- 1. Insoweit, als der von der Kommission vorgelegte Richtlinienvorschlag der Zusammenfassung und Harmonisierung von vier bestehenden EU-Richtlinien zur Luftqualität und der Entscheidung des Rates über den "Austausch von Informationen von Luftqualitätsmessungen" zu einer Richtlinie der flexibleren Verwaltungspraxis und der Aufrechterhaltung des bisherigen hohen Niveaus des Gesundheits- und Umweltschutzes dient, begrüßt der Bundesrat das Anliegen.
- 2. Die Bundesregierung wird gebeten, sich bei den weiteren Diskussionen und Beratungen der Luftqualitätsrichtlinie auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass die Grenzwerte PM10 und PM2.5 nicht parallel vorgeschrieben werden. Die Überwachung von zwei Partikelfraktionen führt zu einem erheblichen, nahezu verdoppelten Messaufwand bei den Ländern, ohne erkennbaren Nutzen für den Umwelt- und Gesundheitsschutz. Die Kosten im Hinblick auf die erwarteten Messwerte sind nicht gerechtfertigt. Die im Vorschlag der EU enthaltene Immissionsobergrenze für PM2,5-Feinstaub von 25 µg/m3 (Jahresmittelwert) sollte daher gestrichen werden. Von der Festsetzung eines PM2,5-Grenzwertes sollte abgesehen werden, solange keine ausreichenden Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen von PM2,5 und über die praktische Erreichbarkeit des Grenzwerts bis 2010 vorliegen. Bei der Festlegung neuer Grenzwerte sollte generell darauf geachtet werden, dass diese wissenschaftlich ermittelt und nachvollziehbar sind. Stattdessen soll zunächst weiterhin die Partikelgröße PM10 überwacht und gemessen werden. Sobald die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Auswirkungen der Partikelgröße PM2,5 auf Gesundheit und Umwelt gefestigt sind, sollte die EU-Richtlinie dahingehend überprüft werden, welche Partikelfraktion auf Dauer der Überwachung zu Grunde gelegt wird. Für den Fall, dass auf Dauer PM2,5 statt PM10 zu überwachen ist, ist ein Grenzwert für die Partikelgröße PM2,5 einzuführen und die Festlegungen für die Partikelgröße PM10 sind ersatzlos zu streichen. Der Richtlinienvorschlag ist insoweit um eine "Revisionsklausel" zu ergänzen. Der Bundesrat spricht sich für den Fall, dass im Zuge der Verhandlungen im Umweltrat und Europaparlament dennoch ein Grenzwert für das PM2,5-Jahresmittel festgelegt wird, dafür aus, dass dann im Gegenzug die PM10-Immissionsgrenzwerte (Tagesmittel- und Jahresmittelwert) aus der Richtlinie ersatzlos gestrichen werden. In diesem Fall sollte jedoch für PM2,5 ein neuer Immissionsgrenzwert als Jahresmittelwert so festgelegt werden, dass das Niveau für den Gesundheitsschutz der bisherigen Luftqualitätsrichtlinien insgesamt gleich bleibt. Im Übrigen bittet der Bundesrat darauf hinzuwirken, dass die Kosten für die Umsetzung der Richtlinie so gering wie möglich gehalten werden.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die weiteren Verhandlungen auf der Grundlage der Positionen zu führen, die im Bericht der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz "Eckpunkte zur Revision der europäischen Luftqualitätsrichtlinien" in Verbindung mit dem Beschluss zur Bundesratsdrucksache 746/05 (PDF) niedergelegt sind. Insbesondere wird die Bundesregierung gebeten auf den Umsetzungsaufwand für die Länder zu achten und ihn so gering wie möglich zu halten.
