850. Sitzung des Bundesrates am 7. November 2008
Der Verkehrsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat stellt fest, dass die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zwar zu Recht auf die steigenden und weit über der allgemeinen Inflationsrate liegenden Nutzungsentgelte für die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG (DB AG) hinweist, hier offenbar aber keinen konkreten Handlungsbedarf sieht. Die von der Bundesregierung erwarteten positiven Effekte eines sich weiter entwickelnden Wettbewerbs in diesem Bereich sind für den Bundesrat angesichts der gegenwärtigen Monopolstruktur der DB AG im Infrastrukturbereich nicht nachvollziehbar.
- 2. Jede überproportionale Steigerung der Trassenpreise ginge unmittelbar zu Lasten des Nahverkehrs. Die heutigen Regulierungsmechanismen sind nach Auffassung des Bundesrates unzureichend und sollten weiterentwickelt werden.
- 3. Der Bundesrat bedauert daher, dass sich die Bundesregierung bislang nicht zu dem im Mai 2008 vorgelegten Abschlussbericht der Bundesnetzagentur zur Einführung einer Anreizregulierung im Eisenbahnsektor geäußert hat. Der Bundesrat ist auf Grundlage dieses Abschlussberichts der Auffassung, dass die Anreizregulierung ein zentrales Element für den Erfolg der Regulierung im Eisenbahnsektor insgesamt darstellt und in Form einer Preisobergrenzenregulierung dazu geeignet sein kann, die Infrastrukturnutzungsentgelte der DB AG nachhaltig zu senken.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, parallel zur Vorbereitung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) zwischen dem Bund und der DB AG die notwendigen gesetzlichen Grundlagen zur Einführung einer Anreizregulierung zu schaffen. Die Anreizregulierung sollte nach dem Price Cap - System ausgestaltet werden, wobei zugleich die Qualität des Netzes als wesentlicher Faktor berücksichtigt wird (flankierende Qualitätsregulierung).
- 5. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung zudem auf, dem weiteren Anliegen der Bundesnetzagentur zu folgen und im Allgemeinen Eisenbahngesetz ein konkretes Recht der Regulierungsbehörde zur Durchsetzung von Informationsrechten gegenüber Eisenbahninfrastrukturunternehmen analog dem Telekommunikations- bzw. Postgesetz zu schaffen. Aus Sicht des Bundesrates ist der Informationsanspruch der Bundesnetzagentur auch außerhalb von Beschwerden notwendig und sachgerecht, um im Rahmen der Eisenbahnregulierung den Wettbewerb auf der Schiene und den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Gedanke einer Anreizregulierung und damit einer Begrenzung der Entgelte für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur dient dem Ziel, mögliche Ineffizienzen innerhalb der Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch die Unternehmen selbst beseitigen zu lassen und in der Folge die daraus resultierenden Effizienzgewinne an die Zugangsberechtigten und Aufgabenträger weiterzugeben. Durch die Verstetigung und Planbarkeit von Infrastrukturnutzungsentgelten wird gleichzeitig der Wettbewerb unter den Eisenbahnverkehrsunternehmen gefördert (intramodaler Wettbewerb). Steigender intramodaler Wettbewerb wiederum induziert stabile, eventuell sogar sinkende, vorhersehbare Endkundenpreise, so dass eine Verkehrszunahme auf der Schiene die realistische Folge ist. Die Begrenzung der Infrastrukturnutzungsentgelte in Form einer Price-Cap-Regulierung stärkt insofern den Schienenverkehr insgesamt und fördert damit volkswirtschaftliche und verkehrspolitische Ziele. Darüber hinaus wird durch die Kombination der LuFV mit einer Anreizregulierung sichergestellt, dass die durch den Bund über die LuFV bereitgestellten Mittel für Instandhaltungsmaßnahmen und Ersatzinvestitionen effizient eingesetzt werden. Die Anreizregulierung kann einen wichtigen Beitrag leisten um zu verhindern, dass die Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten gegenüber dem Bund auf eine Erhöhung der Infrastrukturnutzungsentgelte ausweichen (die zu rund zwei Dritteln vom SPNV zu tragen wäre), statt ihre Effizienz zu steigern. Über die Berücksichtigung der Qualität als Zu- und Abschlagsfaktor soll gewährleistet werden, dass Effizienzsteigerungen nicht zu Lasten der Qualität und Kapazität gehen.
Die Einführung einer Anreizregulierung bedingt aber zunächst die Novellierung der gegenwärtigen Entgeltvorschriften und eine im Gesetz (AEG) normierte Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Verordnung zur Einführung einer Anreizregulierung. Hierzu hat die Bundesnetzagentur in ihrem Abschlussbericht zur Einführung einer Anreizregulierung praktische Umsetzungsvorschläge vorgelegt. Da mit einem Zeitbedarf von rund vier Jahren bis zur Implementierung einer Anreizregulierung gerechnet wird, müssen die gesetzlichen Grundlagen jetzt geschaffen werden, um wenigstens parallel zur nächsten LuFV ein solches System in Kraft setzen zu können. Die Laufzeit der ersten LuFV soll fünf Jahre betragen. Die Verhandlungen für die Nachfolgeversion werden aber deutlich früher beginnen und eine Abstimmung der beiden Instrumente LuFV und Anreizregulierung) aufeinander ist nach einhelliger Ansicht geboten.
Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen zur Stärkung der Bundesnetzagentur vorzusehen, um die Effizienz der Regulierung zu erhöhen. Dies betrifft in einem ersten Schritt einen besseren Zugang zu Daten und Informationen.