Antrag des Landes Schleswig-Holstein
Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Höhe der Mindestdeckungssumme von Haftpflichtversicherungen nach § 21 Absatz 2 Nummer 1 Betriebssicherheitsverordnung
(BetrSichV)

Der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein Kiel, den 2. November 2010

An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die schleswigholsteinische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die als Anlage beigefügte Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Höhe der Mindestdeckungssumme von Haftpflichtversicherungen nach § 21 Absatz 2 Nummer 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 877. Sitzung des Bundesrates am 26. November 2010 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Harry Carstensen

Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Höhe der Mindestdeckungssumme von Haftpflichtversicherungen nach § 21 Absatz 2 Nummer Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Der Bundesrat möge beschließen:

Die Bundesregierung wird gebeten, schnellstmöglich die in § 21 Abs. 2 Nr. 1 BetrSichV für die Haftpflichtversicherung der Zugelassenen Überwachungsstellen festgelegte Mindestdeckungssumme von 2,5 Mio. EUR auf 20 Mio. EUR zu erhöhen.

Begründung:

Im August letzten Jahres ereignete sich an einer Tankstelle in Schleswig-Holstein ein Unfall, bei dem es zu einer Freisetzung einer erheblichen Menge von Flüssiggas gekommen ist.

Bei der Untersuchung des Unfalles durch die zuständige Behörde stellte sich heraus, dass die für diese Anlage nach den Regelungen der BetrSichV erstellten Gutachten der Zugelassenen Überwachungsstelle fehlerhaft waren. Schon aus den Antragsunterlagen war erkennbar, dass die Angaben zur Anlagenaufstellung falsch waren und dass der Tank weitestgehend ungeschützt an einer Stelle aufgestellt werden sollte, an der er so nicht hätte stehen dürfen. Dennoch war sowohl durch die gutachterliche Äußerung als auch durch die Prüfung vor Inbetriebnahme bescheinigt worden, dass die Anlage ordnungsgemäß geplant und errichtet worden sei. Dieses wurde selbst nach dem Unfall noch bescheinigt.

Die Prüfungen waren von zwei großen in Schleswig-Holstein tätigen renommierten Zugelassenen Überwachungsstellen durchgeführt worden.

Bei dem in Rede stehenden Unfall war ein Kleinwagen vom Typ Smart wegen nicht angezogener Handbremse eine vorhandene Neigung herabgerollt. Dabei hatte er einen 2,9t-Flüssigkeitstank beschädigt. Die zur Sicherung des oberirdischen Tanks aufgestellten Betonprofile wurden weggedrückt, der Tank selbst auf der Fundamentplatte nach hinten verschoben und die Rohrleitung abgerissen. Dieses führte zu einer Freisetzung von etwa 2.500 l Flüssiggas, was einer Sprengkraft von mehr als 600 kg TNT und ca. 37.500 m3 explosionsfähiger Atmosphäre entspricht.

Dass es hierbei nicht zu einem Großschadensereignis gekommen ist, ist lediglich auf das glückliche Zusammentreffen mehrerer Umstände zurückzuführen. So befand sich bei der zuerst vor Ort eintreffenden Feuerwehr ein Feuerwehrmann, der sich im Umgang mit der Abdichtung leckgeschlagener Flüssiggastanks auskannte und der die richtigen Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden ergriff. Darüber hinaus war in dem Zeitraum, als die explosionsfähige Atmosphäre vorhanden war, glücklicherweise keine Zündquelle vorhanden. Als Zündquelle hätte beispielsweise schon das Betätigen einer Klingel ausgereicht. Auch das Rauchen einer Zigarette hätte zum Eintritt eines Großschadensereignisses führen können.

Aufgrund dieses Vorfalles wurden alle in Schleswig-Holstein betriebenen Flüssiggastankstellen überprüft. Von 272 vorhandenen Anlagen waren 132 mängelbehaftet. 26 dieser Anlagen mussten sogar stillgelegt werden.