- 4. Der Richtlinienvorschlag, der bei allen Mitgliedstaaten eine einheitliche Reduzierung der PM2,5-Feinstaub-Exposition bis 2020 um 20 % gegenüber der durchschnittlichen Exposition bezogen auf den Mittelwert der Jahre 2008 bis 2010 für die städtische Hintergrundbelastung so genannter "gapclosure" Ansatz vorsieht berücksichtigt nicht die von den einzelnen Mitgliedstaaten bereits erbrachten Vorleistungen. Dies bedeutet, dass für Mitgliedstaaten, die bereits weit reichende Maßnahmen ergriffen bzw. erhebliche Reduktionen erreicht haben dieses Reduktionsziel einen weitaus höheren Aufwand darstellt. Die äußerst angespannte finanzielle Lage der Kommunen erlaubt es nicht, die bereits bestehenden umweltrechtlichen Anforderungen noch weiter zu erhöhen. Der zusätzlich entstehende Aufwand zur Durchsetzung des Feinstaubgrenzwertes PM2,5 aufgrund von Maßnahmen der Kommunen als Träger der Straßenbaulast oder als Straßenverkehrsbehörde wird von diesen zu tragen sein. Vor dem Hintergrund, dass in Deutschland bereits heute höhere Emissionsminderungen als von der EU rechtlich vorgesehen im Rahmen der Genehmigungsverfahren angeordnet werden, bestehen begründete Zweifel, ob und wie in Anbetracht bereits erfolgter und noch anstehender Minderungsmaßnahmen, z.B. der Altanlagensanierung nach TA Luft (Umsetzung bis Oktober 2007), der im "gapclosure" Konzept formulierte Minderungsprozentsatz von 20 % bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010 und das Reduktionsziel zur Minderung der durchschnittlichen urbanen PM2,5-Belastung bis zum Jahr 2020 mit verhältnismäßigem Aufwand erreicht werden kann. Andererseits betont der Bundesrat die Notwendigkeit, im Interesse verbesserter gesundheitlicher Rahmenbedingungen die durchschnittliche Exposition gegenüber PM2,5 weiter zu senken. Auf jeden Fall spricht sich der Bundesrat vor allem gegen die rechtsverbindliche Festlegung von Prozentsätzen zur Reduktion der durchschnittlichen urbanen PM2,5-Hintergrundbelastung aus. Sollte die Kommission an ihrem "gapclosure" Konzept festhalten, so bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf eine Überarbeitung des dem Richtlinienvorschlag zu Grunde liegenden Konzepts für die durchschnittliche urbane nationale PM2,5-Belastung hinzuwirken. Eine Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten wäre insbesondere dann gegeben, wenn vom Ausgangsniveau eine festzulegende - gegebenenfalls konstante - nicht minderbare hemisphärische Hintergrundkonzentration abgezogen würde und weitere Aspekte Berücksichtigung finden.
- 5. Die Bundesregierung wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass die obere Beurteilungsschwelle für Partikel PM10 auf 70 % des Grenzwertes festgelegt wird(Jahresmittelwert: 28 µg/m³ und Tagesmittelwert: 50 µg/m³ mit 24 zulässigen Überschreitungen pro Jahr). Hierdurch kann die Überwachungstärker auf die Gebiete konzentriert werden, in denen die Bevölkerung höheren Partikelkonzentrationen ausgesetzt ist. Sollte ein Grenzwert für PM2,5 eingeführt werden ist die obere Beurteilungsschwelle in einer vergleichbaren Größenordnung festzulegen.
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates können anspruchsvolle Immissionsstandards in Europa nur mit einer integrierten und systematischen Minderungsstrategie erfüllt werden, die alle maßgeblichen Quellen erfasst; d.h. Maßnahmen, wie sie in Luftreinhalte-/Aktionsplänen von örtlichen Stellen verfügt werden können, sind ohne flankierende Maßnahmen auf EU-Ebene in der Regel nicht ausreichend, die Einhaltung der Immissionsstandards herbeizuführen. Realistische und einhaltbare Standards sind so festzulegen, dass ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis erreicht wird. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Zuge der weiteren Beratungen über die Thematische Strategie der EU auf dem Gebiet der Luftreinhaltung darauf hinzuwirken, dass anspruchsvolle, aber auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbare Maßnahmen zur Emissionsminderung auf der Ebene der EU festgelegt und mit den Anforderungen der Luftqualitätsrichtlinie abgestimmt werden, um die ambitionierten Immissionsbegrenzungen für Partikel, Stickstoffdioxid und weitere Schadstoffe sowie die Absenkung der durchschnittlichen urbanen PM2,5-Belastung nach dem vorgelegten Richtlinienvorschlag auch erreichen zu können.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf eine Klärung hinzuwirken, wie der Beitrag natürlicher Quellen aus der Luftbelastung berücksichtigt werden kann. Der im Richtlinienvorschlag vorgesehene Abzug des Beitrags natürlicher Quellen von den gemessenen Immissionen ohne detaillierte Nachweispflicht und Definition natürlicher Quellen eröffnet Möglichkeiten des Missbrauchs und von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Gebieten mit vermeintlich niedrigen und hohen Beiträgen aus natürlichen Quellen. Zudem ist der Beitrag natürlicher Quellen implizit in den Grenzwertfestlegungen vorhanden, die auf der Grundlage epidemiologischer Befunde vorgenommen worden sind. Es sollte daher die Abzugsmöglichkeit nur auf singulär auftretende Naturereignisse beschränkt werden die gegenüber dem normalen, durch natürliche Quellen bedingten Hintergrundwert zu signifikant höheren Konzentrationen führen.
