953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Finanzausschuss empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission zur Einführung einer generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren). Ein generelles Reverse-Charge-Verfahren ist nicht nur als Maßnahme zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs (hier insbesondere mittels Karussellgeschäften) geeignet, sondern verhindert Steuerausfälle auch bei Sachverhalten, bei denen Unternehmer in der Umsatzkette nicht mehr zahlungsfähig sind, der Vorsteuerabzug aber nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
- 2. Die schon heute zulässigen, allerdings auf einzelne Leistungen und Branchen beschränkten Reverse-Charge-Verfahren reichen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs nicht aus. Die Täter können mit ihren Karussellgeschäften ohne weiteres auf nicht erfasste Leistungen und Branchen ausweichen. Sie führen zudem zu Rechtsunsicherheiten und Vollzugsproblemen wegen der zum Teil schwierigen Abgrenzung von unter die Sonderregel fallenden und von ihr nicht erfassten Umsätzen. Ein generelles Reverse-Charge-Verfahren hätte diese Nachteile nicht.
- 3. Der Vorschlag kann daher die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs erheblich erweitern, ohne dass vom Mehrwertsteuerbetrug weniger betroffene Mitgliedstaaten am generellen Reverse-Charge-Verfahren teilnehmen müssen. Dadurch fällt der mit der Änderung der Steuerschuldnerschaft verbundene Aufwand für die Steuerverwaltung und die Steuerpflichtigen nur in den Mitgliedstaaten an, die sich zur Teilnahme entschließen. Zugleich können durch die Erfahrungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten wertvolle Erkenntnisse für die Entwicklung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems gewonnen werden.
- 4. Der Bundesrat hält eine Prüfung des vorgesehenen Schwellenwerts hinsichtlich der Höhe und des sachlichen Anknüpfungspunkts für notwendig, um die Praxistauglichkeit eines generellen Reverse-Charge-Verfahrens sicherstellen. Die vorgeschlagene Höhe des Schwellenwerts schließt eine Vielzahl von betrugsrelevanten Sachverhalten von der Anwendung des ReverseCharge-Verfahrens aus.
- 5. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass angesichts der restriktiven Voraussetzungen der Kreis der für die Einführung einer generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Betracht kommenden Mitgliedstaaten zu sehr beschränkt ist. Das vorgeschlagene Verfahren der Ermächtigung einzelner Mitgliedstaaten durch die Kommission dürfte die Umsetzung des Vorschlags durch einzelne Mitgliedstaaten nahezu sicher ausschließen. Die noch in Betracht kommenden Mitgliedstaaten müssten sich zudem zur Umsetzung des Vorschlags entschließen, obwohl sich die Kommission vorbehält, die Ermächtigung bei "beträchtlichen negativen Auswirkungen auf den Binnenmarkt" kurzfristig zu widerrufen. Mit dieser erheblichen Einschränkung kann der Nutzen der Umstellung nicht zuverlässig ermittelt werden.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene die vorstehenden Bedenken aufzugreifen.
- 7. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 8. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.