetzen.
Von Anfang an hatten die Zielländer nicht die Absicht, das Protokoll als Rechtsinstrument gegen die geschleusten Migranten auszugestalten. lhr Ziel war nicht die Regelung von Migration als solcher, sondern die Bekämpfung organisierter Gruppen, die daraus Geschäfte machen. Sie konnten ihrerseits aber auch keiner Formulierung von Regelungen zustimmen, die die illegalen Einwanderer von jeglicher Form der Sanktion freistellen und die dahingehend hätten interpretiert werden können, dass sie das Recht der Mitgliedstaaten zur Gestaltung ihres nationalen Ausländer und Einwanderungsrechts einschränken. Für die Zielländer war es insofern wichtig, dass das Protokoll nicht als Gewährung von Immunität" missverstanden werden konnte. Dieses Anliegen konnten aber auch die Ursprungsländer akzeptieren, da alle Staaten der Welt über Einwanderungs, Visa und sonstige aufenthaltsrechtliche Normen verfügen, die zu ändern sich letztlich kein Staat verpflichten wollte. Beide Interessenlagen fanden in einer engen Verbindung der Artikel 5 und 6 ihre Berücksichtigung.
Die besondere Bedeutung des Zusatzprotokolls gegen Schleusung liegt in der weltweiten Verpflichtung, Schleusungen unter Strafe zu stellen.
Die Regelungen des Zusatzprotokolls, das auch nach der Ratifizierung nur Pflichten der Vertragsparteien enthält, sind bereits heute umfassend im nationalen deutschen Recht verwirklicht, so dass bei Ratifizierung keine Änderungen des deutschen Rechts, insbesondere des Straf- und Ausländerrechts, erforderlich sind. Das Zusatzprotokoll enthält keine Ermächtigungsgrundlage zum Eingriff gegen einzelne Bürger.
II. Besonderes
Zu den Bestimmungen des Übereinkommens im Einzelnen:
Zu Artikel 1 Verhältnis zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität
Die Bestimmungen über das Verhältnis des Protokolls zu dem Übereinkommen in den Absätze n 1 und 2 sind das Gegenstück zu Artikel 37 Abs. 1 und 3 des Übereinkommens. Für die Vertragsparteien des Protokolls gelten Protokoll und Übereinkommen als einheitliches Ganzes. Absatz 3 stellt klar, dass die in Artikel 6 des Protokolls genannten Straftaten solche im Sinne des Artikels 5 des Übereinkommens sind, so dass die allgemeinen Maßnahmen der Zusammenarbeit bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten der organisierten Kriminalität, die das Übereinkommen vorsieht, auch auf die vom Protokoll erfassten Taten anwendbar sind.
Zu Artikel 2 Zweck
Der Zweck des Zusatzprotokolls gegen Schleusung ist die Verhinderung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten sowie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zur Erreichung dieses Ziels bei gleichzeitigem Schutz der Rechte geschleuster Personen.
Zu Artikel 3 Begriffsbestimmungen
Artikel 3 enthält die Legaldefinitionen für eine Reihe von zentralen Begriffen des Protokolls. Schleusung von Migranten" im Sinne des Protokolls ist das Herbeiführen der unerlaubten Einreise in das Gebiet einer Vertragspartei, deren Staatsangehöriger die betreffende Person nicht ist oder für die sie kein dauerndes Aufenthaltsrecht hat. Mit dem Tatbestandsmerkmal zum Zwecke der Erzielung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils" soll nur die geschäftsmäßig betriebene Schleusung erfasst werden. Die Unterstützung von illegalen Migranten aus humanitären Erwägungen, z.B. durch Nichtregierungsorganisationen, kirchliche Einrichtungen oder die eigene Familie, soll nicht darunter fallen.
Zu Artikel 4 Geltungsbereich
Artikel 4 regelt den sachlichen Geltungsbereich des Protokolls. Danach fallen unter den Anwendungsbereich des Protokolls nur die in Artikel 6 genannten Tathandlungen, d.h. die Mitwirkung an Taten, die grenzüberschreitenden Charakter haben und an deren Begehung eine organisierte kriminelle Gruppe im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a des Übereinkommens beteiligt ist.