- 8. Die Berücksichtigungsmöglichkeit des Beitrags natürlicher Quellen trägt der Tatsache Rechnung, dass die Beurteilung der Gesundheitsrelevanz von PM10 bzw. PM2,5 in Form einer Massenkonzentration nur teilweise wirkungsgerecht erfolgt. Um zumindest mittelfristig zu einer besser geeigneten Beurteilungsgrundlage zu gelangen, sind verstärkte Forschungen zum Schadpotenzial der Bestandteile von Feinstaub erforderlich. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich gegenüber der Kommission bereits jetzt für die zügige Entwicklung eines die relevanten Inhaltsstoffe berücksichtigenden wirkungsspezifischen Modells der Grenzwertfestsetzung bei Feinstaub einzusetzen und dieses auf Vollzugstauglichkeit und -aufwand zu prüfen.
- 9. Eine Zusammenfassung und Harmonisierung der Berichterstattung in ein gemeinsames System wird vom Bundesrat grundsätzlich positiv bewertet. Es dürfen sich aber für die Länder keine zusätzlichen Arbeitsbelastungen ergeben. Unnötige Berichtspflichten sollten gestrichen werden. Insbesondere die in Artikel 24 Abs. 2 des Richtlinienvorschlags vorgesehenen Jahresberichte sind ersatzlos zu streichen. Eine solche Berichtspflicht aufgrund eines EU-Rechtssetzungsaktes widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Es besteht kein europapolitisches Bedürfnis, nationale Berichte zu verlangen, die nicht einmal zur Vorlage bei der EU vorgesehen sind, weil die darin enthaltenen Informationen in anderer Form und Frist der EU zu übermitteln sind. Für die Öffentlichkeit der Mitgliedstaaten ist kein Informationsgewinn zu erkennen, weil Grenzwertüberschreitungen und andere Aussagen aufgrund anderer Informationsquellen ohnehin bereits deutlich früher bekannt werden. Der Aufwand für solche Berichte ist sehr hoch. Vor dieser Zielsetzung wird die Bundesregierung gebeten, insbesondere darauf zu achten, dass die zukünftige Berichterstattung den allgemeinen Bestrebungen zur Entbürokratisierung nicht entgegenläuft und nicht zu zusätzlichen Regulierungen führt. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, die Eckpunkte der Berichtsverpflichtungen der Mitgliedstaaten in der Richtlinie festzulegen und nicht, wie im Vorschlag vorgesehen, dem Komitologieverfahren zu überlassen. Die Berichtsverpflichtungen haben wesentlichen Einfluss auf den Aufwand der Länder und des Bundes zum Vollzug der Richtlinie und sollten zusammen mit der Richtlinie beschlossen werden.
- 10. Der Bundesrat stellt fest, dass der im Dezember 2005 von der Kommission vorgelegte Vorschlag neuer Euro-5-Abgasgrenzwerte für PKW und leichte Nutzfahrzeuge die NOx-Emissionen gegenüber dem derzeitigen Euro-4-Standard nur um 20 % reduziert, obwohl bereits jetzt insbesondere für den US-Markt angebotene Dieselfahrzeuge mit Abgasnachbehandlungstechniken deutlich niedrigere Emissionswerte erreichen. Die mit dem Euro-5-Vorschlag verbundene Emissionsminderung reicht nicht aus, um die unverändert beibehaltenen Grenzwerte für NO₂ auch an hoch belasteten Straßen bis 2010 einzuhalten. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den anstehenden Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die künftigen Euro-5-NOx-Abgasgrenzwerte entsprechend ambitionierter ausfallen.