Der Bundesrat hat in seiner 918. Sitzung am 19. Dezember 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat sieht ebenso wie die Kommission in den Belastungen der Umwelt, insbesondere der Meere, durch Kunststoffabfälle ein gravierendes Problem. Er unterstützt daher Bestrebungen, die nicht sachgemäße Entsorgung von Kunststoffabfällen zu verringern.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Aktivitäten und Konsultationen der Kommission zum Problem der Kunststoffabfälle zu einem ersten Legislativvorschlag geführt haben. Er weist aber darauf hin, dass weitere geeignete Maßnahmen wie die Einführung eines europaweiten Deponierungsverbotes für brennbare Abfälle und der Aufbau einer leistungsfähigen Infrastruktur zur werkstofflichen Verwertung von Kunststoffabfällen unabdingbar sind, um die Vermüllung der Landschaft und der Meere mit schwer abbaubaren Kunststoffabfällen nachhaltig zu bekämpfen.
- 3. Der Bundesrat unterstützt das Ziel einer Reduzierung von Kunststoffprodukten, die nur einmalig und kurzzeitig verwendet werden, und weist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission zu einer europäischen Strategie für Kunststoffabfälle in der Umwelt (BR-Drucksache 188/13(B) , COM (2013) 123 final) hin.
- 4. Der Bundesrat unterstützt, dass den Mitgliedstaaten mit dem Richtlinienvorschlag ein weiter Spielraum eröffnet wird, mit welchen Maßnahmen eine Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftüten in ihren Hoheitsgebieten erreicht werden soll. Diese Flexibilität ist angesichts der deutlich unterschiedlichen Ausgangssituationen in den Mitgliedstaaten notwendig.
- 5. Der Vorschlag setzt einseitig auf die Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftüten (mit einer Wandstärke von unter 50 Mikron), ohne die sehr unterschiedlichen Ausgangssituationen in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Die Anzahl der in Verkehr gebrachten Kunststofftüten pro Person weicht in den Mitgliedstaaten um den Faktor 30 voneinander ab; zudem gibt es bei der Entsorgungsinfrastruktur erhebliche Qualitätsunterschiede. Daher ist auch bei den auf europäischer Ebene geplanten Maßnahmen eine Differenzierung notwendig.
In Deutschland liegt der Verbrauch an Kunststofftüten pro Person um etwa zwei Drittel unter dem EU-Durchschnitt. Zudem verfügt Deutschland über eine qualitativ hochwertige Erfassungs- und Verwertungsinfrastruktur, über die auch Kunststofftüten entsorgt werden.
- 6. Aus Sicht des Bundesrates ist sicherzustellen, dass mögliche Maßnahmen in der Gesamtbilanz zu einer Umweltentlastung führen. Dies ist nicht der Fall, wenn eine bloße Verlagerung auf den Verbrauch von "dickeren" Kunststofftüten mit einer Wandstärke von mehr als 50 Mikron erfolgt. Der Bundesrat äußert mithin die Sorge, eine Beschränkung auf Maßnahmen gegen den Verbrauch leichter, dünnwandiger Kunststofftüten könnte zu unerwünschtem Ausweichverhalten sowohl auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch des Handels führen.
Zu berücksichtigen ist auch, inwieweit ein Verzicht auf dünne Kunststofftüten in der Verkaufsstelle den Erwerb individueller Mengen durch die Verbraucherinnen und Verbraucher beeinflusst und diese dann auf vorverpackte Gebinde zurückgreifen, die gegebenenfalls aufwändiger verpackt sind oder dazu beitragen, dass mehr Lebensmittel weggeworfen werden. In diesem Zusammenhang sind derzeit bereits Trends zu beobachten, Produkte wie Obst, Gemüse, Wurst- und Fleischwaren in materialintensiveren Verpackungen anzubieten. Dieses läuft den Zielen der Abfallvermeidung und der Ressourcenschonung zuwider. Auch bietet ein Ausweichen auf andere Verpackungsmaterialien nicht in jedem Fall Umweltvorteile. Der Bundesrat hält daher Maßnahmen für problematisch, die an spezifischen Produkten ansetzen, zumal die dünnen Kunststofftüten mengenmäßig nur einen eher geringen Teil des gesamten Kunststoffabfalls ausmachen. Aus diesem Grunde und weil der Anteil der leichten Kunststofftüten an der Gesamtmasse eingesammelter Verpackungsabfälle nur gering ist, werden die Auswirkungen von Maßnahmen im Rahmen der Berichterstattung gemäß Artikel 17 der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle vermutlich in Deutschland kaum messbar sein.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine wirksame Reduzierung von Einweg-Kunststoffverpackungen insgesamt anzustreben ist und dafür in Ergänzung zu den Handlungsalternativen aus dem Richtlinienvorschlag flankierende Aktivitäten des Handels notwendig sind. Vorstellbar wären beispielsweise Kampagnen zur Verbrauchersensibilisierung direkt an der Verkaufsstelle.
- 8. Er ist ferner der Auffassung, dass die EU ihr Hauptaugenmerk auf eine konsequente Durchsetzung hoher Erfassungs- und Verwertungsstandards in allen Mitgliedstaaten, ein Deponierungsverbot für Kunststoffabfälle und die Stärkung des verantwortungsbewussten Umgangs aller maßgeblichen Akteure bei der Verwendung und Entledigung aller Kunststoffprodukte richten sollte.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass unterschiedliche Ausgangssituationen in den Mitgliedstaaten gewürdigt und Maßnahmen nur dann gefordert werden, wenn und soweit Handlungsbedarf besteht und ein Nutzen für die Umwelt sichergestellt ist.
- 10. Er bittet die Bundesregierung im Übrigen darauf hinzuwirken, dass das Objekt der Regelung eindeutig definiert wird und dies auch in den Übersetzungen in die Amtssprachen der EU zum Ausdruck kommt.
Die englische Fassung des Vorschlags, die "lightweight plastic carrier bags", d.h. leichte Kunststofftragetaschen bzw. -tüten, in den Fokus der Regelung stellt, ist deutlich enger gefasst als die deutsche Übersetzung, wonach alle leichten Kunststofftüten, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern in den Verkaufsstellen der Waren und Produkte angeboten werden, eingeschlossen sind.
Aus Sicht des Bundesrates ist es erforderlich, dass auch in der deutschen Fassung der Richtlinie zum Ausdruck kommt, dass sich die Regelung nur auf leichte Kunststofftragetaschen bzw. -tüten bezieht. Leichte Kunststofftüten, die beim Verkauf unverpackter Ware angeboten werden und die eine Funktion beispielsweise als hygienischer Schutz oder als Feuchtigkeitssperre haben, sind vom Regelbereich auszuschließen.