Zu Artikel 5 Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Migranten
Artikel 5 bestimmt ausdrücklich, dass die geschleusten Personen selbst obwohl sie begriffsnotwendig an ihrer eigenen Schleusung mitwirken nicht aufgrund dieses Protokolls strafrechtlicher Verfolgung unterliegen sollen. Diese Klarstellung entspricht dem Gesamtverständnis des Protokolls, welches nicht als allgemeines Instrument zur Steuerung von Migration gedacht ist, sondern der Bekämpfung der in diesem Bereich tätigen organisierten Kriminalität dienen soll. Die Bestimmung schließt allerdings nicht aus, dass gegen Personen, die sich durch ihre unerlaubte Einreise eines Verstoßes gegen das nationale Recht schuldig gemacht haben, aufgrund nationalen Rechts Maßnahmen ergriffen werden. Das ergibt sich wiederum ausdrücklich aus Artikel 6 Abs. 4. Artikel 5 beschränkt also nicht das Recht der Vertragsparteien, die geschleuste Person selbst wegen Verstoßes gegen das eigene Aufenthalts und Einwanderungsrecht zu verfolgen.
Zu Artikel 6 Kriminalisierung
In Absatz 1 Buchstabe a verpflichten sich die Vertragsparteien, die Schleusung von Migranten unter Strafe zu stellen, die begangen wird, um unmittelbare oder mittelbare finanzielle oder materielle Vorteile zu erlangen. Diese Pflicht wird durch die Straftatbestände in den §§ 92a und 92b des Ausländergesetzes (AuslG) bereits erfüllt.
Unter Strafe zu stellen ist ferner die Herstellung gefälschter Reise oder Ausweisdokumente und die Beschaffung, Bereitstellung oder der Besitz solcher Dokumente zum Zweck der Schleusung von Migranten. ein Migrant, der ein gefälschtes Dokument nur sich selbst verschafft oder nur für den Zweck der eigenen Schleusung besitzt, fällt nicht unter Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe b. Die hier beschriebenen Taten sind bereits nach den §§ 267 und 276 StGB strafbar.
Gemäß Artikel 6 Abs. 1 Buchstabe c soll auch die Beihilfe zur Begründung unerlaubten Aufenthalts unter Strafe gestellt werden, obwohl diese Tathandlung nicht unter den Begriff der Schleusung" als Ermöglichung der unerlaubten Einreise im Sinne des Artikels 3 Buchstabe a fällt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Beihilfehandlung die Herstellung oder den Gebrauch gefälschter Reisedokumente oder sonstige rechtswidrige Mittel einschließt. Auch das ist durch die §§ 92a und 92b AuslG gewährleistet.
Absatz 2 bestimmt, dass auch der Versuch sowie die Mittäterschaft unter Strafe zu stellen sind, sofern das betreffende nationale Strafrecht generell die Bestrafung des Versuchs und der Beteiligung erlaubt. Dies ist im deutschen Strafrecht bzw. in den strafrechtlichen Neben bestimmungen der Fall (Versuch, § 92a Abs. 3 AuslG; Mittäterschaft, § 25 StGB; Beihilfe und Anstiftung, § 92a Abs. 1 AuslG).
Nach Absatz 3 sollen erschwerende Umstände der Tatbegehung definiert werden. Hierzu gehören vor allem Schleusungsfälle, die geeignet sind, das Leben oder die Sicherheit der geschleusten Personen zu gefährden, oder die mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verbunden sind. eine ausdrückliche Regelung für diese Fälle, z.B. als Erfolgsqualifikation oder als besonders schwerer Fall, gibt es bislang im deutschen Strafrecht bzw. in den strafrechtlichen Nebenbestimmungen nicht. Allerdings können die genannten erschwerenden Umstände nach § 46 StGB schon heute von den Gerichten bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Absatz 4 stellt klar, dass die Vertragsstaaten durch Artikel 6 nicht gehindert sind, Strafvorschriften auch für andere Fälle vorzusehen, die nicht von Artikel 6 Abs. 1 erfasst werden.