In allen Fällen war durch die Prüfer der Zugelassenen Überwachungsstellen bestätigt worden, dass sich die Anlagen in ordnungsgemäßem sicherem Zustand befinden. Diese Erkenntnisse wurden den übrigen Bundesländern mitgeteilt, welche dann ihrerseits Überprüfungsmaßnahmen durchgeführt haben. Die Ergebnisse dieser Prüfungen bestätigen die schleswigholsteinischen Erkenntnisse. Auch dort wurden in großem Umfang fehlerhafte Gutachten und Prüfbescheinigungen der Zugelassenen Überwachungsstellen, auch von anderen als in Schleswig-Holstein tätigen, gefunden.

Daher muss davon ausgegangen werden, dass auch andere, gefährliche und deshalb überwachungsbedürftige Anlagen nicht den Vorschriften entsprechend geprüft wurden und werden und dass nicht nur Flüssiggastankstellen betroffen sind.

Die Haftung der zugelassenen Überwachungsstellen beschränkt sich auf die abgeschlossene Deckungssumme einer Haftpflichtversicherung und das vorhandene Vermögen. Die rechtlich geforderte Mindestdeckungssumme für Haftpflichtversicherungen Zugelassener Überwachungsstellen beträgt nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 BetrSichV 2,5 Mio. Euro. Die aktuellen Erkenntnisse über die Prüfqualität und die von den Zugelassenen Überwachungsstellen gewählten Gesellschaftsformen (GmbH, GmbH & Co. KG) machen deutlich, dass diese Deckungssumme bei weitem nicht ausreichen kann, wenn es zu einem Schaden kommen sollte. Das hätte zur Folge, dass das jeweilige Land und die Geschädigten - Betreiber, Pächter, Anwohner - selbst im Schadenfall alle Kosten für die Beseitigung der Zerstörungen und sonstiger Schäden tragen müssten, die über den Betrag von 2,5 Millionen € plus Gesellschaftsvermögen hinausgehen. Eine Haftung des Anlagenbetreibers dürfte dabei kaum in Frage kommen, da diesem sowohl in Bezug auf die Antragsunterlagen als auch auf die Aufstellung der Anlage gutachterlich bestätigt worden ist, dass sich seine Anlage in einem ordnungsgemäßen, sicherem Zustand befindet.

Wäre es bei dem geschilderten Unfall zu einer Entzündung und Explosion der freigesetzten, ausgebreiteten Gaswolke gekommen, wären in dem dicht besiedelten Gebiet nicht nur Sach- sondern auch Personenschäden zu beklagen gewesen. Allein die Kosten für die Versorgung von Personenschäden, vor allem bei Schwerbrandverletzten, hätte die Mindestdeckungssumme und das Gesellschaftsvermögen der Zugelassenen Überwachungsstelle bei weitem überschritten, so dass andere Kostenträger hätten herangezogen werden müssen

Die vorgeschlagene Erhöhung auf 20 Mio. Euro orientiert sich an Deckungssummen, die in vergleichbaren Fällen vorgeschrieben sind. Diese liegen beispielsweise für Prüfungsorganisationen, die in Kernkraftwerken prüfen oder für die Ethikkommissionen der Ärztekammern bei mehr als 20 Mio. Euro.

Im Bereich des Betriebs von Kraftfahrzeugen wird in der Anlage zu § 4 Abs. 2 des Pflichtversicherungsgesetzes vorgeschrieben, dass die Mindesthöhe der Versicherung von Kraftfahrzeugen je Schadensfall für Personen 7,5 Mio. Euro und für Sachschäden 1,0 Mio. Euro beträgt. Die Mindesthöhe der Versicherungssumme für Personenschäden beträgt also das Dreifache der Mindestdeckungssumme nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 BetrSichV.

Es ist daher folgerichtig und geboten, auch die Mindestdeckungssumme nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 BetrSichV entsprechend anzuheben.