Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat mit Schreiben vom 31. August 2005 zu den Entschließungen des Bundesrates zum Vierten Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 15. Oktober 2004 (BR-Drs. 701/04(B) ) wie folgt Stellung genommen:
Zu Ziffer 1 (Änderung der Vergütungsstruktur beim Vermittlungsgutschein)
Der vom Bundesrat gewünschten Erhöhung der Vergütung des Vermittlungsgutscheins auf 3.000 Euro bei erfolgreicher Vermittlung von älteren Arbeitslosen durch private Arbeitsvermittler vermag die Bundesregierung nicht zuzustimmen. Die schwierige Arbeitsmarktsituation der älteren arbeitslosen Personen ist zwar unstrittig, jedoch würde eine Erhöhung der Vermittlungsvergütung speziell nur für diesen Personenkreis zwangsläufig auch einem entsprechenden Handlungsbedarf bei den anderen Personengruppen hervorrufen, deren Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ebenfalls erschwert ist. Diesem Handlungsbedarf wäre jedoch nur gerecht zu werden, wenn die Vergütungshöhe von den jeweiligen individuellen beruflichen Eingliederungsaussichten des Arbeitslosen abhängig gemacht würde. Für solch eine Verfahrensweise dürfte es jedoch vor dem Hintergrund der derzeitigen Realität in den Agenturen für Arbeit noch zu früh sein. Daneben wäre ein solches Verfahren auch recht kompliziert, was aber gerade durch die einheitliche Vergütung von 2.000 Euro vermieden wird.
Zu Ziffer 2 (Zusammenführung des Überbrückungsgelds und des Existenzgründungszuschusses zu einem Förderinstrument)
Mit dem befristeten Instrument des Existenzgründungszuschusses (§ 421 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III); sog. Ich-AG) wird das arbeitsmarktpolitische Ziel verfolgt, das Potenzial an gründungswilligen Arbeitslosen stärker als bisher nur mit dem Überbrückungsgeld ( § 57 SGB III) zu erschließen. Die Ich-AG-Förderung zielt mittels der sozialversicherungsrechtlichen Flankierung (Rentenversicherungspflicht; niedrigerer Mindestbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Vorliegen geringer Einkommen) und der längeren Förderdauer (bis zu drei Jahre) auf Gründerinnen und Gründer ab, die nicht unmittelbar nach dem Unternehmensstart eine sich selbst tragende Existenz aufbauen können.
Wie erste empirische Ergebnisse zeigen, ist mit dem Existenzgründungszuschuss ein Förderinstrument geschaffen worden, das zusätzliche Gründungen zu mobilisieren vermag. Durch die spezifische Ausgestaltung der Förderung werden in besonderem Maße Personen mit geringeren Ansprüchen auf Entgeltersatzleistungen angesprochen sowie Zweiteinkommensverdiener, die auf ein weiteres Einkommen im Haushalt zurückgreifen können. Die Ich-AG-Förderung hat besser als das Überbrückungsgeld Problemgruppen auf dem Arbeitsmarkt wie z.B. gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose erreicht.
Zwar wurden mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze die Fördervoraussetzungen für Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss einander angeglichen, jedoch rechtfertigt die unterschiedliche materielle Ausrichtung der Förderung die Beibehaltung des befristeten Existenzgründungszuschusses. Nach Abschluss der Evaluation der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt kann auf der Basis empirisch gesicherter Erkenntnisse an eine Neukonzeption der Existenzgründungsförderung im SGB III gegangen werden. Eine Zusammenfassung zu nur einem Instrument, die grundsätzlich eine bedenkenswerte Option ist, hat nach heutigem Erkenntnisstand noch keine eindeutigen Vorteile gegenüber einer Beibehaltung von zwei Fördervarianten.
Zu Ziffer 3 (Ergänzung von Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss um Instrumente zur Kreditvergabe an Gründungswillige)
Die Bundesregierung schließt sich der Auffassung an, dass die Leistungen der Arbeitsförderung Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung dazu beitragen, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherung während der Aufbauphase einer hauptberuflichen Selbständigkeit zu unterstützen. Die Bereitstellung von Kapital für Investitionen oder Betriebsmittel gehört nicht zu den förderpolitischen Zwecken der Arbeitsförderung, sondern fällt in den Bereich der Wirtschaftsförderung.
Die bisher erwerbslosen Gründer haben - bedingt durch ihr Unternehmenskonzept - in aller Regel einen vergleichsweise geringen Kapitalbedarf, der mangels eigener Mittel nur durch Kredite abgedeckt werden kann. Hier steht das Start-Geld der KfW zur Verfügung, mit dem zinsgünstig bis zu 25.000 € beantragt werden können. Für die Banken gibt es eine 80%-ige Freistellung von der Rückzahlungsverpflichtung, falls das Vorhaben notleidend wird. Die Kreditwirtschaft hat betont, dass bei kleineren Kreditabschnitten nicht so sehr die Risikokosten, sondern die vergleichsweise höhere Stückbearbeitungskosten kaum verdient werden können. Aus diesem Grund bietet die KfW - zunächst als Pilotvorhaben - seit März 2005 im Start-Geld das besondere Fenster "Mikro 10" an, das mit einer leichteren Handhabbarkeit und verbesserten Konditionen für die Banken versehen ist. Damit ist die Vergabebereitschaft der Banken erhöht worden.
