Der Bundesrat hat in seiner 854. Sitzung am 13. Februar 2009 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich das Engagement auf Gemeinschaftsebene für seltene Erkrankungen, das zur Aufklärung über die Belange und die oft schwierigen Lebenssituationen von betroffenen Menschen mit seltenen Erkrankungen und ihren Angehörigen einen wichtigen Beitrag leisten kann. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass der Mitbestimmung der Betroffenen und ihrer Verbände bei der Entwicklung und Umsetzung einer Gemeinschaftsstrategie hohe Bedeutung zukommt.
- 2. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, Synergie-Effekte - z.B. zwischen dem 7. Forschungsrahmenprogramm und dem Gesundheitsaktionsprogramm 2008 bis 2013 - anzustreben. Auch wäre zu prüfen, inwiefern im Rahmen der mit einer Milliarde Euro aus dem EU-Haushalt geförderten Public-Private-Partnership "Innovative Medicines Initiative" (IMI) bislang vernachlässigte Aspekte der Arzneimittelforschung zu seltenen Erkrankungen aufgegriffen werden könnten.
- 3. Europäische Referenznetzwerke können im Hinblick auf die Kooperation von Expertinnen und Experten im Bereich seltener Erkrankungen und die wechselseitige Hilfe bei Diagnose und Therapie, aber auch im Rahmen der Aus- und Weiterbildung großen europäischen Mehrwert erbringen. Da Patienten in der Regel vorzugsweise in der Nähe ihrer Angehörigen und im muttersprachlichen Umfeld behandelt werden möchten, ist dem Wissenstransfer - auch unter Nutzung der Möglichkeiten der Telematik - Vorrang vor einem Patiententransfer zu geben.
- 4. Die Einrichtung von Referenzzentren hat sich an die im EGV gezogenen Grenzen, einschließlich des Artikels 152 EGV, zu halten. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme vom 24. November 2006 zur Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Reaktion auf den Reflexionsprozess auf hoher Ebene über die Patientenmobilität und die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung in der EU hin (vgl. BR-Drucksache 820/06(B) ).
- 5. Der Bundesrat unterstreicht, dass die Verantwortung für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung in vollem Umfang bei den Mitgliedstaaten liegt. Artikel 152 EGV sieht deshalb nur begrenzte Zuständigkeiten der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit vor. Der vorgelegte Vorschlag für eine Empfehlung des Rates trägt dieser Kompetenzverteilung nicht in allen Punkten Rechnung.
- 6. Der Bundesrat sieht unter Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip detaillierte Vorgaben für nationale Pläne kritisch. Dies gilt insbesondere hinsichtlich regelmäßiger Berichtspflichten (Nummer 1 Absatz 3 des Empfehlungsvorschlags), der Bestimmungen über den Aufbau einer flächendeckenden Versorgung (Nummer 1 Absatz 5), der Festschreibungen zur Forschungsförderung (Nummer 3 Absatz 4) sowie der Vorgaben zur Errichtung nationaler oder regionaler Fachzentren (Nummer 4 Absatz 1).
- 7. Für Maßnahmen auf europäischer Ebene zu Fragen der Finanzierung der Patientenversorgung sieht der Bundesrat ebenfalls keinen Raum. Insbesondere mit ihrer Forderung nach nachhaltigen Finanzierungsmechanismen überschreitet die Kommission den ihr zugestandenen Kompetenzrahmen und verletzt die den Mitgliedstaaten zustehende Planungshoheit.
- 8. Gemeinschaftsmaßnahmen sollten im Sinne der Subsidiarität die Aktivitäten der Mitgliedstaaten auf allen Ebenen unterstützen und dabei auf einen echten europäischen Mehrwert sowie eine Begrenzung bzw. Reduzierung des bürokratischen Aufwands bedacht sein. Ein europäischer Mehrwert wird insbesondere in einem Erfahrungsaustausch über gute Beispiele gesehen, zum Beispiel über spezialisierte medizinische, soziale und pädagogische Dienste oder Führungs- und Finanzierungsmodelle für Archive, Datenbanken und Biobanken.
- 9. Neben dem Subsidiaritätsprinzip sind dabei immer die soziokulturellen und sonstigen Unterschiede in den Mitgliedstaaten (zum Beispiel das Gesundheitsversorgungssystem oder ethische Einschätzungen betreffend) zu respektieren.