Der Bundesrat hat in seiner 954. Sitzung am 10. März 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt angesichts der steigenden EU-Mobilität der Unionsbürgerinnen und -bürger, dass die Kommission nunmehr einen Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vorgelegt hat, mit dem die Regelungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit weiterentwickelt werden sollen.
- 2. Aus Sicht der deutschen Länder ist es wichtig, dass eine klarstellende Änderung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004
erfolgt, um die aktuelle Rechtsprechung des EuGH abzubilden und eine gleichmäßige Rechtsanwendungspraxis zu gewährleisten, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis des Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004
zu Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG. Es muss klargestellt werden, dass das Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004
die in Artikel 24 der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen Ausnahmen unberührt lässt.
Der Bundesrat begrüßt daher, dass die Kommission mit der Änderung des Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 die Rechtsprechung des EuGH zur Rechtmäßigkeit nationaler Regelungen, die den Zugang von nicht erwerbstätigen EU-Bürgern zu den Leistungen der sozialen Sicherheit von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach europäischem Recht abhängig machen, kodifiziert. Er fordert allerdings, dass auch die Rechtsprechung des EuGH aus den Rechtssachen Alimanovic sowie Garcia-Nieto (Urteil vom 15. September 2015- C 67/14 Alimanovic und Urteil vom 25. Februar 2016 - C 299/14 Garcia-Nieto) kodifiziert wird, mit der die Rechtmäßigkeit von nationalen Sozialhilfeleistungsausschlüssen bestätigt wurde, die entsprechend Artikel 24 Absatz 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht erwerbstätige EU-Bürger mit Aufenthaltsrecht betrifft. Er bittet die Bundesregierung daher, sich in den anstehenden Ratsbehandlungen hierfür einzusetzen.
- 3. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission in ihrem Vorschlag bislang keine Regelung vorgesehen hat, die eine Anpassung von Kindergeldleistungen für in einem anderen Mitgliedstaat lebende Kinder an den Lebensstandard in deren Wohnsitzland ermöglicht. Dabei kann die Zahlung des vollen Kindergeldbetrags für Kinder, die in Mitgliedstaaten wohnen, die ein deutlich niedrigeres Lebenshaltungsniveau aufweisen, zu ungewollten Anreizen für Armutsmigration und die Trennung von Familien führen. Er begrüßt daher die Initiative der Bundesregierung, im Rahmen der weiteren Beratungen auf eine Änderung des Vorschlags hinzuwirken, die künftig eine Indexierung des Kindergelds nach dem Lebenshaltungsniveau des Mitgliedstaates, in dem das Kind wohnt, ermöglicht.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission mit der Einfügung eines Artikel 76a ermächtigt werden soll, Durchführungsrechtsakte gemäß Artikel 291 AEUV zu erlassen, mittels derer ein Standardverfahren für die Ausstellung, die Anfechtung und den Widerruf des Portablen Dokumentes A 1 (sogenannte A 1-Bescheinigung) festgelegt werden soll, damit eine missbräuchliche Verwendung dieses Dokuments erschwert wird.
Insbesondere dem Widerruf des Dokuments, falls dessen Richtigkeit bzw. Gültigkeit vom zuständigen Träger des Beschäftigungsmitgliedstaats bestritten wird, kommt dabei herausgehobene Bedeutung zu. Das angestrebte Verfahren kann insbesondere dazu geeignet sein, langwierige Rechtsstreite bis hin zum Vertragsverletzungsverfahren vermeidbar zu machen und so zum innereuropäischen Rechtsfrieden beizutragen.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung unter Bezugnahme auf § 6 Absatz 1 EUZBLG dazu auf, die Länder auch bei der Erarbeitung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten zu diesem Legislativvorschlag umfassend und rechtzeitig zu konsultieren und zu Sachverständigengruppen hinzuziehen.
- 5. Im Übrigen erinnert er die Kommission mit Blick auf das äußerst komplexe Regelwerk der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 987/2009 an die von ihr in der Initiative einer besseren Rechtsetzung erklärten Ziele. Angesichts der Komplexität des Regelwerks stellt sich die Feststellung der Rechtslage sowohl für Behörden als auch für Bürgerinnen und Bürger nach wie vor als schwierig dar. Er sieht daher weiterhin Vereinfachungsbedarf.
- 6. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.