Zu den Artikeln 7 bis 9 Schleusung von Migranten auf dem Seeweg
Die Bestimmungen der Artikel 7 bis 9 enthalten spezielle völkerrechtliche Regelungen für das Aufbringen und Durchsuchen fremder und eigener Schiffe auf der Hohen See auf Ersuchen oder mit Genehmigung des jeweiligen Flaggenstaats. Diese sind für die Bekämpfung der Schleusung von Migranten auf dem Seeweg wegen seevölkerrechtlicher Vorgaben erforderlich. Nach Artikel 89 des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) kann kein Staat für sich das Recht in Anspruch nehmen, Teile der Hohen See seiner Souveränität zu unterstellen und Eingriffe in die Freiheit der Schifffahrt anderer Staaten vorzunehmen. Einschränkungen dieses Grundsatzes sind nur nach Maßgabe des Seerechtsübereinkommens und nach sonstigen Regeln des Völkerrechts zulässig (vgl. Artikel 87 Abs. 1 Satz 2 SRÜ). Das allgemeine Seevölkerrecht stellt den Staaten nur in wenigen speziellen Fällen (z.B. Seeräuberei, Sklavenhandel, Nacheile bei Verletzung von Rechtsvorschriften eines Küstenstaats) klare Eingriffsrechte gegen die Schiffe anderer Staaten auf der Hohen See zur Verfügung und überlässt die Weiterentwicklung dieses Rechtsregimes der internationalen Zusammenarbeit der Staaten aufgrund völkervertraglicher Verpflichtungen. Die Einwirkungsmöglichkeiten der Küstenstaaten in ihrem Küstenmeer (vgl. Artikel 27 SRÜ) werden durch die Artikel 7 bis 9 nicht eingeschränkt.
Artikel 8 und 9 stellen international bindende ausführliche Grundsätze der gegenseitigen Rechtshilfe bei der Strafverfolgung der Schleuserkriminalität auf der Hohen See auf, die auf dem Vorrang der Zuständigkeit des Flaggenstaats basieren.
Zu Artikel 7 Zusammenarbeit
In Anlehnung an Artikel 17 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen unterstreicht Artikel 7 des Schleusungsprotokolls, dass die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten zur Verhütung und Bekämpfung der Schleusung auf dem Seeweg in Übereinstimmung mit dem Internationalen Seerecht" erfolgen soll. Durch die damit geschaffene vertragliche Basis für eine weltweite Zusammenarbeit wird die Rechtfertigung für geeignete Eingriffe gegen verdächtige Schiffe auf der Hohen See mit Zustimmung des Flaggenstaats im Einzelfall begründet.
Zu Artikel 8 Maßnahmen gegen die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg
Absatz 1 regelt den Fall des Eingriffs einer Vertragspartei gegen ein verdächtiges Schiff auf Ersuchen des Flaggenstaats. Hat eine Vertragspartei, die nicht Flaggenstaat des Schiffes ist, hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass ein Schiff an der Schleusung von Migranten beteiligt ist, kann sie nach Absatz 2 den Flaggenstaat zunächst um Überprüfung und Bestätigung der Registrierung des Schiffs bitten. Wenn dieser die Registrierung bestätigt, kann der ersuchende Staat den Flaggenstaat um Erlaubnis zum Anhalten und Durchsuchen sowie ggf. zu angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Schleusung bitten. Der Flaggenstaat kann insbesondere die Erteilung der Erlaubnis an Bedingungen für den Umfang und die Art und Weise der Eingriffsmaßnahmen knüpfen, die ggf. zwischen ihm und dem ersuchenden Staat zu vereinbaren sind.
Nach Absatz 6 muss jeder Vertragsstaat Behörden benennen, die Ersuchen um Hilfe, um Registrierungs- bzw. Flaggenbestätigungen und um die Genehmigung von Maßnahmen entgegennehmen und beantworten. Flaggenbehörde ist in Deutschland das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Diese Behörde führt ein Register aller Seeschiffe, die zur Führung der Bundesflagge berechtigt sind, und ist daher für die Erteilung der Bestätigung die nach Artikel 8 Abs. 6 zuständige Behörde, soweit das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen keine abweichende Regelung vorsieht. Soweit ein Rechtshilfeersuchen in Betracht kommt, ist beabsichtigt, das Bundesministerium der Justiz entsprechend der allgemeinen Rechtshilfe als Behörde im Sinne von Artikel 8 Abs. 6 zu bestimmen (vgl. Artikel 18 Abs. 13 des Übereinkommens gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität).
Für die Praxis bedeutsam ist Artikel 8 Abs. 7 . Hat ein Vertragsstaat stichhaltige Gründe für die Annahme, dass die Schleusung von Migranten durch ein staatenloses Schiff betrieben wird, kann er dieses Schiff auf der Hohen See anhalten und durchsuchen und bei bestätigtem Verdacht geeignete Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht und dem Völkerrecht ergreifen.
Zu Artikel 9 Schutzklauseln
Ergreift ein Staat Maßnahmen gegen das verdächtige Schiff, muss er nach Absatz 1 die Sicherheit und die humanitäre Behandlung der Personen an Bord garantieren und hat die Sicherheit des Schiffs und seiner Ladung ebenso zu berücksichtigen wie die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen des Flaggenstaats oder eines anderen betroffenen Staates.
