Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 313128 - vom 30. November 2004. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 28. Oktober 2004 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Iran
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Iran und seinen Beschluss vom 10. März 20041, eine Interparlamentarische Delegation für die Beziehungen zu Iran zu bilden,
- - Meinungs- und Redefreiheit, Ambeyi Ligabo, am 12. Januar 2004 vorgelegten Berichts,
- - in Kenntnis des Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und dem Iran, insbesondere der vierten Runde des Dialogs, die am 14. und 15. Juni 2004 in Teheran stattfand, in der sich die iranische Regierung verpflichtete, sich um eine stärkere Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu bemühen,
- - in Kenntnis der EU-Leitlinien für Menschenrechtsdialoge,
- - Auswärtige Beziehungen" vom 11. Oktober 2004,
- - Konvention über die Rechte des Kindes, deren Vertragspartei der Iran ist,
- - unter Hinweis darauf, dass der Iran nach wie vor dem Übereinkommen zur Beseitigung jeglicher Formen der Diskriminierung der Frau nicht beigetreten ist, und dass das neue Parlament den Gesetzesentwurf über die Gleichstellung der Geschlechter abgelehnt hat,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Lage im Iran im Hinblick auf die Ausübung grundlegender Bürgerrechte und politischer Freiheitsrechte seit den Parlamentswahlen vom Februar 2004 trotz der Zusicherungen der iranischen Regierung, diese universellen Werte zu fördern, verschlechtert hat,
B. in Sorge angesichts immer häufigerer Berichte über Exekutionen, die unter Missachtung international anerkannter Schutzgarantien durchgeführt worden seien, einschließlich Exekutionen von jugendlichen Straftätern,
C. besorgt darüber, dass in den jüngsten Monaten die Angriffe gegen die Pressefreiheit im Iran zugenommen haben,
D. unter Hinweis darauf, dass laut Angaben des UN-Sonderberichterstatters bereits vor einem Jahr die Zahl der verhinderten Publikationen und der wegen friedlicher Meinungsäußerung festgenommenen, verfolgten und verurteilten Menschen beträchtlich zugenommen hatte,
E. in Kenntnis von Berichten, wonach der Nationale Sicherheitsrat und die Staatsanwaltschaft zunehmend bei den Presseorganen direkt intervenieren, um den Inhalt der Nachrichtenberichterstattung zu beeinflussen, und wonach in den Provinzen Journalisten unter Androhung von Gefängnis gezwungen wurden, in einer bestimmten Art und Weise zu berichten,
F. besonders besorgt angesichts der jüngsten Festnahmen von Journalisten, die für elektronische Medien tätig sind, von denen acht nach wie vor inhaftiert sind: Omid Memarian, Masoud Ghoreyshi, Javad Gholam Tamayomi, Reza Vatanikhah, Mehdi Derayati, Hanif Mazrooi, Shahram Rafihzadeh, Rozbeh Mir Ebrahimi,
G. in Sorge angesichts von Berichten, wonach unter Verstoß gegen iranisches Recht und gegen Völkerrecht die gegen diese bestehenden Hauptanklagepunkte immer noch nicht bekannt gegeben wurden, der Ort ihrer Inhaftierung weiterhin unbekannt ist und ihnen das Recht, Anwälte und Familienmitglieder zu empfangen, verweigert wurde,
H. unter Hinweis auf Berichte, wonach die iranischen Behörden zunehmend Internetseiten filtern und den Zugang zu mehreren Dutzend Online-Veröffentlichungen und politischen, sozialen oder kulturellen "Weblogs" blockieren; ferner in der Erwägung, dass die iranischen Organe, indem sie die freie Nutzung des Internets unterdrücken, den einzig verbleibenden Zugang der iranischen Öffentlichkeit zu unzensierten Informationen verschließen,
I. unter Hinweis auf die fortdauernde Inhaftierung anderer Journalisten allein wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung, insbesondere von Akbar Ganji, Hassan Yussefi Eshkevari, Hossein Ghazian, Abbas Abdi, Reza Alidjani, Taghi Rahmani, Hoda Rezazadeh-Saber, Iraj Jamshidi und Ensalfali Hedayat,
J. in der Erwägung, dass Zahra Kazemi, eine kanadischiranische freiberufliche Fotografin, am 23. Juni 2003 beim Fotografieren außerhalb des Evin-Gefängnisses in Teheran festgenommen wurde und am 10. Juli 2003 an einer Hirnblutung infolge von Schlägen starb,
K. in der Erwägung, dass gegen den Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Emadeddin Baghi ein Reiseverbot verhängt wurde, sodass er den Iran nicht verlassen und nicht an Menschenrechtstagungen in Europa, Kanada und den Vereinigten Staaten teilnehmen konnte, wo er einen Preis in Anerkennung seines Mutes im Kampf gegen das Unrecht erhalten sollte,
L. unter Hervorhebung der Erkenntnisse des UN-Sonderberichterstatters Ambeyi Ligabo, wonach das iranische Presserecht und das Strafgesetzbuch den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen gemäß Artikel 19 Absatz 3 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte nicht entsprechen,
