Punkt 2 der 865. Sitzung des Bundesrates am 18. Dezember 2009
- 1. Der Bundesrat beschließt, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes zu verlangen.
Begründung
- 2. Die prognostizierten Steuermindereinnahmen durch das Gesetz betragen in der vollen Jahreswirkung knapp 8,5 Mrd. Euro;
Länder und Gemeinden sollen mit über 3,8 Mrd. Euro belastet werden. Nach der aktuellen Steuerschätzung müssen die Länder und Kommunen im Jahre 2009 gegenüber dem Vorjahr nahezu doppelt so hohe Rückgänge des Steueraufkommens wie der Bund hinnehmen (Bund: -12,2 Mrd. Euro bzw. -5,1 v.H.;
Länder und Kommunen insgesamt: -22,6 Mrd. Euro bzw. -7,6 v.H.). Eine zusätzliche Schwächung der Einnahmebasis von Ländern und Kommunen durch das Gesetz ist gerade vor dem Hintergrund der neuen Verschuldensregelung des Grundgesetzes nicht hinnehmbar. Im Vermittlungsverfahren ist daher sicher zu stellen, dass die Belastung der Haushalte der Länder und Kommunen durch das Gesetz vermieden wird. Die vorgesehene teilweise Kompensation für die Erhöhung des Kindergeldes reicht nicht aus.
Für die Abschwächung von Maßnahmen, die maßgeblich die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15% im Rahmen der Unternehmensteuerreform gegenfinanzieren sollen, besteht kein Anlass. Die Zinsschranke, die Beschränkung von Verlustverrechnungen und die anteiligen Hinzurechnungen von Miet- und Pachtzinsen bei der Gewerbesteuer dienten dabei in erster Linie der Sicherung des Steueraufkommens und dem Schutz von inländischem Steuersubstrat wie auch der steuerlichen Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung. Eine Aufweichung der Maßnahmen ohne eine zuvor durchgeführte Evaluierung kommt daher nicht nur aus finanziellen Gründen nicht in Betracht.
- 3. Das Gesetz enthält außerdem Maßnahmen, deren unkalkulierbare Haushaltsrisiken nicht hinreichend im Finanzierungstableau abgebildet sind, so dass auch aus diesem Grund eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes zwingend geboten ist. Dies gilt vor allem für die Neuregelungen beim Mantelkauf. Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass Sanierungsklauseln sehr gestaltungsanfällig sind. Dies war einer der Gründe, warum die Vorgängerregelung aufgehoben wurde. Die nunmehr vorgesehene Berücksichtigung von stillen Reserven beim Verlustvortrag schafft zudem einen nicht wünschenswerten Steueranreiz, Firmenzerschlagungen steuerneutral abzuwickeln. Das Gesamtvolumen bestehender Verlustvorträge dürfte heute angesichts der Wirtschaftskrise deutlich über 500 Mrd. € liegen; dieses Volumen zeigt das Risiko für die Steuereinnahmen, das bei einer stärkeren Nutzung von Verlustvorträgen entstehen kann. Selbst wenn durch die gesetzliche Lockerung nur 10% steuerlich nutzbar würden, ergäben sich zusätzliche Steuerausfälle von rund 15 Mrd. €.
Bei der Absenkung der Umsatzsteuer auf Beherbergungsleistungen bestehen - unabhängig von der ordnungspolitischen Einordnung der Einführung eines neuen steuerlichen Subventionstatbestands für ein bestimmtes Gewerbe - große Abgrenzungsprobleme, die auch vom Finanzausschuss des Bundestages nicht ausgeräumt werden konnten. Denn die Regelung macht künftig eine aufwändige und streitanfällige Aufteilung der Entgelte auf einzelne Leistungsbestandteile erforderlich.
Das Gesetz wirft aber auch erhebliche verfassungsrechtliche Probleme auf, die in für die Länder Existenz bedrohende Steuermindereinnahmen umschlagen können. Vor allem bei der Erbschaftsteuer geht die im Gesetz vorgesehene Verkürzung von Behaltens- und Lohnsummenfristen für das Betriebsvermögen so weit, dass an einer am Gemeinwohl orientierten und damit sachgerechten Privilegierung Zweifel bestehen können. Da sich die Verschonungsregelung insoweit durch eine Überprivilegierung gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt, besteht die Gefahr, dass das Gesetz gerichtlich rückwirkend ohne Übergangsregelung aufgehoben wird, mit der Folge, dass viele Länder große Schwierigkeiten haben werden, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen.
Die geplante Anhebung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrags ist in der vorliegenden Form nicht zustimmungsfähig. Nutznießer einer Erhöhung des Kinderfreibetrags, dessen Anhebung um fast 1.000 € derzeit nicht verfassungsrechtlich erforderlich ist, sind vor allem Besserverdienende und auch die Erhöhung des Kindergeldes kommt bei vielen Familien wegen der Anrechnung zum Beispiel bei Hartz-IV-Empfängern nicht an.
Angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte besteht für die geplanten Steuervergünstigungen und die aufgezeigten Haushaltsrisiken absolut kein Raum. Dies gilt umso mehr, als das Gesetz trotz seiner hohen Einnahmeverzichte auch noch sein Ziel verfehlt, zur Beseitigung der Finanz- und Wirtschaftskrise nachhaltige Wachstumskräfte zu mobilisieren und zur merklichen Konjunkturbelebung beizutragen. Auch der Sachverständigenrat geht davon aus, dass die geplanten massiven Steuersenkungen nicht das Wirtschaftswachstum fördern werden. Er hat sich mit Nachdruck gegen Steuersenkungen ohne solide Gegenfinanzierung ausgesprochen. Eine zukunftsorientierte und generationengerechte Finanzpolitik verlangt den konsequenten Erhalt der notwendigen Einnahmebasis für Bund, Länder und Kommunen