Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Gemeinsame Aktion 2004/570/GASP des Rates vom 12. Juli 2004 über die militärische Operation der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina,
- - unter Hinweis auf Artikel 21 des Vertrags über die Europäische Union,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. April 2002 zur gegenwärtigen Situation der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) und zu den Beziehungen zwischen der Union und der NATO2,
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (wichtigste Aspekte und grundlegende Entscheidungen), insbesondere die Entschließungen vom 26. September 20033 und vom 23. Oktober 20034,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. März 2003 zu der Operation in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien im Rahmen der ESVP5,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. April 2003 zu der neuen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur6,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
- A. unter Hinweis auf die genannte Gemeinsame Aktion des Rates vom 12. Juli 2004 und die vom Europäischen Rat angekündigte ESVP-Mission mit dem Kodenamen "Althea" in Bosnien und Herzegowina, bei der es sich um die erste größere militärische Operation der Europäischen Union mit schätzungsweise 7 000 Armeeangehörigen im Vergleich zu den kleineren früheren Missionen "Concordia" (mit schätzungsweise 350 Armeeangehörigen) in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und "Artemis" (mit schätzungsweise 1 400 Armeeangehörigen) in der Demokratischen Republik Kongo handelt,
- B. in der Erwägung, dass bei jedem Einsatz der Europäischen Union, der auf die Anwendung von Gewalt über die Funktionen der derzeitigen Polizeimission der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina hinaus zurückgreifen kann, eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit und allerhöchste Standards demokratischer Legitimität angestrebt werden sollten,
- C. unter Hinweis auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates Nr. 1551 vom 9. Juli 2004, in der die Parteien daran erinnert werden, dass sie sich verpflichtet haben, mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien voll zusammenzuarbeiten und alle Personen, gegen die der Gerichtshof Anklage erhoben hat, dem Gerichtshof zu überstellen,
- D. unter Hinweis auf die Unterstützung des UN-Sicherheitsrates für diese Missions, die bis Ende des Jahres 2004 die meisten Aufgaben übernimmt, die derzeit von der NATO-Operation SFOR (Stabilisation Force) wahrgenommen werden,
- E. in der Erwägung, dass die gemeinsamen Kosten der Operation auf 71,7 Mio. Euro geschätzt werden, und dass diese in Übereinstimmung mit Artikel 28 Absatz 3 des EU-Vertrags direkt den Mitgliedstaaten angelastet und von "ATHENA", dem mit dem Beschluss 2004/197/GASP des Rates vom 23. Februar 20042 geschaffenen Mechanismus, verwaltet werden,
- F. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage in Bosnien und Herzegowina seit dem Ende des Krieges 1995 erheblich verbessert hat, dass die Sicherheit im Land jedoch noch in einigen Bereichen bedroht ist, die der Aufmerksamkeit bedürfen, was insbesondere für die Bedrohungen gilt, die vom organisierten Verbrechen und von der Korruption, dem internationalen Terrorismus, zivilen Unruhen und ethnischen Spannungen ausgehen,
- G. unter Hinweis darauf, dass der gegenwärtig fragile institutionelle Rahmen, der das Ergebnis der Abkommen von Dayton aus dem Jahre 1995 war, es dem Staat Bosnien und Herzegowina nicht ermöglicht, die genannten Bedrohungen wirksam und erfolgreich zu bewältigen,