Absatz 2 sieht vor, dass dem Eigentümer des Schiffs für den Fall, dass die gegen das Schiff ergriffenen Maßnahmen einen Schaden verursacht haben und der Verdacht der Schleusung unbegründet war, ein Entschädigungsanspruch zu gewähren ist.
Zu Artikel 10 Information
Mit Blick auf das gemeinsame Ziel einer effektiven Bekämpfung der Schleusungskriminalität sollen die Vertragsparteien und hier insbesondere diejenigen mit gemeinsamen Grenzen bzw. diejenigen, die als Transitland für internationale Schleusungen genutzt werden Informationen der in Absatz 1 Buchstaben a bis f genannten Art austauschen, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist. Gemäß Absatz 2 kann der übermittelnde Staat im Einzelfall die Verarbeitung und Weitergabe mit Einschränkungen versehen, denen der empfangende Staat nachkommen muss.
Zu Artikel 11 Maßnahmen an den Grenzen
Absatz 1 verpflichtet die Vertragsparteien, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Kontrollmaßnahmen zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität im Rahmen von Grenzkontrollen zu verstärken, soweit bindende Verpflichtungen über den freien Personenverkehr wie z. B innerhalb der Europäischen Union dem nicht im Einzelfall entgegenstehen.
Nach Absatz 2 haben die Vertragsstaaten durch gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Beförderungsmittel zu Schleusungszwecken benutzt werden. Hierzu gehört nach Absatz 3 auch die Verpflichtung sofern angemessen und mit sonstigen internationalen Verpflichtungen vereinbar , den Beförderungsunternehmern aufzugeben, sich davon zu überzeugen, dass die beförderten Personen über die nötigen Grenzübertrittsdokumente verfügen.
Für Verstöße gegen diese Verpflichtung sind nach Absatz 4 Sanktionen vorzusehen. Diese Regelung entspricht § 74 AuslG.
Nach Absatz 5 sollen die Vertragsparteien ferner Maßnahmen erwägen, um Personen, die an Straftaten im Sinne von Artikel 6 beteiligt sind, bereits an der Grenze zurückzuweisen bzw. ihre etwaigen Einreisesichtvermerke für ungültig zu erklären, soweit dies nach nationalem Recht zulässig ist. Dies ist in Deutschland bereits gängige Praxis.
Gemäß Absatz 6 erwägen die Vertragsparteien, unabhängig von der allgemeinen Pflicht zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung nach Artikel 27 des Übereinkommens die Zusammenarbeit ihrer Grenzkontrollbehörden zu verstärken.
Zu Artikel 12 Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten
Artikel 12 verpflichtet die Vertragsstaaten zur Schaffung von Qualitätsstandards im Hinblick auf die Fälschungssicherheit von Dokumenten sowie zur Durchführung von Maßnahmen zur Verhinderung des Dokumentenmissbrauchs. Dies ist in Deutschland bereits gängige Praxis.
Zu Artikel 13 Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten
Artikel 13 soll sicherstellen, dass auf Antrag eines ersuchenden Staates tatsächlich oder vermeintlich zu Schleusungszwecken benutzte Dokumente eines anderen Staates von diesem innerhalb einer angemessenen Frist auf ihre Echtheit überprüft werden. Mit dieser Vorschrift soll u. a. eine beschleunigte Durchführung der Ermittlungen erreicht werden.
Zu Artikel 14 Ausbildung und technische Zusammenarbeit
Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, für die Bediensteten der Einwanderungs und Sicherheitsbehörden spezielle Aus und Fortbildungsmaßnahmen zur Verhütung von Schleusungskriminalität sowie für den Umgang mit Migranten vorzusehen.
Um einen bestimmten Qualitätsstandard bei der Aus- und Fortbildung und im Umgang mit Migranten zu erreichen, verpflichtet Absatz 2 die Vertragsstaaten nicht nur zur gegenseitigen Zusammenarbeit, sondern gegebenenfalls auch zur Zusammenarbeit z.B. mit internationalen Behörden und nichtstaatlichen Organisationen. Mit dieser Vorschrift soll die zur wirksamen Bekämpfung der Schleusungskriminalität erforderliche große fachliche Kompetenz durch intensive Aus und Fortbildungsmaßnahmen auf ein einheitlich hohes Niveau gebracht werden. Unter den Buchstaben a bis e sind die Regelungsinhalte im Einzelnen aufgeführt, darunter auch Ausbildungsmaßnahmen über die humane Behandlung von Migranten und den Schutz ihrer Rechte nach diesem Protokoll.
