892. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2012
Der federführende Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet darum, das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und die Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung um Regelungen zu ergänzen, die - entsprechend der in der Restrukturierungsfonds-Verordnung geregelten Nachzahlungsverpflichtung - zwingend eine Nachhaftung von nicht geleisteten Ausgleichszahlungen für erhaltene Rekapitalisierungsmittel vorschreiben. Hierdurch sollen insbesondere die Aufwendungen des Staates für Stützungsmaßnahmen verringert und der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen entgegengewirkt werden, die dadurch entsteht, dass einem Institut solche Mittel ohne die Zahlung einer Vergütung zur Verfügung stehen.
2. Zur Eingangsformel
Die Eingangsformel ist wie folgt zu fassen:
"Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:"
Begründung:
Nach Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes bedürfen Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, der Zustimmung des Bundesrates. Das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes, das mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf geändert werden soll, war unter anderem zustimmungspflichtig, weil es in § 14 FMStFG eine Befreiung des Finanzmarktstabilisierungsfonds von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer enthält. Da es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf im Wesentlichen um die Wiedereinsetzung des Finanzmarktstabilisierungsfonds handelt, der nicht ohne die Steuerbefreiung beurteilt werden kann, wirkt die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes für den vorliegenden Gesetzentwurf fort.
3. Zu Artikel 1 Nummer 15 ( § 13 Absatz 2 FMStFG)
In Artikel 1 ist die Nummer 15 wie folgt zu fassen:
"15. § 13 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 Satz 1 und Absatz 1a wird jeweils die Angabe "31. Dezember 2010" durch die Angabe "31. Dezember 2012" ersetzt.
- b) Dem Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
"Stabilisierungsmaßnahmen des Fonds, die nach dem 31. Dezember 2010 in Anspruch genommen wurden und im verbleibenden Schlussergebnis nach Satz 1 enthalten sind, trägt der Bund allein." "
Begründung:
Im Rahmen der Errichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds im Herbst 2008 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, dass sich die Länder zu 35 Prozent - maximal aber mit 7,7 Milliarden Euro - am Ausfallrisiko der Stabilisierungsmaßnahmen beteiligen.
Die Länder haben im Herbst 2008 ein Ausfallrisiko übernommen, das sich aus Maßnahmen der Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMSA) ergeben sollte, die bis Ende des Jahres 2010 ergriffen wurden. Die heute geplante, zeitliche und finanzielle Erweiterung der Ermächtigungen der FMSA ist von der damaligen Entscheidung nicht gedeckt und muss daher neu entschieden werden.
Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Bund durch die FMSA die alleinige Verwaltungs- und Entscheidungskompetenz über Stabilisierungsmaßnahmen hat. Den Ländern steht - abgesehen von dem von ihnen benannten Mitglied des Lenkungsausschusses - kein signifikanter Einfluss zu.
Eine solche Konstellation, in der Bund und Länder haften, der Bund aber die alleinige Entscheidungsbefugnis hat, muss auf die damalige Ausnahmesituation beschränkt bleiben und darf nicht durch wiederholte Übung zur Regel erhoben werden.
Darüber hinaus ist den Ländern - angesichts der Spar- und Konsolidierungszwänge in den öffentlichen Haushalten, die sich insbesondere aus der Befolgung der Schuldenbremsen ergeben - eine weitere Belastung durch neue Garantien und Rekapitalisierungen nicht mehr zuzumuten. Für die Risiken aus neuen Rettungsmaßnahmen muss daher der Bund allein einstehen, nachdem er sich dafür entschieden hat, den Finanzmarktstabilisierungsfonds mit aufgestockten Ermächtigungen als aktuelles Kriseninstrument einzusetzen.
4. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 10 Absatz 1b KWG)
In Artikel 2 Nummer 1 ist § 10 Absatz 1b wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 2 sind am Ende nach dem Wort "abzuwenden" die Wörter ", soweit der Europäische Ausschuss für Systemrisiken auf eine entsprechende Störung oder Gefahr öffentlich hingewiesen hat" einzufügen.
- b) In Satz 5 sind nach dem Wort "können" das Wort "insbesondere" und nach den Wörtern "verlangt werden" die Wörter ", sofern ein entsprechender Beschluss des Europäischen Rates, eine entsprechende Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken oder eine entsprechende Empfehlung der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde vorliegt" zu streichen.
Begründung:
Der Bundesrat hält es für notwendig, die neue Ermächtigung der BaFin in § 10 Absatz 1b KWG in zwei Punkten klarer zu fassen:
zu a)
Mit dem Gesetzentwurf soll die BaFin ermächtigt werden, deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen aufzustellen und zudem bei der Angemessenheit der Eigenmittel eigene Maßstäbe zugrundezulegen, die vom geltenden Recht abweichen. Damit erhalten die Aufseher praktisch die Ermächtigung bis Ende des Jahres 2012, die Eigenkapitalanforderungen ungeachtet des geltenden Rechts festzulegen.
Eine solche Ermächtigung darf die BaFin nach Auffassung des Bundesrats nur bekommen, wenn es sich um eine außergewöhnliche Krisensituation handelt, die entsprechendes Handeln erfordert. Nach der öffentlichen Stellungnahme des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) vom 21. September 2011 gehen die Notenbankchefs der EU-Staaten derzeit von einer entsprechenden, systemischen Risikolage aus. Durch den Hinweis in Satz 2 auf den ESRB wird dokumentiert, dass es sich um eine auf EU-Ebene anerkannte Ausnahmesituation handelt. Gleichzeitig entstehen dadurch höhere Hürden für den Fall, dass in künftigen Krisensituationen eine vergleichbare Ermächtigung erwogen wird.
zu b)
Ebenfalls mit Blick auf die Zukunft hält der Bundesrat es nicht für erforderlich, dass in Satz 5 alternativ verschiedene Entscheidungen auf EU-Ebene ausdrücklich genannt werden, die der BaFin als Grundlage dienen können. In der Formulierung "im Rahmen eines abgestimmten Vorgehens auf Ebene der EU" kommt ausreichend zum Ausdruck, dass die Entscheidung der BaFin auf einem breiten Konsens aus Staats- und Regierungschefs, Zentralbankern sowie Aufsehern beruhen muss. Gleichzeitig muss der BaFin aber ein ausreichender Ermessensspielraum verbleiben, um spezifischen Besonderheiten im Einzelfall Rechnung tragen zu können.
Durch eine zu enge gesetzliche Anbindung der BaFin an die Empfehlungen der EBA in Satz 5 bliebe zudem außer Betracht, dass die Empfehlungen der EBA lediglich unverbindlichen Charakter haben, auch wenn sie - wie beispielsweise im Fall der Stresstests - durch die Reaktion der Finanzmärkte eine starke faktische Bindungswirkung entfalten. Die EU-Rechtsetzungsorgane haben für die EBA ein austariertes Gefüge aus Empfehlungen und verbindlichen Rechtsetzungskompetenzen festgelegt. Dieses Gefüge gilt es beizubehalten.
5. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 10 Absatz 1b Satz 2 ff. KWG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, in welche Schranken die Ermächtigung der BaFin in § 10 Absatz 1b Satz 2 ff. KWG-E gewiesen werden kann, um dem demokratisch unmittelbar legitimierten Gesetzgeber als Entscheidungsorgan Rechnung zu tragen. Die Prüfung sollte sich insbesondere auf Instrumente wie Eigenkapitalkorridore erstrecken.
Begründung:
Der Bundesrat hält die Ermächtigung der BaFin in § 10 Absatz 1b Satz 2 ff. KWG-E für rechtsstaatlich äußerst bedenklich.
Die BaFin soll mit dieser Vorlage - vor dem Eindruck der aktuellen Krise sowie den Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde und des Beschlusses des Europäischen Rats - ermächtigt werden, im Krisenfall - abweichend vom geltenden Recht - höhere Eigenmittel zu fordern, deren Zusammensetzung sie - ebenfalls abweichend vom geltenden Recht - definieren kann.
Für den Bundesrat geht die Ermächtigung über das Ziel hinaus. In der aktuellen außergewöhnlichen Krisensituation ist schnelles Handeln sicherlich geboten. Trotzdem darf sich der Gesetzgeber nicht die Entscheidungsgewalt aus der Hand nehmen lassen.
Ermächtigungen dieser Art mit weitreichenden Eingriffsbefugnissen in die Sphäre der Institute müssen nach dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG) sowie den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie dem Parlament vorbehalten bleiben.
Der Exekutive - sei es Europäische Bankaufsichtsbehörde oder BaFin - darf dementsprechend auch in dieser besonderen Krisensituation nicht die unbegrenzte Entscheidungsbefugnis dafür zufallen, im eigenen Ermessen Eigenkapitalanforderungen aufzustellen, die die geltenden gesetzlichen Regelungen "mit einem Federstrich" überholen. Daran ändert auch die zeitliche Befristung bis Ende 2012 nichts.
Der Bundesrat sieht daher insgesamt dringenden Nachbesserungsbedarf in der Ermächtigung, um dem demokratisch unmittelbar legitimierten Gesetzgeber die Entscheidungskompetenz für die höheren Eigenkapitalanforderungen bei Kreditinstituten zu belassen.