Zu Ziffer 4 (Darlehensvergabe durch Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende)
Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die bisherige Möglichkeit nach § 30 BSHG zw. Unterstützung von Existenzgründungsvorhaben über Zuschüsse oder Darlehen vom Gesetzgeber auch im neuen System der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht.
Erwerbsfähigen Hilfebedürftigen kann bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit - zusätzlich zum ergänzenden Arbeitslosengeld 11 - das Einstiegsgeld ( § 29 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erbracht werden. Mit dem Gesetz zur Neufassung der Freibetragregelungen für erwerbsfähige Hilfbedürftige, das zum 1. Oktober 2005 in Kraft tritt, hat die Bundesregierung die Möglichkeit geschaffen, künftig das Einstiegsgeld auch dann zu gewähren, wenn durch ein knapp bedarfsdeckendes Einkommen die Hilfebedürftigkeit wegfällt. Diese Verbesserung erleichtert die praktische Handhabung des Einstiegsgeldes zur finanziellen Unterstützung insbesondere bei Existenzgründungen.
Weitere Existenzgründungshilfen, die nicht dem gleichen Zweck wie das Einstiegsgeld dienen, können nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB 11 als sonstige weitere Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auch heute schon durch den zuständigen SGB II Träger erbracht werden. Demnach können die SGB II-Träger schon heute Darlehen vergeben.
Für ein entsprechendes KfW-Kommunalkreditprogramm, das Kommunen zinslose Kredite zur Weitergabe an Gründer zur Verfügung stellt, besteht - auch aus programmsystematischen Gründen - kein Spielraum.
Zu Ziffer 5 (Gleiche Fördermöglichkeiten zur Existenzgründung nach SGB II und SGB III)
Die Bundesregierung weist darauf hin, dass der Existenzgründungszuschuss und das Überbrückungsgeld als Leistungen der Arbeitsförderung nicht auf die Systematik des SGB II übertragbar sind. Würden sie dennoch als Eingliederungsleistungen im Rahmen des SGB II zur Verfügung stehen, wären sie trotz ihrer zum Teil lebensunterhaltssichernden Funktion kumulativ zum Arbeitslosengeld II zu zahlen, denn Geldleistungen nach dem SGB II sind gemäß § 11 Abs. 1 SGB II nicht aufeinander anzurechnen. Dies ist abzulehnen. Aus diesem Grund wurde mit dem Kommunalen Optionsgesetz klargestellt, dass der Existenzgründungszuschuss und das Überbrückungsgeld ausschließlich im SGB III aufgeführt bleiben.
Mit dem Einstiegsgeld nach § 29 SGB II steht jedoch ein vergleichbares Instrument zur Förderung der Existenzgründung zur Verfügung. Im Übrigen haben Arbeitsuchende, die neben dem Arbeitslosengeld nach dem SGB III lediglich ergänzend Arbeitslosengeld 11 beziehen, weiterhin Anspruch auf Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss nach dem SGB III.
Zu Ziffer 6 (Vergütungsregelung für die Inanspruchnahme der Integrationsfachdienste)
Im Gegensatz zu den Darlegungen der Entschließung des Bundesrates enthält das SGB III mit dem Vermittlungsgutschein des § 421g SGB III sowie mit der in § 37 SGB III geregelten Beauftragung Dritter ausreichende arbeitsmarktpolitische Instrumente, um die Vermittlungsleistungen von Integrationsfachdiensten
Die mit dem Vierten Änderungsgesetz in § 421g SGB III vorgesehene modifizierte Fortführung der Regelungen zum Vermittlungsgutschein sieht ausdrücklich eine Anwendung dieser Regelungen auf die Integrationsfachdienste vor. Dies wird in § 421g Absatz 3 Nr. 4 SGB III deutlich, der im Ergebnis zulässt, dass die Integrationsfachdienste die Vergütung auch dann erhalten, wenn sie keine Gewerbeanmeldung vorgenommen haben. Damit wird ausdrücklich anerkannt, dass auch bei Integrationsfachdiensten Vermittlungsgutscheine eingelöst werden können. Schwerbehinderte Menschen können sich also auch mit ihren Gutschein direkt an den Integrationsfachdienst wenden.
Zudem ist der Einsatz des Vermittlungsgutscheins durch die von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und der Bundesagentur für Arbeit vereinbarten "Grundsätze zur Nutzung und Mitfinanzierung der Integrationsfachdienste" gesichert. Die Grundsätze regeln die Nutzung der Integrationsfachdienste durch arbeitslose und arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen bei den Arbeitsagenturen und auch bei den zugelassenen kommunalen Trägern.
Daneben kann die Bundesagentur für Arbeit nach § 37 SGB III Dritte mit der Vermittlung oder Teilaufgaben der Vermittlung schwerbehinderter Menschen beauftragen. Wenn solche Leistungen ausgeschrieben werden, können sich Integrationsfachdienste bewerben und den Zuschlag erhalten.