Absatz 3 appelliert an die Staaten, die bereits Erfahrungen bei der Bekämpfung der Schleusungskriminalität besitzen (i. d. R. die Zielstaaten unkontrollierter Migration), den Herkunfts und Transitstaaten unkontrollierter Migration technische Ausstattungshilfe zu gewähren. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Bemühens" bzw. Erwägens"Verpflichtung. Artikel 14 enthält keine verbindliche rechtliche Regelung, konkrete in der Höhe bezifferbare Leistungen zu erbringen. Mögliche künftige Leistungen sind im Haushaltsverfahren zu behandeln.
Zu Artikel 15 Sonstige Verhütungsmaßnahmen
Nach Artikel 15 sollen die Vertragsstaaten öffentlichkeitswirksame Aufklärungsmaßnahmen im Sinne einer gezielten Präventionsstrategie ergreifen. Der Bevölkerung soll die kriminelle Energie der Schleusungskriminalität und ihre zunehmende Affinität zur organisierten Kriminalität verdeutlicht werden. ein weiteres Ziel besteht darin, potenzielle Migranten auf die erheblichen Risiken hinzuweisen, die sich aus einer Zusammenarbeit mit Schleuserorganisationen ergeben können. Durch diese Aufklärungsmaßnahmen und entsprechende Zusammenarbeit der Vertragsparteien sollen potenzielle Migranten dazu bewogen werden, von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen. Des Weiteren sollen die Vertragsstaaten auch Maßnahmen fördern, um die Ursachen der Schleusungskriminalität wie Armut und Unterentwicklung zu beseitigen.
Zu Artikel 16 Schutz und Hilfsmaßnahmen
Artikel 16 schreibt vor, dass die Vertragsparteien bei der Anwendung des Protokolls Maßnahmen erforderlichenfalls auch gesetzliche Maßnahmen ergreifen, um die Rechte von Personen, welche Gegenstand einer Straftat im Sinne von Artikel 6 waren, zu schützen, insbesondere das Recht auf Leben und den Schutz vor Folter oder sonstiger grausamer, unmenschlicher oder herabsetzender Behandlung oder Bestrafung. Absatz 2 verpflichtet die Staaten zum Ergreifen angemessener Maßnahmen zum Schutz von Migranten vor Gewalt, die ihnen als Opfer von Schleusung drohen kann, durch dritte Personen. Geschleuste Personen, deren Leben oder Sicherheit durch die Schleusung in Gefahr geraten ist, sollen geeignete Hilfe erhalten. Hieraus lässt sich jedoch durch den Betroffenen kein Rechtsanspruch auf einen Aufenthaltstitel herleiten. Bei allen Maßnahmen nach Artikel 16 sollen die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern Berücksichtigung finden. Für den Fall einer Verhaftung von Migranten im Zusammenhang mit einer Straftat nach Artikel 6 verweist Absatz 5 auf die Verpflichtungen des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen und insbesondere das Recht der betroffenen Personen auf unverzügliche Belehrung über die Kontaktaufnahme zu den für sie zuständigen Konsularbeamten. Gleichwohl hat eine Benachrichtigung des zuständigen Konsularbeamten nur auf Verlangen des Betroffenen zu erfolgen (vgl. Artikel 36b des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen).
Zu Artikel 17 Übereinkünfte
Zur wirksamen Bekämpfung der Schleusungskriminalität sollen die Vertragsstaaten zum Abschluss bilateraler und regional begrenzter Übereinkünfte oder Vereinbarungen angehalten werden, die zur Umsetzung und Optimierung der Regelungen dieses Protokolls beitragen.
Zu Artikel 18 Rückführung geschleuster Migranten
Absatz 1 verpflichtet die Vertragsstaaten, sowohl eigene als auch fremde Staatsangehörige, die zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr ein Daueraufenthaltsrecht besitzen, in angemessener Zeit zurückzunehmen. Der Begriff des Daueraufenthaltsrechts" meint längerfristige, aber nicht notwendig zeitlich völlig unbegrenzte Aufenthaltserlaubnisse und beeinträchtigt nicht das Recht der Staaten, die Laufzeit der von ihnen gewährten Aufenthaltstitel frei zu bestimmen.
