Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu dem Beschluss des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung) C(2018) 33 final

Europäische Kommission Brüssel, 23.01.2018 C(2018) 33 final

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael MÜLLER
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland

Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (Neufassung) {COM (2017) 548 final).

Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen möchte die Kommission einen Beitrag zur Schaffung eines vertieften und faireren Binnenmarktes leisten, in dem der Schutz der Interessen der Verbraucher und der sozialen Rechte von zentraler Bedeutung ist. Das Ziel des Vorschlags zur Überarbeitung der Rechte von Bahnreisenden besteht darin, den Schutz der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr in der Union zu verbessern und ihren Zugang zu diesen Rechten zu erleichtern. Dabei soll die wirtschaftliche Lage des Schienensektors als einem nachhaltigen Verkehrsmittel in einem wettbewerbsorientierten Umfeld angemessen berücksichtigt werden.

Die derzeit geltende Verordnung' hat sich insgesamt positiv auf die Verbesserung des Schutzes der Bahnreisenden ausgewirkt. Bei der Anwendung waren jedoch zwei Hauptproblembereiche zu erkennen. Dabei handelt es sich zum einen um die wirksame Ausübung der Fahrgastrechte, auch von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität, und zum anderen um etwaige Belastungen der Eisenbahnunternehmen. Bezüglich der ersten Problematik ist anzumerken, dass Bahnreisende die Rechte, die sie nach der Verordnung haben, nicht immer in vollem Umfang ausüben können. Dies ist vor allem auf die Fragmentierung des Regelungsrahmens zurückzuführen, zu der es durch die zahlreichen Ausnahmeregelungen der Mitgliedstaaten für die inländischen Verkehrsdienste gekommen ist. Zudem standen die in der Verordnung festgelegten Rechte von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität nicht vollständig mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Einklang. Der zweite Problembereich betrifft mögliche Belastungen von Eisenbahnunternehmen aufgrund der uneinheitlichen Anwendung der Verordnung sowie das Risiko einer ungünstigeren Behandlung der Eisenbahnunternehmen im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern.

Die Kommission begrüßt die breite Unterstützung der Ziele des Vorschlags durch den Bundesrat. Sie nimmt zur Kenntnis, dass er hinsichtlich der Verfügbarkeit von Durchgangsfahrkarten und der Weiterreise mit geänderter Streckenführung, wenn aufgrund einer Verzögerung im vorangehenden Reiseabschnitt ein Anschlusszug verpasst wird, sowie in Bezug auf eine Klausel über höhere Gewalt, nach der Eisenbahnunternehmen unter bestimmten Umständen bei Verspätungen keine Entschädigung zahlen müssen, Bedenken hegt.

Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates sehr ernst. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der Vorschlag die Eisenbahnunternehmen stärker zur Zusammenarbeit verpflichtet, um den Kauf von Durchgangsfahrkarten zu ermöglichen. Das Recht der Fahrgäste, klare Informationen über die Art der von ihnen gekauften Fahrkarte (Durchgangsfahrkarten oder gesonderte Beförderungsverträge) zu erhalten, wird ebenfalls gestärkt. So können die Fahrgäste vor dem Kauf eine Entscheidung in voller Kenntnis der Sachlage treffen. Die Verringerung der Fahrgastrechte durch die Einführung einer Klausel über höhere Gewalt wurde im Legislativvorschlag bereits durch die Aufnahme einer engen Definition der Sachverhalte begrenzt, die als "höhere Gewalt" erachtet werden können. So ist nur in Fällen, in denen die Verspätung von schlechten Witterungsbedingungen oder großen Naturkatastrophen verursacht wurde, die den sicheren Betrieb des Verkehrsdienstes gefährdeten, von höherer Gewalt auszugehen. Darüber hinaus reicht das Vorliegen eines solchen Sachverhalts allein nicht aus, um die Beförderungsunternehmen von der Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung zu entbinden, da der Beförderer zudem nachweisen muss, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Verspätung zu verhindern.

Die Kommission nimmt ferner die Bitte des Bundesrates zur Kenntnis, die Bundesregierung möge die Vorschriften für die Beförderung von Fahrrädern in Zügen sowie die Möglichkeit für alle Fahrgäste (nicht nur für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität) prüfen, Fahrkarten im Zug ohne Aufpreis zu erwerben, wenn an Bahnhöfen kein Fahrkartenschalter oder funktionierender Fahrscheinautomat vorhanden ist.

Schließlich nimmt die Kommission die Anregung des Bundesrates zur Kenntnis, Eisenbahnunternehmen, Fahrkartenverkäufer, Bahnhofsbetreiber und Infrastrukturbetreiber von Bahnhöfen zur Einführung von Beschwerdeverfahren zu verpflichten und die Zusammenarbeit zwischen diesen Akteuren, u.a. durch zentrale Beschwerdestellen, zu stärken.

Die Kommission ist erfreut, dass der Bundesrat die neuen Regelungen für Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität und die neuen Vorgaben für die Einrichtung und Arbeit der nationalen Durchsetzungsstellen begrüßt.

Die Stellungnahme des Bundesrats wurde den Vertretern der Kommission im Rahmen der laufenden Verhandlungen mit den gesetzgebenden Organen übermittelt und wird in diese Erörterungen einfließen.

Die vorstehenden Erläuterungen stützen sich auf den ursprünglichen Vorschlag der Kommission, der derzeit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Erörterung vorliegt. Die Arbeitsgruppe des Rates hat unter dem estnischem Ratsvorsitz bereits mehrere Sitzungen abgehalten, und es ist zu hoffen, dass in dieser Angelegenheit weitere Fortschritte mit den gesetzgebenden Organen erzielt werden.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrats aufgeworfenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.

Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermanns Violeta Bulc
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission

* Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABI. L 315 vom 3.12.2007, S. 14).