M. bestürzt angesichts der öffentlichen Erhängung des sechzehnjährigen Ateqeh Rajabi vor zwei Monaten und zutiefst besorgt angesichts von Berichten, wonach allein im Jahr 2003 25 Minderjährige zum Tode verurteilt wurden,
N. erfreut über die Klarstellung der iranischen Behörden in Bezug auf den Fall der angeblich zum Tode durch Steinigen verurteilten 13-jährigen Zhila Izadi sowie ihres zu 150 Peitschenhieben verurteilten 15-jährigen Bruders, wonach beide bedingungslos und ohne Weiterverfogung des Falles freigelassen worden seien,
- 1. verurteilt vehement die Exekution von Ateqeh Rajabi und sämtliche weiteren Todesurteile und Exekutionen betreffend minderjährige Straftäter in Iran;
- 2. fordert die iranischen Organe auf, unverzüglich Steinigungen zu unterbinden und jede weitere Anwendung der Todesstrafe auf Minderjährige zu verhindern; bekräftigt seine generelle Ablehnung der Todesstrafe und hofft, dass eine Justizreform in Iran eine Beendigung dieser unmenschlichen Praktik bewirken wird;
- 3. fordert die iranischen Organe auf, ihre Bereitschaft unter Beweis zu stellen, ihr öffentlich erklärtes Moratorium in Bezug auf Steinigungen umzusetzen;
- 4. verurteilt die jüngsten willkürlichen Festnahmen von Journalisten und fordert die Behörden auf, alle wegen presse- und meinungsbezogenen Straftaten verfolgten oder verurteilten Gefangenen freizulassen;
- 5. verurteilt das gegen den Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Emadeddin Baghi und viele andere iranische Bürger verhängte Reiseverbot und fordert die iranischen Behörden nachdrücklich auf, dieses Reiseverbot unverzüglich aufzuheben;
- 6. fordert das iranische Parlament auf, das iranische Presserecht und das Strafgesetzbuch an den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte anzupassen und insbesondere alle strafrechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die friedliche Meinungsäußerung, auch in der Presse, aufzuheben;
- 7. verweist darauf, dass die Sonderberichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission über die Meinungs- und Redefreiheit, die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten und über die Folter erklärt haben, dass das Verfahren gegen den der Tötung von Frau Kazemi beschuldigten iranischen Geheimdienstoffizier, der am 24. Juli 2004 freigesprochen wurde, nicht den internationalen Normen eines fairen Prozesses entsprach, weil wichtige Beweismittel vom Gericht ignoriert wurden;
- 8. fordert den Obersten Gerichtshof der Islamischen Republik Iran auf, die Erklärung der Sonderberichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission über die Meinungs- und Redefreiheit, die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten und über die Folter zur Kenntnis zu nehmen und für öffentliche und faire Prozesse zu sorgen;
- 9. fordert die iranischen Organe nachdrücklich auf, die Bestimmungen des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und die UN-Konvention über die Rechte des Kindes zu beachten, wonach die Todesstrafe nicht gegen Personen verhängt werden darf, die bei Begehen der Straftat noch nicht 18 Jahre alt waren;
- 10. fordert die iranischen Behörden auf, der Praxis der Festnahme von Familienmitgliedern von Journalisten und Reformern Einhalt zu gebieten;
- 11. fordert, dass der Ratsvorsitz und die diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten im Iran umgehend in einer konzertierten Aktion Maßnahmen im Hinblick auf die oben zum Ausdruck gebrachten Besorgnisse und insbesondere im Hinblick auf die unverzügliche Freilassung der Journalisten ergreifen;
- 12. fordert den Rat auf, für die nächste Tagung der Vollversammlung der Vereinten Nationen im Namen der Europäischen Union eine Entschließung zu der Verschlechterung der Menschenrechtssituation im Iran auszuarbeiten;
- 13. gibt der Hoffnung Ausdruck, dass mit der Bildung der Interparlamentarischen Delegation für die Beziehungen zum Iran das Europäische Parlament in konstruktive Diskussionen mit dem iranischen Parlament (Madjlis) und der iranischen Zivilgesellschaft über Menschenrechte und andere Fragen von gemeinsamem Interesse eintreten kann;
- 14. fordert den Rat und die Kommission auf, die Entwicklungen im Iran aufmerksam zu verfolgen und die ernsten Bedenken im Hinblick auf Menschenrechtsmissbräuche im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der Europäischen Union und dem Iran zur Sprache zu bringen;
- 15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, dem Hohen Vertreter für die GASP, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der UN-Menschenrechtskommission, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs der Islamischen Republik Iran und der Regierung und dem Parlament der Islamischen Republik Iran zu übermitteln.