Punkt 63 der 890. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2011
Der Bundesrat möge beschließen, gegen das vom Deutschen Bundestag am 24. November 2011 verabschiedete Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes Einspruch einzulegen.
Begründung:
Der Vermittlungsausschuss hat in seiner 13. Sitzung am 22. November 2011 zu dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt das Verfahren mit einem so genannten unechten Einigungsvorschlag abgeschlossen. Zwar wurden im Vermittlungsausschuss geringe punktuelle Verbesserungen - so beim Eingliederungszuschuss für Ältere und der Einstiegsqualifizierung für junge Leute - erreicht, doch bleibt es im Gesetz zum Beispiel bei den vom Deutschen Bundestag bereits am 23. September 2011 beschlossenen massiven Einschnitten beim Gründungszuschuss für arbeitslose Existenzgründerinnen und Existenzgründer.
Der Gründungszuschuss unterstützt Arbeitslose finanziell beim Wechsel in die Selbstständigkeit. Er löste im Jahr 2006 das Überbrückungsgeld und den Existenzgründungszuschuss ("Ich-AG") ab. Die Attraktivität der Gründungsförderung ist ungebrochen: In den Jahren 2007 bis 2010 wurden jährlich zwischen 119.000 und 147.000 Zuschüsse gewährt. Die im Gesetz beschlossene Neuregelung der Gründungsförderung - u.a. die Umwandlung dieses Instruments von einer Pflicht- in eine Ermessensleistung - ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber der bisherigen Förderung und wird zu drastischen Einbrüchen bei den Förderzahlen führen. So sieht die Bundesregierung in der Beschreibung der finanziellen Auswirkungen des Gesetzes gerade beim Gründungszuschuss ein erhebliches Sparpotenzial: bereits in 2012 sollen dadurch mehr als 1 Milliarde Euro und von 2013 - 2015 sogar jährlich 1,33 Milliarden Euro eingespart werden. Die
Existenzgründungsförderung für Arbeitslose unterliegt damit dem "Kahlschlag", einem der erfolgreichsten Instrumente zur Integration von Menschen in Wirtschaft und Arbeit wird die Grundlage entzogen.
Auch in anderen Punkten wurde die Kritik von Experten und Sachverständigen an der Instrumentenreform bis zum Schluss nicht aufgegriffen. Das Gesetz bleibt damit insgesamt gesehen ein reines Spargesetz mit massiven Verschlechterungen vor allem für Langzeitarbeitslose. Auf die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt gibt das Gesetz keine Antwort. Gerade vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung ist das Gesetz kontraproduktiv. Für Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen fehlt es an spezifischen Förderideen. Die Mittel für die Eingliederung von Arbeitslosen sind bereits in den letzten Jahren erheblich gekürzt worden, so dass gerade für diesen Personenkreis kaum noch Förderinstrumente zur Verfügung stehen. Dadurch sind die Rahmenbedingungen für eine kluge Verknüpfung von Arbeitsmarkt-und Bildungspolitik nicht mehr gegeben. Ziel des Gesetzes bleibt die Umsetzung der unsozialen Kürzungen der Bundesregierung und nicht die Verbesserung der Eingliederungschancen für Menschen ohne Arbeit.