Punkt 105.d) der 803. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2004
Der Bundesrat möge beschließen:
- a) Zu Artikel 1 Nr. 3.:
§ 8 wird um folgenden Absatz 3 ergänzt:
(3) Auf Antrag des Letztvertreibers erteilt die zuständige Behörde eine Befreiung von den Pflichten gemäß Absatz 1 für Getränke in Einweg- Getränkeverpackungen, die in Seehäfen oder im grenznahen Bereich an Endverbraucher zum Verzehr außerhalb des Geltungsbereiches der Verordnung abgegeben werden (Grenzhandel), wenn der Antragsteller geeignete zumutbare Maßnahmen trifft, damit die Verpackungen nicht im Geltungsbereich der Verordnung als Abfall anfallen und eine Pfanderstattung im Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen ist. Mit der Befreiung entfallen die Pflichten des Absatzes 1 auch für die Vertreiber auf den vorherigen Handelsstufen. Sind die Getränke zum Verzehr in einem Staat bestimmt, in dem ein Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen der betreffenden Art eingerichtet ist und hat der Antragsteller gleichberechtigten Zugang zu diesem System, soll die Befreiung erteilt werden, wenn er nachweist, dass er oder sein Vorvertreiber sich an diesem System beteiligen. Absatz 1 Satz 8 bleibt unberührt.
- b) Zu Artikel 1 Nr. 5.:
§ 10 wird wie folgt ergänzt:
Die Angabe nach § 8 Abs. 2 oder § 9 Abs. 2" wird durch die Angabe nach § 8 Abs. 2, Abs. 3 oder § 9 Abs. 2" ersetzt.
- c) Zu Artikel 1 Nr. 6.:
In § 15 wird nach Nr. 17 folgende Nr. 17a eingefügt:
17a einer gemäß § 8 Abs. 3 erteilten Befreiung zuwiderhandelt;
Begründung
- a) Zu § 8
Zu Absatz 3
An der Grenze zu Dänemark und an den Fährhäfen und ihren Einzugsbereichen in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat sich ein auf die skandinavische Kundschaft spezialisierter Grenzhandel entwickelt, der für die strukturschwache Region von großer Bedeutung ist. Die skandinavischen Kunden reisen bis zu 500 km, um sich aufgrund der im Vergleich zu ihren Heimatländern günstigeren Preise mit Getränken (insbesondere Bier) zu bevorraten. Über 98% der Kundschaft in den Grenzläden sind Skandinavier, zumeist Dänen, Finnen und Schweden
Die Erhebung des Pfandes führt dazu, dass der Preisvorteil im Verhältnis zum Preisniveau in Skandinavien entfällt, da es für die skandinavischen Kunden in der Regel nicht zumutbar ist, die geleerten Dosen in den Mengen, wie diese auf Vorrat gekauft werden, zu Hause zu lagern. Dies auch deshalb, weil sich Leergut anders als die palettenweise mit Folie eingeschweißten vollen Dosen nur schlecht stapeln lassen.
Absatz 3 soll verhindern, dass dem Grenzhandel und den allein in Schleswig-Holstein ca. 3000 unmittelbar und mittelbar von ihm abhängigen Arbeitsplätzen die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird und dies Auswirkungen auf den für diese Regionen so wichtigen Tourismus hat. Getränke in Einweg-Getränkeverpackungen, die an Skandinavier verkauft werden, fallen in aller Regel nicht im Geltungsbereich der Verordnung als Abfall an; da die Kunden sie zum Verzehr für zu Hause erwerben. Um dies sicherzustellen, müssen die Antragsteller ihnen zumutbare geeignete Maßnahmen treffen. Dies kann z.B. dadurch geschehen, dass Getränke in Einweg-Verpackungen nur in Großgebinden pfandfrei abgegeben werden und die Kunden eine sog. Exporterklärung abgeben, in der sie erklären, die Waren noch am Tag des Einkaufes außer Landes zu bringen und nicht im Geltungsbereich der Verordnung zu konsumieren. Die behördliche Befreiung von der Pfandpflicht gilt auch für die vorgelagerten Handelsstufen, da sonst die Grenzhändler ihren Lieferanten Pfand zahlen müssten, ohne dies ihrerseits vom Endverbraucher erstattet zu bekommen.
In einigen skandinavischen Ländern, z.B. Dänemark und Schweden, gibt es bereits ein Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen. Da das Sortiment der Grenzläden überwiegend aus skandinavischen Produkten besteht (bei Bier über 97 %), wird die Einbeziehung dieser Produkte in die jeweiligen Pfandsysteme angestrebt. Haben die Grenzhändler bzw. ihre Vorvertreiber diskriminierungsfreien Zugang zu diesen Systemen, so soll im Regelfall die Befreiung mit der Auflage verbunden werden, dass sich der Antragsteller tatsächlich an diesem System beteiligt. Falls aber eine Beteiligung an einem solchen ausländischen Pfandsystem, z.B. aufgrund einer zu geringen Kundenzahl, unverhältnismäßig wäre, steht es im Ermessen der Behörden, insoweit von einer Auflage abzusehen.
Die Ausnahmeregelung in § 8 Abs. 3 dient auch der Sicherstellung eines funktionierenden Binnenmarktes. Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der in Deutschland geltenden Pfandpflicht können so verhindert werden. Durch die Auflage zur Beteiligung an ausländischen Pfandsystemen wird außerdem das Ziel der Richtlinie 094/92 des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle grenzüberschreitend gefördert, die Verwertung von Verpackungsabfällen sicherzustellen. Ebenso kann dadurch die Vermüllung der Landschaft (Littering) nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen Mitgliedstaaten der EU begegnet werden.
Der zusätzliche Verwaltungsaufwand für die zuständigen Abfallwirtschaftsbehörden hält sich wegen der Anzahl der betroffenen Unternehmen in engen Grenzen. Die Verwaltungskosten können mit Gebühren gedeckt werden. Ein Missbrauchsrisiko besteht nicht, da der Grenzhandel auf Unternehmen beschränkt ist, deren Verkaufsstellen sich in Seehäfen oder im grenznahen Bereich befinden und für die der grenzüberschreitende Handel eine signifikante wirtschaftliche Bedeutung hat.
- b) Zu § 10
Durch die Ergänzung um die Angabe oder Abs. 3" gilt die Verweigerungsmöglichkeit der Pfanderstattung nun auch für die Getränkeverpackungen, die der Regelung nach Abs. 3 (Grenzhandel) unterliegen. Der neu gefasste § 10 stellt klar, dass Hersteller und Vertreiber grundsätzlich pfandpflichtiger Verpackungen kein Pfand auf Verpackungen erstatten müssen, für die die Möglichkeit der Befreiung von der Pfandpflicht in Anspruch genommen wurde.
- c) Zu § 15
Die Ergänzung um die Nr. 17a ist erforderlich, da nach Aufnahme des § 8 Abs. 3 der Verstoß gegen die Befreiung sanktioniert werden soll.