Für die Bundesregierung besteht deshalb in dieser Frage kein Handlungsbedarf.
Zu Ziffer 7 (Zusammenarbeit der Träger nach dem SGB II in Arbeitsgemeinschaften)
Die Bundesregierung wird ihrer Verantwortung für einen reibungslosen Ablauf der Errichtung von Arbeitsgemeinschaften gerecht. Bis zum Stand 31. Juli 2005 haben sich von 381 Kommunalen Trägern (ohne optierende Kommunen) 362 (rd. 95%) zur Zusammenarbeit in 356 Arbeitsgemeinschaften entschieden. Derzeit liegen 355 unterzeichnete Verträge und eine Gründungsvereinbarung vor. Der überwiegende Anteil der Arbeitsgemeinschaften hat sich - auch ohne die in der Entschließung geforderte gesetzliche Präzisierung - für die öffentlichrechtliche Rechtsform entschieden. Die gegründeten Arbeitsgemeinschaften sind voll arbeitsfähig und widmen sich nach einer längere Zeit dauernden Findungsphase nunmehr intensiv der Vermittlung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit.
Alle Arbeitsgemeinschaften haben mittlerweile ein Arbeitsmarktprogramm erstellt, das mit der Trägerversammlung abgestimmt und für das laufende Jahr handlungsleitend ist. Im Rahmen des Arbeitsmarktprogramms legt die ARGE fest, bei welchen Eingliederungsleistungen sie ihre Schwerpunkte setzt. Insgesamt sind in den Arbeitsgemeinschaften nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zum Stand Mitte Juni 40.800 Fachkräfte beschäftigt, über die Hälfte (52%) sind unmittelbar für den Bereich Vermittlung und Integration zuständig. 43% der Mitarbeiter stellen die Agenturen für Arbeit, 37% die kommunalen Behörden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat einen intensiven Meinungsaustausch mit den Arbeitsgemeinschaften geführt und aktuelle Fragen der praktischen Zusammenarbeit in den Arbeitsgemeinschaften, Organisation der Arbeitsgemeinschaften, des Personals, der Aufsicht und des Haushalts sowie besondere Maßnahmen für Jugendliche und Ältere diskutiert
Um die aktuellen Fragen der Aufstellung der Arbeitsgemeinschaften und ihrer Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen bzw. kommunalen Spitzenverbänden weiter aufzuarbeiten und zu lösen, wurden sechs Arbeitsgruppen zu den Themen Verwaltungskosten, Personal, IT, Arbeitsmarktpolitik, Datenübermittlung/Statistik, Steuerungssystem gebildet. Im Juli hat die Bundesagentur für Arbeit in Zusammenarbeit mit dem BMWA und den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene drei Regionalkonferenzen durchgeführt.
Die bisherige so genannte Startaufstellung der Arbeitsgemeinschaften sieht die Gewährung nur eingeschränkter Handlungsspielräume auf lokaler Ebene durch die Träger vor. Bei der Zusammenarbeit von Agenturen für Arbeit und kommunalen Trägern vor Ort ergeben sich daher häufig Reibungsverluste insbesondere aufgrund unklarer Entscheidungsbefugnisse, die einer besseren Vermittlung und damit besseren Arbeitsmarktergebnissen im Wege stehen. Zur Erweiterung der Handlungsspielräume der Arbeitsgemeinschaften vor Ort haben Bundesminister Clement und der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Herrn Weise, am 27. Juni 2005 daher die folgenden Eckpunkte beschlossen:
Stärkung der Geschäftsführung in den Arbeitsgemeinschaften insbesondere durch klare Entscheidungsbefugnisse im operativen Geschäft, die vollständige Weisungsbefugnis über die von den Leistungsträgern bereitgestellten Mitarbeiter, und die Verantwortung für die Verwendung der Mittel für die Eingliederung und der Verwaltung vor Ort
Schaffung klarer Verantwortlichkeiten in den Arbeitsgemeinschaften durch klare Mehrheitsverhältnisse in der Trägerversammlung
Gewährleistung von Handlungsfreiheiten durch die Bundesagentur für Arbeit gegenüber den Arbeitsgemeinschaften im Wege einer Selbstbeschränkung auf eine Gewährleistungsverantwortung
Verbindliche Anerkennung der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit für Controlling, Benchmarking und Qualitätsstandards
Zur Umsetzung der Eckpunkte haben Bundesminister Clement, der Vorstand Operativ der Bundesagentur für Arbeit Alt sowie die Präsidenten des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am 01. August 2005 eine Rahmenvereinbarung zur Weiterentwicklung der Grundsätze der Zusammenarbeit der Träger der Grundsicherung in den Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44b SGB II unterzeichnet.
Die Bundesregierung sieht aufgrund des erreichten Sachstandes bei der Errichtung von Arbeitsgemeinschaften Gemäß § 44b SGB II und nach der Weiterentwicklung ihrer Startaufstellung der Arbeitsgemeinschaften nunmehr keine Notwendigkeit mehr, durch eine Rechtsänderung die Errichtung einer Organisationseinheit öffentlichen Rechts zu präzisieren.