- H. ferner mit der Feststellung, dass Hunderttausende Flüchtlinge noch nicht zurückkehren konnten, u.a. weil große Teile des Gebiets durch Landminen - sowohl Antipersonenminen als auch Antifahrzeugminen - verseucht und daher in höchstem Maße unsicher sind; ferner unter Hinweis darauf, dass die Minenräumung eine entscheidende Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität, insbesondere in Bezug auf Tourismus, und Landwirtschaft, darstellt,
- I. mit der nachdrücklichen Empfehlung, neben formellen Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit ein Friedensabkommen zwischen Bosnien und Herzegowina und seinen Nachbarländern abzuschließen, mit dem die Abkommen von Dayton revidiert werden und gegenseitiges Vertrauen geschaffen wird, bevor Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft aufgenommen werden; mit der Feststellung, dass die Friedensabkommen durch eine internationale Konferenz vorbereitet werden können, an der alle Länder der Region, die EU-Mitgliedstaaten, die Vereinten Nationen und die Vereinigten Staaten teilnehmen,
- J. mit der Feststellung, dass die von der NATO geleitete Stabilisierungstruppe (SFOR) eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit in Bosnien und Herzegowina gespielt und dazu beigetragen hat, eine anhaltende Stabilität zu gewährleisten und einen erneuten Ausbruch der Gewalt abzuwenden,
- K. in der Erwägung, dass die NATO ein Hauptquartier in Sarajewo behalten wird, mit ungefähr 250 militärischen und zivilen Mitarbeitern, deren Hauptaufgabe darin bestehen
- wird, den Dialog der NATO mit Bosnien und Herzegowina über die Verteidigungsreform fortzuführen, gemeinsame Verantwortung mit der Europäischen Union für Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Suche nach unter Anklage stehenden Kriegsverbrechern zu übernehmen; unter Hinweis darauf, dass die Ergreifung und gerichtliche Verfolgung von angeklagten Kriegsverbrechern die Glaubwürdigkeit der Völkergemeinschaft, der NATO und letztendlich der Europäischen Union auf die Probe stellen und eine Grundvoraussetzung für die weitere Aussöhnung darstellen,
- L. unter Hinweis darauf, dass die Stabilisierung von Bosnien und Herzegowina für die Stabilität der gesamten Region von außerordentlich großer Bedeutung ist und die Stärkung seiner Institutionen entscheidend zur Lösung der anhaltenden Probleme im Zusammenhang mit den Institutionen und der Eigenstaatlichkeit der Nachbarländer beitragen könnte,
-
- 1. begrüßt die neue koordinierte und kohärente Vorgehensweise der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina, die eine umfassende Strategie für Bosnien und Herzegowinas beinhaltet, ein neues Mandat für den EU-Sonderbeauftragten2, die zivilen Aspekte wie den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) und die Unterstützung der Gemeinschaft für die Programme zum Wiederaufbau, zur Entwicklung und zur Stabilisierung (CARDs), die Polizeimission der Europäischen Union3 sowie die künftige militärische Stabilisierungstruppe "Althea";
- 2. appelliert an die Regierung von Bosnien und Herzegowina, die militärische Operation "Althea" der Europäischen Union aufzufordern, die jüngsten Fortschritte der Behörden Bosnien und Herzegowinas zu unterstreichen;
- 3. bedauert erneut, dass das Europäische Parlament nicht einbezogen wurde, dass der Vertrag das Recht des Parlaments, konsultiert zu werden, beschneidet und Informationen nur eingeschränkt erteilt werden; bedauert ebenfalls den Beschluss, diese Mission durch Beiträge außerhalb des ordentlichen Haushaltsplans der Europäischen Union zu finanzieren;
- 4. schlägt vor, dass die Europäische Union einen Beitrag zu den operationellen Kosten von Althea in Form von monatlichen Pauschalerstattungen gemäß den von der UNO und der OSZE angenommenen Leitlinien leistet, wobei insbesondere ein Teil der Tagegelder des Personals aus dem Haushalt der Europäischen Union bestritten werden soll;
