Der Bundesrat hat in seiner 854. Sitzung am 13. Februar 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Ansatz der Kommission für eine Strategie für den Umgang mit invasiven Arten wird - insbesondere vor dem Hintergrund der aktuell auftretenden Probleme im Bereich der Landwirtschaft mit der beifußblättrigen Ambrosie und im Bereich des Gartenbaus mit diversen neuen pilzlichen bzw. bakteriellen Schädlingen oder Holz zerstörenden Insekten wie dem Asiatischen Laubholz-Bockkäfer - befürwortet. Die Praxis hat gezeigt, dass solche Arten bei realistischer Betrachtung nicht mehr aus den neubesiedelten Gebieten zu entfernen sind. Um die Einwanderung invasiver Arten bereits im Vorfeld zu verhindern oder wenigstens zu behindern, ist ein abgestimmtes europäisches Vorgehen dringend erforderlich.
- 2. Nach Auffassung des Bundesrates beschreibt die Mitteilung der Kommission allerdings weder die Ausgangslage bei den invasiven Arten hinreichend konkret, noch gibt sie die Zielrichtung der Initiative so vor, dass eine fundierte Risikoabschätzung, die Entwicklung möglicher Lösungsansätze sowie Kostenschätzungen für deren Umsetzung vorgenommen werden können. Die der gesamten Strategie zu Grunde liegende Definition der invasiven Art und damit der Umfang der von der Strategie betroffenen Arten werden lediglich in einer Fußnote zu Abschnitt 1 angesprochen, obwohl gerade diese Frage wissenschaftlich äußerst kontrovers diskutiert wird. Auch die Begriffe "nichtheimische Art" und "gebietsfremde Art" sollten klar definiert werden, wobei die Begriffe inhaltlich voneinander abzugrenzen sind.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass längst nicht alle invasiven Arten das beschriebene Gefährdungspotenzial aufweisen, sondern viele Arten vielmehr durch langjährige Ansiedelung und Kultivierung mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Wirtschaft geworden sind. Überdies erfordert der Klimawandel eine ausreichende Flexibilität bei der Beurteilung und Verwendung der an diese Verhältnisse angepassten Arten. Die nach dem "hierarchischen Dreistufenansatz" vorgesehene Bekämpfung und/oder Eindämmung kann für solche Arten nicht das Ziel der EU-Strategie sein.
- 4. Die im Abschnitt 3.4 im dritten Absatz als eine der wirtschaftlich negativ wirkenden invasiven Arten angeführte Weymouths-Kiefer (Pinus strobus) wird nicht als solche Art gesehen, da ihr wesentliche Merkmale einer invasiven Art fehlen. Weder ist sie für expansive Eigenschaften noch für unkontrollierte Naturverjüngung oder Ausbreitungsdynamik bekannt. Zudem wurde sie nicht eingeschleppt wie viele zweifelsfrei invasive Arten, sondern seit vielen Jahrzehnten in überwiegend sehr bescheidenen Mischungsanteilen planmäßig in die Waldbestände zur Bereicherung und zur Schmuckgrüngewinnung eingebracht, ohne dass größere Zielkonflikte mit dem Naturschutz oder der Forstwirtschaft beobachtet wurden. Diese haben allenfalls lokale Bedeutung.
- 5. Nach Auffassung des Bundesrates zeigt die Mitteilung der Kommission auch nicht hinreichend deutlich auf, dass der Ansatzpunkt der EU-Strategie nicht nur die in diesem Zusammenhang bislang vorrangig diskutierte Bedrohung der biologischen Vielfalt ist, sondern dass vielmehr ein wesentlich weiter reichender Ansatz gewählt wird. So wird die Definition der invasiven Arten auch auf Arten erweitert, deren Ein- und/oder Verschleppung "andere unvorhersehbare Folgen" haben kann. Damit werden insbesondere Fragen des Gesundheitsschutzes und der wirtschaftlichen Folgen ausdrücklich mit einbezogen, die eine differenziertere Betrachtung der angesprochenen Handlungsoptionen notwendig machen, um der Problematik angemessen begegnen zu können.
- 6. Die Bundesregierung wird gebeten, sich im Rahmen weiterer themenbezogener Beratungen auf EU-Ebene für entsprechende Klarstellungen einzusetzen.
- 7. Der Bundesrat hält zur Begegnung der bislang diskutierten Bedrohung der biologischen Vielfalt zum einen die Anpassung bestehender Rechtsnormen im Bereich Tiergesundheit, Pflanzen- und Artenschutz für ausreichend. In den Anpassungsprozess sollen zum anderen aber auch die übrigen sicherheits- und ordnungsrechtlichen Instrumente (z.B. besonderes Sicherheitsrecht im Bereich Gesundheitsschutz, Ressourcenschutz, Wirtschaft, Naturschutz) einbezogen werden. Durch die Differenzierung der Umsetzung wird sichergestellt, dass für die einzelnen Handlungsbereiche (Tiergesundheit, Pflanzenschutz, Gesundheitsschutz etc.) im Rahmen der normativ vorgegebenen Zielsetzung eines Regelungsbereichs adäquate Instrumente implementiert bleiben können.
- 8. Nach Auffassung des Bundesrates begegnet auch deshalb die politische Option B+ rechtssystematischen Bedenken, weil nach dem Gesamtkontext der Mitteilung der Kommission mit dieser Option das Ziel verfolgt wird, geltende Pflanzenschutz-/Tiergesundheitsvorschriften in ihrer Zielsetzung und Anwendbarkeit auch auf die neu hinzukommenden Regelungsmaterien wie Gesundheitsschutz und wirtschaftliche Fragen auszudehnen.
- 9. Zu den in Punkt 6 "Politische Optionen" aufgeführten Möglichkeiten stellt der Bundesrat ferner fest, dass zusätzliche Verwaltungsstrukturen und neue Rechtsinstrumente vermieden werden sollten, und hält diese gerade unter Subsidiaritätsgesichtspunkten nicht für erforderlich und gerechtfertigt. Die Option C "Umfassendes spezifisches EU-Rechtsinstrument" ist in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen, da bereits vielfältige diesbezügliche Regelwerke vorliegen, die direkt oder über Bundes- bzw. Landesrecht umgesetzt werden. Die Schaffung eines neuen globalen EU-Rechtsinstruments würde Überschneidungen hervorrufen und Praxis und Verwaltung blockieren. Auch die Errichtung einer neuen Agentur ist abzulehnen, da entsprechende Aufgaben sinnvoller durch die bereits existierenden Einrichtungen gelöst werden könnten.
- 10. Bei der Auswahl einer EU-Strategie für den Umgang mit invasiven Arten sollte beachtet werden, dass bereits bestehende EU-Förderinstrumente genutzt werden können. Weiterhin sollte das Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeschöpft werden. Schließlich sollten auch der private Sektor und Versicherungen eingebunden werden.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den Beratungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass zusätzliche finanzielle Belastungen der Länder durch die in der Mitteilung der Kommission dargelegte künftige Strategie für den Umgang mit invasiven Arten vermieden werden.