Der Bundesrat hat in seiner 866. Sitzung am 12. Februar 2010 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in dem Entwurf des gemeinsamen Fortschrittsberichts 2010 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des Arbeitsprogramms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" einen im Vergleich zu früheren Zwischen- bzw. Fortschrittsberichten erheblich gemäßigteren Ansatz bezüglich der Bewertung der Ergebnisse der EU-Bildungskooperation verfolgt, im Gegensatz zum Fortschrittsbericht 2008 auf Forderungen nach nationalen Zielvorgaben oder neuen Instrumenten der europäischen Zusammenarbeit verzichtet und stattdessen im Hinblick auf die weitere Kooperation im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung ausdrücklich auf den im Mai 2009 von den Mitgliedstaaten angenommenen strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit ("ET 2020") Bezug nimmt.
- 2. Der Bundesrat würdigt den durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen des Arbeitsprogramms entstehenden europäischen Mehrwert, der sich insbesondere in Form eines vertieften Informations- und Erfahrungsaustauschs unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sowie unter Beachtung der eng gefassten Unionskompetenzen im Bildungsbereich äußert, und erkennt dessen wichtige Impulsfunktion für die Gestaltung der Bildungspolitiken der Mitgliedstaaten bzw. der Länder in der Bundesrepublik Deutschland an.
- 3. Der Bundesrat betont jedoch, dass solche Impulse auf Grund der Bestimmungen der Artikel 165 und 166 AEUV für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich sind, und betrachtet die deutsche Beteiligung sowohl am Arbeitsprogramm als auch an der darin vereinbarten Berichterstattung nach wie vor als freiwilligen Prozess, der sich auf Grund der vertraglichen Bestimmungen jedweder Vorgabe durch die europäische Ebene entzieht.
- 4. Der Bundesrat erinnert daran, dass auch die auf europäischer Ebene in zunehmendem Maße herausgestellte Bedeutung des Bildungsbereichs innerhalb der Lissabon-Strategie bzw. für die zukünftige EU-Strategie bis 2020 diese Grundsätze nicht in Frage stellen kann.
- 5. Der Bundesrat bedauert die negative Darstellung der im Hinblick auf die europäischen Durchschnittsbezugswerte ("europäische Benchmarks") erzielten Leistungen der Bildungs- und Berufsbildungssysteme in der EU, da während des Berichtszeitraums auch bezüglich der noch nicht vollständig erreichten Durchschnittsbezugswerte zum Teil erhebliche Fortschritte zu verzeichnen sind. Vor dem Hintergrund, dass bezüglich der Lesekompetenz die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Daten aus dem Jahr 2006 stammen und die Ergebnisse der PISA-Studie 2009 erst im Dezember 2010 vorliegen werden, ist die Feststellung der Kommission, wonach die Leistungen bei der Lesekompetenz rückläufig sind, möglicherweise bereits überholt. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang zudem erneut darauf hin, dass effektive Reformen der Bildungs- und Berufsbildungssysteme Zeit benötigen, um ihr volles Potenzial zu entfalten, und sich daher Auswirkungen derartiger Reformen erst allmählich abzeichnen.
- 6. Der Bundesrat mahnt vermehrte Sorgfalt bei der Übersetzung aus der ursprünglichen Sprachfassung an und weist in diesem Zusammenhang insbesondere kritisch darauf hin, dass mehrfach Formulierungen der ursprünglichen Sprachfassung, die lediglich unverbindliche Anregungen enthalten, auf eine Weise übersetzt wurden, die zu Unrecht eine Umsetzungs- bzw. Befolgungspflicht der Mitgliedstaaten vermuten lässt, die im Hinblick auf die Kompetenzverteilung im Bildungsbereich nachdrücklich abzulehnen wäre.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass die Verhandlungen auf EU-Ebene abgeschlossen sind. Der gemeinsame Fortschrittsbericht 2010 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des Arbeitsprogramms "Allgemeine und berufliche Bildung 2010" soll am 15. Februar 2010 vom Bildungsministerrat ohne Aussprache angenommen werden. Der Bundesrat begrüßt, dass die Anliegen der Länder eingeflossen sind.
Der Bundesrat stellt fest, dass der Schwerpunkt der vorgeschlagenen Maßnahmen innerstaatlich in die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf den Gebieten der schulischen Bildung (einschließlich der Lehrerausbildung und der Organisationshoheit für das Bildungssystem) fällt. Er betont daher, dass die Stellungnahme des Bundesrates gemäß § 5 Absatz 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen und die Verhandlungsführung gemäß § 6 Absatz 2 EUZBLG auf die Länder zu übertragen gewesen wäre.
Es ist unerheblich, dass es sich bei der Vorlage nicht um einen Legislativvorschlag, sondern lediglich um eine Mitteilung der Kommission handelt, da gemäß Abschnitt I Nummer 2 der Anlage zu § 9 EUZBLG auch Mitteilungen Vorhaben sind.
Die Mitteilung befasst sich sowohl bei einer quantitativen als auch bei einer qualitativen Bewertung im Schwerpunkt mit schulischer Bildung, Lehrerausbildung und Hochschulbildung. Die Themen berufliche und Erwachsenenbildung sowie lebenslanges Lernen und Hochschulzulassungen nehmen sowohl in der Menge als auch in der Substanz der Vorschläge einen deutlich geringeren Raum ein und bauen zudem teilweise auf den konkreter formulierten Vorschlägen für den schulischen Bereich auf. Der Schwerpunkt des Vorhabens liegt damit eindeutig in der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis der Länder.