Absatz 2 ergänzt Absatz 1 im Hinblick auf solche Personen, die zum Zeitpunkt der Einreise in das Zielland ein Daueraufenthaltsrecht in ihrem Ursprungsland hatten, dieses aber vor dem Zeitpunkt der Rückkehr verloren haben. Hier sind die Herkunftsstaaten verpflichtet, die Möglichkeit der Rücknahme in Erwägung zu ziehen. Die besondere Fallgruppe, dass ein geschleuster Migrant nach der Einreise auch seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit verloren hat, ist wegen der damit verbundenen komplexen Rechtsfragen des Staatsangehörigkeitsrechts, die nicht in den Kontext dieses Protokolls gehören, hier nicht geregelt worden. Der Verzicht auf eine gesonderte Regelung erfolgte in der Annahme, dass Staaten ihren Staatsangehörigen diesen Status nicht im Widerspruch zum Völkerrecht entziehen.
Die Absätze 5 bis 7 enthalten Einzelbestimmungen über den Ablauf und die Bedingungen einer Rückführung geschleuster Migranten. Absatz 8 stellt klar, dass sonstige Verabredungen oder Vereinbarungen einzelner oder mehrerer Vertragsparteien untereinander oder mit dritten Staaten über die Rückführung illegaler Migranten von diesen Bestimmungen nicht berührt werden.
Zu Artikel 19 Vorbehaltsklauseln
Mit der Nichtberührensklausel in Absatz 1 soll klargestellt werden, dass die Bestimmungen des Protokolls die sonstigen Verpflichtungen der Vertragsparteien nach dem Völkerrecht sowie sonstigen völkerrechtlichen Bindungen nicht verkürzen oder verändern. Insbesondere die Rechtsstellung der Flüchtlinge wird durch das Protokoll nicht berührt. Das gilt für die Vertragsparteien des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 und ggf. des Protokolls von 1967 auch hinsichtlich des darin enthaltenen Grundsatzes der Nichtzurückweisung.
Die Auslegungsregel des Absatz e s 2 soll die Opfer von Schleusung vor Diskriminierung aufgrund der Tatsache, dass sie Opfer einer Straftat nach diesem Protokoll geworden sind, schützen.
Zu Artikel 20 Beilegung von Streitigkeiten
Die Streitbeilegungsklausel entspricht dem des Übereinkommens und folgt einem international üblichen Muster.
Zu Artikel 21 Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt
Artikel 21 enthält die üblichen völkerrechtlichen Regelungen über Unterzeichnung und Ratifikation bzw. Annahme oder Beitritt. Die Absätze 2 bis 4 enthalten Sonderregelungen zugunsten von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die in derselben Weise Vertragspartei werden können, sofern mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei geworden ist. In ihrer Ratifikations oder Beitrittsurkunde muss eine solche Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf das Protokoll erläutern.
Zu Artikel 22 Inkrafttreten
Für das Inkrafttreten des Protokolls ist dieselbe Zahl von Vertragsparteien erforderlich wie bei dem Übereinkommen und den beiden Zusatzprotokollen gegen den Menschenhandel und zur Bekämpfung der unerlaubten Herstellung und des unerlaubten Handels mit Feuerwaffen.
Zu Artikel 23 Änderung
Änderungen können frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des Protokolls vorgeschlagen werden. Die Entscheidung über eine Vertragsänderung obliegt den üblichen Grundsätzen des Vertragsrechts entsprechend den Vertragsparteien, die darüber im Rahmen der Konferenz der Vertragsstaaten nach Artikel 32 des Übereinkommens beraten. Die Stimmrechtsregelung für Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration in Absatz 2 entspricht der des Übereinkommens. Änderungen binden wie üblich nur diejenigen Vertragsparteien, die eine entsprechende Ratifikations, Annahme oder Genehmigungsurkunde hinterlegt haben.
Zu Artikel 24 Kündigung
Zur üblichen Vorschrift über die Kündigung tritt eine Sonderregelung über Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration hinzu, die spiegelbildlich der Vorschrift über den Beitritt einer solchen Organisation (Artikel 21 Abs. 4) entspricht. Danach hört eine solche Organisation automatisch auf, Vertragspartei zu sein, wenn keiner ihrer Mitgliedstaaten mehr Vertragspartei ist.
Zu Artikel 25 Verwahrer und Sprachen
Die Regelungen über den Verwahrer und die Sprachenklausel folgen der üblichen Praxis bei Übereinkommen der Vereinten Nationen.