Stellungnahme des Bundesrates Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Der Bundesrat hat in seiner 805. Sitzung am 5. November 2004 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zur Eingangsformel

In der Eingangsformel sind nach dem Wort "hat" die Wörter "mit Zustimmung des Bundesrates" einzufügen.

Begründung

Das beabsichtigte Gesetz wird der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Es sieht zumindest in § 61a Abs. 2 sowie in § 83j Abs. 2 i.V.m. § 61a Abs. 2 IRG-E Bestimmungen vor, die die Art und Weise der Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen der Rechtshilfe durch Gerichte, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden der Länder außerhalb des gerichtlichen Verfahrens betreffen. Nach ständiger Auffassung des Bundesrates sind Bestimmungen, die das Verfahren von Landesbehörden in Angelegenheiten der internationalen Rechtshilfe regeln, soweit es sich nicht um gerichtliche Verfahren handelt, Regelungen des Verwaltungsverfahrens im Sinne von Artikel 84 Abs. 1 GG.

2. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 61a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a, Satz 2, Abs. 2 Satz 1 IRG)

In Artikel 1 Nr. 2 ist § 61a wie folgt zu ändern:

Begründung

Mit den zu streichenden Textteilen werden Einschränkungen vorgenommen, die über die korrespondierenden Voraussetzungen bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen hinausgehen. Die verbleibenden Beschränkungen reichen aus. Verfehlt ist es, wenn Beschränkungen in der Begründung (S. 6) damit gerechtfertigt werden, es solle verhindert werden, "dass personenbezogene Daten in Verfahren untergeordneter Bedeutung international verbreitet werden", und darauf konkret die Beschränkung auf Verfahren wegen im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedrohten Straftaten gerechtfertigt wird.

3. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 61a Abs. 2 Satz 2 IRG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren in Bezug auf § 61a Abs. 2 Satz 2 IRG-E zu würdigen, dass gegenüber dem Empfängerstaat ein Anspruch auf Berichtigung und Löschung bzw. Rückgabe der nach deutschem Recht unzulässig übermittelten personenbezogenen Daten nur dann besteht, wenn bereits bei der Übermittlung der Daten die Bedingungen bzw. Vorbehalte erklärt worden sind und eine entsprechende Bindungswirkung eingetreten ist.

Begründung

In § 61a Abs. 2 Satz 2 IRG-E wird möglicherweise der irrige Anschein erweckt, als ob eine nach deutschem Recht "fehlerhafte" Übermittlung von Daten allein dadurch rückgängig gemacht werden könnte, dass die deutsche Stelle den Empfänger davon unterrichtet, dass die Daten (nach hiesigem Recht) "nicht hätten übermittelt werden dürfen" und um unverzügliche Berichtigung oder Löschung bzw. (zutreffend wohl) Herausgabe ersucht. Eine Bindungswirkung des Auslands ist aber nur dann gegeben, falls entsprechende Bedingungen oder Vorbehalte bereits bei Übermittlung der Daten erklärt wurden; gegebenenfalls muss noch sichergestellt werden, dass der jeweilige Staat die Bedingungen und Vorbehalte auch tatsächlich einhält (dieses Erfordernis liegt in Bezug auf die EU-Mitgliedstaaten nach Artikel 7 Abs. 3 EU-RhÜbk vor).

Es wird Aufgabe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sein zu prüfen, ob die vorliegende datenschutzrechtliche Bestimmung den an sie zu stellenden Anforderungen genügt. Gegebenenfalls sollte erwogen werden, jede Spontanauskunft mit der Erklärung zu verbinden, dass die deutsche Seite sich vorbehält, jederzeit (und ohne Angabe von Gründen) die Löschung, Berichtigung oder Herausgabe der insoweit übermittelten Daten (verbunden mit einem Verwertungsverbot im Ausland) zu verlangen; insoweit wäre dann eine Berichtigung bzw. Ergänzung von § 61a Abs. 2 Satz 2 IRG-E angezeigt.

4. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 61b IRG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass bei der Umsetzung des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 dessen Artikel 10 Abs. 8 Rechnung getragen wird.

Begründung

Zu § 61b IRG-E selbst wird von einer konkret ausformulierten Stellungnahme abgesehen wenngleich die Differenzierung nach Kosten und Ordnungsmitteln einerseits und Zwangsvorführung andererseits unklar bleibt. Die Vorschrift gilt weit über den Bereich der Europäischen Union hinaus. Mit dieser allgemeinen Regelung ist freilich verbunden, dass die Bundesregierung der Umsetzungspflicht hinsichtlich des umzusetzenden Übereinkommens der EU zuwiderhandelt. Dabei ist zur Begründung auf Seite 8 der Vorlage klarzustellen, dass die Möglichkeit einer Videovernehmung nicht ausschließlich Schutzcharakter zu Gunsten des Zeugen hat. Die nach § 247a Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 251 StPO bestehenden Möglichkeiten zur Vernehmung dienen zumindest auch der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa Loewe/Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 247a Rnr. 12). Vor diesem Hintergrund erscheint zumindest in der EU ein genereller Ausschluss der Verhängung von Ordnungsmitteln nicht sachgerecht, zumal die Durchführung der Videovernehmung im deutschen Strafverfahrensrecht gerade nicht von der Zustimmung des zu vernehmenden Zeugen abhängig ist. Darüber hinaus widerspricht der Ausschluss der Verhängung von Ordnungsmitteln Artikel 10 Abs. 8 des Übereinkommens, wo unmissverständlich niedergelegt ist, dass jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen trifft, "um sicherzustellen, dass in Fällen, in denen Zeugen oder Sachverständige gemäß diesem Artikel in seinem Hoheitsgebiet vernommen werden und trotz Aussagepflicht die Aussage verweigern oder falsch aussagen sein innerstaatliches Recht genauso gilt, als ob die Vernehmung in einem innerstaatlichen Verfahren erfolgen würde". Eine Sonderregelung im 8. Teil des IRG dürfte nahe liegen.

5. Zu Artikel 1 Nr. 2a - neu - (§ 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IRG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Artikel 1 nach Nummer 2 folgende Nummer 2a eingefügt werden soll:

"2a. § 74 wird wie folgt geändert:

Begründung

Durch den Gesetzentwurf werden in § 61a und § 83j IRG-E erstmals die Rechtsgrundlagen für die bislang im Fünften und Achten Teil (Sonstige Rechtshilfe) des IRG nicht geregelte Frage der Weitergabe personenbezogener Daten ohne Rechtshilfeersuchen (sog. "Spontanauskünfte") geschaffen. Bei der Weitergabe dieser personenbezogenen Daten handelt es sich stets um Maßnahmen zur Einleitung bzw. Förderung von ausländischen Strafverfahren und damit um solche der Rechtshilfe in Strafsachen. In § 74 IRG, welcher die Zuständigkeit des Bundes in Rechtshilfeangelegenheiten regelt, sind insoweit nur ein- und ausgehende Rechtshilfeersuchen aufgeführt. Mit ihrer ausdrücklichen Aufnahme in § 74 IRG könnte klargestellt werden, dass auch Spontanauskünfte zu den Rechtshilfeangelegenheiten zählen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 83j Abs. 1 IRG)

In Artikel 1 Nr. 4 § 83j Abs. 1 sind die Wörter "auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Übereinkommens" zu streichen.

Begründung

Die zu streichende Beschränkung ist überflüssig. Sie kann im Übrigen zu Missverständnissen Anlass geben, wenn Spontanübermittlungen etwa auf Grund eines Rahmenbeschlusses vorgenommen werden. Generell besteht zu dieser Einschränkung in der EU als einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kein Anlass. In der Begründung wird auf Seite 9 der Vorlage zu Recht davon ausgegangen, dass in der Europäischen Union regelmäßig von der Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzniveaus ausgegangen werden kann.