Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Hamburg
Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Praxisgebühr

Die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf, den 24. Oktober 2012

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Praxisgebühr zuzuleiten.

Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung auf die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 2. November 2012 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Hannelore Kraft

Entschließung des Bundesrates zur Abschaffung der Praxisgebühr

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die in § 28 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V verankerte Praxisgebühr ersatzlos gestrichen wird.

Begründung:

Die Praxisgebühr von 10 € pro Quartal in der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung hat sich nicht bewährt. Die Einführung der Praxisgebühr hatte zum Ziel, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken und unnötige Arztbesuche bei Bagatellanliegen zu vermeiden. Das Ziel der Steuerungswirkung hin zu einer stärkeren bedarfsorientierten Inanspruchnahme wurde nachweislich nicht erreicht.

Dies bestätigen u.a. zwei Studien, die in dem Bericht des GKV-Spitzenverbandes vom 15. November 2011 ausgewertet wurden. Empirische Auswertungen belegen, dass eine Senkung des Nachfrageeffekts lediglich kurzfristig nach der Einführung erreicht werden konnte. Im weiteren Zeitverlauf näherte sich die Zahl der Arztkontakte wieder dem alten Stand an.

Neben der fehlenden Steuerungswirkung stellt die Praxisgebühr in Einzelfällen sogar eine Zugangshürde zur ambulanten vertragsärztlichen und -zahnärztlichen Versorgung dar. Betroffen sind insbesondere Geringverdienende, die sich trotz Härtefallregelung aufgrund ihrer finanziellen Situation die Praxisgebühr nicht leisten können und deshalb notwendige Arztbesuche verschieben oder ganz darauf verzichten. Dies kann nicht nur für die Betroffenen schwerwiegende medizinische Folgen haben, sondern letztlich auch insgesamt zu höheren Ausgaben führen.

Faktisch hat sich die Praxisgebühr letztlich zu einer zusätzlichen Einnahmequelle entwickelt. Aufgrund der aktuellen Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung erscheint eine Streichung der Praxisgebühr derzeit verkraftbar.

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die mit der Praxisgebühr erzielten Einnahmen von ca. 1,5 - 2 Mrd. Euro durch zahlreiche zum Teil versteckte Kosten deutlich relativiert werden. Die Umsetzung der Praxisgebühr in den Praxen hat einen hohen bürokratischen Aufwand zur Folge, der in verschiedenen Quellen mit 360 - 500 Millionen Euro jährlich beziffert wird. Der zusätzliche Zeitaufwand in den Praxen geht zu Lasten der medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten. Eine Entbindung von dieser Verwaltungsaufgabe bedeutet für die Arztpraxen, dass sie wieder mehr Zeit für ihre Kernaufgabe aufwenden können - der medizinischen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger.