879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Zielsetzung des Verordnungsvorschlags der Kommission, den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr durch einen einheitlichen Zahlungsverkehrsraum zu vereinfachen und dadurch Einsparungen und Vorteile für die europäische Wirtschaft zu ermöglichen,
- 2. und die weiteren Bemühungen der Kommission zur Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums (Single Euro Payments Area - SEPA).
- 3. Der Bundesrat weist allerdings auch darauf hin, dass die beabsichtigte vollständige Umstellung auf den einheitlichen Euro-Zahlungsraum SEPA sowohl im europäischen als auch im nationalen Zahlungsverkehr für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland mit Nachteilen verbunden ist und daher in einigen Punkten kritisch gesehen wird.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den Beratungen des Verordnungsvorschlags dafür auszusprechen, auch die Banken und Zahlungsinstitute zu einer transparenten und praxisgerechten Umstellung der Systeme zu verpflichten. So sollten die Überweisungsträger so transparent gestaltet werden, dass klar zu erkennen ist, wie sich die internationale Bankkontonummer (International Bank Account Number - IBAN) zusammensetzt (alte Kontoangaben, Ländercode und zwei zusätzliche Prüfziffern). Zudem sollten alle Zahlungsdienstleister ein funktionierendes und transparentes Prüfzifferverfahren gewährleisten, das sofort erkennen lässt, ob aufgrund von Zahlendrehern oder anderen Fehlern eine Korrektur der Eingabe erforderlich ist.
- 5. Der Bundesrat erkennt keine zwingende Notwendigkeit, innerstaatliche Zahlungsvorgänge künftig ausschließlich unter Verwendung der IBAN und einer zusätzlichen Bankenkennung (Bank Identifier Code - BIC) durchzuführen. Da grundsätzlich Überweisungsaufträge mit dem Zugang beim Zahlungsdienstleister unwiderruflich werden und Kreditinstitute nicht mehr verpflichtet sind, den Namen des Empfängers mit den Kontodaten abzugleichen, tragen Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Einführung neuer Kennziffern, die deutlich mehr Stellen als die bisher notwendige Kontonummer und Bankleitzahl enthalten, trotz der in der IBAN enthaltenen Prüfziffer ein erhöhtes Fehler- und Kostenrisiko. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass die Kunden weiterhin die Möglichkeit haben sollen, innerstaatliche Zahlungsvorgänge über die bislang in Deutschland vertrauten und verhältnismäßig kurzen Kontonummern und Bankleitzahlen zu beauftragen. Zu diesem Zweck könnte den Banken neben der Angabe der BIC auch die Pflicht zu einer automatischen technischen Umwandlung der bisherigen Kontonummern und Bankleitzahlen in die IBAN übertragen werden.
- 6. Der Bundesrat stellt weiter fest, dass das Einzugsermächtigungsverfahren durch die grundsätzliche Rückbuchbarkeit einen wirkungsvollen Schutz vor unberechtigten Abbuchungen bietet und ein hohes Verbrauchervertrauen genießt. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei der Einführung des SEPA-Lastschriftverfahrens dafür einzusetzen, dass die Möglichkeit der Rückbuchung unberechtigter Zahlungen in angemessener Form erhalten bleibt.
- 7. Der Bundesrat sieht außerdem rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der sich aus dem Verordnungsvorschlag ergebenden Umstellung bestehender Einzugsermächtigungen auf das SEPA-Lastschriftverfahren mit Zahlungsmandat, die durch den Verordnungsvorschlag nicht hinreichend gelöst werden. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass in zahlreichen Fällen die bestehenden Einzugsermächtigungen nicht rechtzeitig umgestellt werden können. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass bei der Umstellung auf SEPA-Lastschriftenverfahren für Verbraucherinnen und Verbraucher einfache und praxisnahe Lösungen geschaffen werden.
- 8. Der Bundesrat sieht vor allem die im Verordnungsvorschlag vorgesehenen Umstellungszeitpunkte für Überweisungs- und für Lastschriftverfahren kritisch. Eine Umstellung auf die SEPA-Verfahren innerhalb von zwölf Monaten (bei Überweisungen) bzw. 24 Monaten (bei Lastschriften) nach Inkrafttreten der Verordnung ist insbesondere für die großen Nutzer von Zahlungsverkehrsverfahren in Deutschland wie die Steuerverwaltung, Kommunen und Unternehmen ein nicht lösbares Unterfangen. Die Nutzer müssen erhebliche finanzielle Mittel einsetzen und ihre Programme, Usancen und Prozesse in großem Stil ändern. Die Umstellungszeiträume sind daher viel zu kurz bemessen und müssen deutlich verlängert werden. Unterschiedliche Umstellungsfristen zwischen Überweisungs- und Lastschriftverfahren führen zudem dazu, dass Unternehmen, die ihren Kunden Überweisungen und Lastschriften als Zahlungsweg anbieten, ihre Systeme nicht auf einmal umstellen können. Das Vorhalten von Parallelsystemen ist den Unternehmen aber nicht zumutbar.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, auf die Festlegung eines gemeinsamen Enddatums für die Umstellung auf EU-weit einheitliche Überweisungen und Lastschriften hinzuwirken. Für diesen Übergang empfiehlt sich eine Frist von 48 Monaten ab Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung sowohl für Überweisungen als auch für Lastschriften. Dies ist aus Sicht des Bundesrates insbesondere deshalb erforderlich, um die mit der Umstellung erhofften Rationalisierungseffekte in größtmöglichem Umfang erzielen sowie die in Deutschland bestehenden Einzugsermächtigungen rechtssicher und praktikabel in SEPA-Lastschriften überführen zu können.
- 10. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Umstellungsfristen vereinheitlicht und auf 48 Monate verlängert werden. Dieser Zeitraum von vier Jahren entspricht dem im Bereich Datenverarbeitung üblichen Investitionszyklus und bietet daher Zeit, um ein reibungsloses Funktionieren sicherzustellen.
- 11. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich auch für eine transparente Ausgestaltung der Gebühren einzusetzen. Bei Rücklastschriften sollte sichergestellt sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nur dann gebühren- bzw. schadensersatzpflichtig sind, wenn sie die Lastschrift unberechtigt bzw. verschuldet verhindert haben.
- 12. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich weiterhin für eine Lösung der Migration der großen Zahl bestehender Einzugsermächtigungen einzusetzen. Im Interesse der großen Nutzer von Zahlungsverkehrsverfahren in Deutschland sollte dabei eine Lösung gefunden werden, die allen Beteiligten der Zahlungsverkehrsverfahren Rechtssicherheit verschafft, den Nutzern die erneute Einholung der Ermächtigung erspart und gleichzeitig in der Praxis leicht handhabbar ist. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher zu prüfen, ob hierfür eine gesetzliche Regelung als Lösung in Betracht kommt. In diese Prüfung sollte die vom Bundesrat in Ziffer 23 der Stellungnahme zum Umsetzungsgesetz zur Zahlungsdienste-Richtlinie (BR-Drucksache 848/08(B) ) vorgeschlagene Änderung des EGBGB einfließen.