Der Bundesrat hat in seiner 863. Sitzung am 6. November 2009 beschlossen, zu dem Bericht wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat dankt der Bundesregierung für den umfangreichen Erfahrungsbericht zur Umsetzung des Gewebegesetzes.
- 2. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass er die unter Ziffer 3.1.3 (vgl. Seite 9 der BR-Drucksache 688/09 (PDF) ) vorgenommene Interpretation der Bundesregierung zum Vollzug des § 20b Absatz 2 Arzneimittelgesetz (AMG) nicht teilt.
Die Bundesregierung vertritt an dieser Stelle des Berichtes die Auffassung, dass eine Erlaubnis nach § 20b Absatz 2 AMG durch die Behörde zu erteilen ist, die für die (dezentrale) Entnahmeeinrichtung vor Ort zuständig ist.
Aus Sicht des Bundesrates ist jedoch die für den (zentralen) Hersteller oder Be- oder Verarbeiter örtlich zuständige Behörde für die Erlaubniserteilung zuständig.
Dies entspricht vergleichbaren Regelungen im AMG und trägt zugleich ohne Sicherheitsverlust zur Übersichtlichkeit des Vollzugs und zur Verminderung der Bürokratie bei. Um mehr Rechtssicherheit zu schaffen, wäre es wünschenswert, wenn das AMG an den entsprechenden Stellen eindeutiger formuliert wäre.
3. Zur Gewebeentnahme durch mobile Teams (Ziffer 3.1.3, vgl. Seite 11 der BR-Drucksache 688/09 (PDF) ) sieht die Bundesregierung rechtlich keinen weiteren Handlungsbedarf. Auch diese Position wird vom Bundesrat so nicht geteilt.
Der Bundesrat stellt die Gewebeentnahme durch mobile Teams an sich nicht in Frage. Die Bundesregierung führt aber in ihrem Bericht selbst aus, dass in diesem Fall die Entnahme der Gewebe ungeplant in Räumlichkeiten (z.B. in Bestattungsinstituten oder Privathaushalten) erfolgt, die nicht von einer Erlaubnis nach § 20b AMG erfasst, d. h. den zuständigen Behörden vorher nicht bekannt sind. Dieser "Sonderfall" der Gewebeentnahme sollte deshalb aus grundsätzlichen Erwägungen nicht nur in der entsprechenden Rechtsverordnung ( § 34 AMWHV), sondern auch in § 20b AMG erwähnt werden.
Begründung
Mit dem Gewebegesetz sind europäische Qualitäts- und Sicherheitsstandards für menschliche Gewebe und Zellen unter anderem im Arzneimittelgesetz (AMG) verankert worden. Der im Jahre 2007 zustande gekommene Kompromiss hatte das Ziel, die Sicherheit für Gewebe und Gewebezubereitungen zu erhöhen und den bürokratischen Aufwand gleichzeitig so gering wie möglich zu halten.
Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Ausstellung einer Erlaubnis nach § 20b Absatz 2 AMG für einen Hersteller oder Be- oder Verarbeiter mit einer Erlaubnis nach § 13 oder § 20c AMG durch die zuständige (Vor-Ort-) Behörde der Entnahmeeinrichtung oder des Untersuchungslabors würde nicht der gängigen Verwaltungspraxis entsprechen, da letztere für den (zentralen) Hersteller oder Be- oder Verarbeiter örtlich nicht zuständig ist. Da die Entnahmeeinrichtung oder das Untersuchungslabor nach § 20b Absatz 2 AMG keine eigene Erlaubnis erhält, kann nur die für den Hersteller oder Be- oder Verarbeiter örtlich zuständige Behörde für die Erlaubniserteilung nach § 20b Absatz 2 AMG zuständig sein. Die hierfür erforderliche Änderung einer Anlage (Aufnahme einer Entnahmeeinrichtung) einer bestehenden Erlaubnis nach § 20c oder § 13 AMG unterliegt dabei keiner umfangreichen erneuten Prüfung dieser Erlaubnis und stellt ein der Gewebesicherheit genügendes und zugleich vereinfachtes Verfahren zur Verminderung des bürokratischen Aufwands dar.
Diese bisherige Verwaltungspraxis der Länder findet sich analog in § 14 Absatz 4 oder § 20c Absatz 2 AMG wieder. Die für den Hersteller oder Be- oder Verarbeiter zuständige Behörde behält den Überblick über alle mit dem Hersteller kooperierenden Einrichtungen. Gleichzeitig bleibt die Prüfung nur lokal geltender Dokumente und Vorgaben durch die für die Entnahmeeinrichtung oder das Untersuchungslabor zuständige Behörde gewährleistet. Die im Bericht dargelegte Sichtweise der Bundesregierung würde dagegen einen erheblichen Verwaltungsmehraufwand bedeuten und die Übersichtlichkeit reduzieren, ohne die Sicherheit zu erhöhen.
Zur Gewebeentnahme durch mobile Entnahmeteams ist der Bundesrat der Auffassung, dass die Konstellation "mobiles Entnahmeteam verfügt über eine Erlaubnis nach § 20b Absatz 1 AMG und entnimmt Gewebe in Räumlichkeiten, für die keine Erlaubnis nach § 20b Absatz 1 oder Absatz 2 AMG vorliegt", vom Wortlaut des § 20b AMG nicht abgedeckt ist.
Es ist dem Bundesrat durchaus bewusst, dass solche Konstellationen (z.B. ungeplante Gewebeentnahme in Bestattungsinstituten oder Privathaushalten) vorkommen können bzw. oftmals den Regelfall darstellen. Gleichfalls ist zutreffend dass § 34 Absatz 2 Nummer 4 AMWHV zu dieser besonderen Art der Gewebeentnahme Festlegungen trifft. Solche Aussagen zur Gewebeentnahme in unbekannten Räumen sind aber in § 20b AMG definitiv nicht enthalten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass durch bestimmte Inhalte der AMWHV Grundaussagen des AMG (Gewebeentnahmen durch genehmigtes und qualifiziertes Personal in genehmigten und geeigneten Räumlichkeiten) nicht "umgedeutet" oder weiter ausgelegt werden können. Der Bundesrat hält deshalb eine entsprechende inhaltliche Anpassung des § 20b AMG für erforderlich.