- 5. vertritt die Auffassung, dass die Operation "Althea" die umfassende Vorgehensweise der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina stärken und die Fortschritte dieses Landes auf dem Wege zu einer eventuellen Mitgliedschaft in der Europäischen Union unterstützen sollte; begrüßt ebenfalls die entsprechenden Erklärungen, wonach mit dieser Maßnahme die Absicht verfolgt werden soll, die lokale Polizeikapazität zu stärken und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu intensivieren, wobei die Verantwortung für die Sicherheit nach und nach den Behörden vor Ort übertragen werden soll;
- 6. unterstützt den "Stabilisierungsha und Assoziierungsprozess" in Bosnien und Herzegowina, der einen unerlässlichen Rahmen für dieses Land auf seinem Weg in die Europäische Union darstellt; begrüßt das neue Mandat des EU-Sonderbeauftragten, Lord Ashdown, das umfassende Unterstützungspaket für Bosnien und Herzegowina umzusetzen, weist jedoch erneut darauf hin, dass Bosnien und Herzegowina sich in Bezug auf die europäische Integration im Wesentlichen auf seine eigenen Anstrengungen verlassen muss;
- 7. begrüßt die Entscheidung der Europäischen Union, auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten für die "Althea"-Mission zurückzugreifen und in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen zu bekräftigen und das Abkommen vom Dezember 2002 über den Zugang der Europäischen Union zu NATO-Planungs- und Führungskapazitäten ("Berlin Plus") umzusetzen;
- 8. befürwortet eine möglichst enge Zusammenarbeit zwischen der Stabilisierungstruppe der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina und der Restpräsenz der NATO in diesem Land, um eine klare Abgrenzung der Rollen und Verantwortungen zwischen beiden Organisationen zu gewährleisten;
- 9. begrüßt die Aufrechterhaltung der NATO-Präsenz in Bosnien sowie eines eigenen NATO-Hauptquartiers in Sarajewo im Rahmen des NATO-Programms "Partnerschaft für den Frieden"; vertritt aber mit Nachdruck die Ansicht, dass der Europäischen Union nicht nur die Verantwortung für die Friedensmission, sondern auch für Operationen zur Bekämpfung des Terrorismus und die Ergreifung von Kriegsverbrechern an die Europäische Union übertragen werden sollte;
- 10. empfiehlt dein EU-Sonderbeauftragten (EUSR), nicht nur eng mit dem EU-Befehlshaber der Streitkräfte zusammenzuarbeiten, sondern ebenfalls die Vertretung der NATO zur EUSR-Koordinierungsgruppe einzuladen, um. bei sämtlichen Aktivitäten der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina Koordinierung und Kohärenz zu gewährleisten;
- 11. begrüßt die Absicht von Drittstaaten, sich an der Militäroperation der Europäischen Union zu beteiligen;
- 12. vertritt die Auffassung, dass diese Operation die kollektive Kapazität für die Planung und Verwaltung von europäischen Militäreinsätzen auf EU-Ebene im Hinblick auf die Entwicklung der zivilen und militärischen EU-Planungszelle weiter vorantreiben sollte; begrüßt die Absicht, militärische Maßnahmen mit anderen Aspekten der Rolle der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina zu verknüpfen, einschließlich Polizeiarbeit, Entwicklung und Ausbildung;
- 13. fordert für die Operation "Althea" die Verpflichtung zur Achtung des Gemeinschaftsrechts und des Völkerrechts im Bereich der Menschenrechte;
- 14. erachtet es als wichtig, dass die EU-Truppe eine robuste Komponente vom Typ "Gendarmerie"(Polizei mit militärischem Status) enthält (Integrierte Polizeieinheit), um die Aufgaben wahrzunehmen, für die das Militär generell nicht ausgebildet worden ist, und die normale Polizeikräfte nicht wahrnehmen können, zumal die Polizeimission der Europäischen Union ein Mandat ohne Exekutivaufgaben hat, wonach sie nur beraten und die Entwicklungen beobachten kann; betont in diesem Zusammenhang, wie wichtig es ist, die Bemühungen zur Schaffung einer lokalen, multiethnischen Polizeieinheit, die das Vertrauen aller Gemeinschaften im Land genießt, voranzutreiben;
- 15. fordert die Militär- und Polizeikräfte der Europäischen Union sowie die Zivilbehörden in Bosnien und Herzegowina mit Nachdruck auf, bei der intensiven Suche nach Kriegsverbrechern und der Bekämpfung jeder Form von Terrorismus eng zusammenzuarbeiten;
- 16. empfiehlt den EU-Truppen, die gängige Praxis der SFOR beizubehalten, ein Netz kleiner militärischer Teams einzusetzen, die inmitten der Bevölkerung in "Gästehäusern" leben, um ihr Bewusstsein für die jeweilige Lage vor Ort und ihre abschreckende Präsenz trotz einer Verringerung der Truppenstärke von 12 000 auf 7 000 Mann im Juni 2004 zu behalten;
- 17. erwartet, dass im Hinblick auf eventuell notwendig werdende akute Einsätze aus den Fehlern vergangener Einsätze am Balkan, insbesondere im Kosovo im März 2004, die Konsequenzen gezogen werden und es eine klare Organisation und Koordinierungsplanung für solche Einsätze gibt;
- 18. unterstreicht die Bedeutung einer klaren und deutlichen Aufteilung der Zuständigkeiten in der 0Befehlskette zwischen dem Befehlshaber der Truppen der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina und dem Operationskommandeur der EU, dem DSACEUR (stellvertretender Oberbefehlshaber) im SHAPE; begrüßt die Einrichtung eines EU-Kommandoelements im regionalen Hauptquartier der NATO in Neapel, Italien;
- 19. fordert im Hinblick auf die eher integrierten und koordinierten zivilen und militärischen Aspekte der Operation "Althea", vom EU-Sonderbeauftragten über die aktuelle Sachlage informiert zu werden, sowie regelmäßig vom Vorsitzenden des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees unterrichtet zu werden, der die politische und strategische Leitung der militärischen Operation der Europäischen Union innehat;
- 20. weist daraufhin, dass sein Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, um Situationen wie jene im Kosovo im März 2004 zu verhindern, über die voraussichtliche Form der Beschlussfassung unter den verschiedenen EU-Organen im Falle spontaner Gewaltausbrüche informiert werden will; ersucht den Rat um spezifische Informationen über die "Einsatzkapazität" und die "Einsatzregeln" für die Operation "Althea";
- 21. hofft, dass die Einrichtung einer zivilen und militärischen Planungszelle der Europäischen Union bei der Analyse und den Schlussfolgerungen aus der Operation "Althea" ein wichtiger Schritt nach vorne sein wird, damit die Europäische Union zivile und militärische Krisen künftig effizient bewältigen kann;
- 22. fordert eine Koordinierung im Bereich der Nachrichtendienste und empfiehlt die Schaffung eines spezifischen Mechanismus, mit dem der Informationsfluss zwischen EU, NATO, den Vereinigten Staaten und anderen Akteuren in der Region im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens ethnischer Spannungen koordiniert werden soll;
- 23. fordert den Rat auf, die Rolle der Überwachungsmission der Europäischen Union in Bosnien und Herzegowina festzulegen und aufzuwerten, um sie den Gegebenheiten anzupassen;
- 24. begrüßt, dass die Operation nach sechs Monaten analysiert wird und fordert den EU-Sonderbeauftragten und den Vorsitzenden des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees auf, dem Parlament eine Erklärung zu dieser Bilanz vorzulegen; unterstreicht, dass das Europäische Parlament regelmäßige Fortschrittsberichte über die Entwicklung der Operation erhalten muss;
- 25. fordert seine Konferenz der Präsidenten auf, dem zuständigen Ausschuss die Genehmigung zu erteilen, eine Untersuchungskommission nach Bosnien und Herzegowina zu entsenden, damit die Fortschritte bewertet werden können;
- 26. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten und Drittstaaten sowie den Parlamenten und Regierungen von Bosnien und Herzegowina zu übermitteln.