953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017
A
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:
1. Zur Überschrift
Zu Nummer 1
Zu Nummer 2 Buchstabe b1 - neu - Der Entschließungstext ist wie folgt zu ändern:*
* bei Ablehnung von Ziffer 1 oder 2 redaktionell anzupassen
- a) In der Überschrift ist nach dem Wort "Bußgeldkatalog-Verordnung" das Wort "insbesondere" einzufügen.
- [2.] [b) Nummer 1 ist zu streichen.]
- c) Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die nummerische Bezeichnung ist zu streichen.
- bb) In Buchstabe b ist das Wort "und" durch ein Komma zu ersetzen.
- cc) Folgender Buchstabe b1 ist einzufügen:
"b1. eine Erhöhung der Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung bei innerörtlichen Geschwindigkeitsverstößen sowie bei Park- und Haltverstößen auf Radwegen, Schutzstreifen für Radfahrende, Bussonderfahrstreifen und Haltestellen für den Öffentlichen Personennahverkehr und"
Folgeänderung:
Die Begründung ist wie folgt zu ändern:
- [a) Nummer 1 ist zu streichen.]
- b) Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die nummerische Bezeichnung ist zu streichen und vor dem letzten Absatz folgender Absatz einzufügen:
"Auch innerörtliche Verkehrsverstöße, die auf den ersten Blick vielleicht weniger gravierend erscheinen, führen aufgrund der dortigen komplexen Infrastruktur und des hohen Verkehrsaufkommens städtischer Gebiete mit einem ausgeprägten Aufeinandertreffen verschiedener Verkehrsarten häufig zu Verkehrsgefährdungen, insbesondere schwächerer Verkehrsteilnehmer. Wenngleich es zutreffend ist, dass Geschwindigkeitsverstöße eine besondere Gefährlichkeit aufweisen, so beschränkt sich diese innerorts keinesfalls ausschließlich auf eklatante Überschreitungen. Das Verletzungs- und Sterberisiko von Radfahrern und Fußgängern steigt bereits bei Geschwindigkeitsverstößen signifikant an, die derzeit mit Verwarn- oder Bußgeldern zwischen 15 Euro (Überschreitung bis 10 km/h) und gerade einmal 100 Euro (Überschreitung um 26 - 30 km/h) geahndet werden. Das sich zukünftig immer mehr verändernde Verkehrsaufkommen hin zu mehr Fahrrad und Öffentlichem Personennahverkehr machen es erforderlich, dass neben den bisher als besonders verkehrsgefährdend eingestuften Verkehrsverstößen noch weitere eine andere Wertung erfahren müssen als bisher. Rücksichtslos verkehrswidrig parkende Kraftfahrzeuge in zweiter Reihe, auf Radwegen, Schutzstreifen, Bussonderstreifen und an Haltestellen des ÖPNV sind zudem zunehmend festzustellen und führen ebenfalls nicht nur zu Verkehrsbehinderungen, sondern auch zu Gefährdungen von Verkehrsteilnehmern. Über eine Erhöhung der Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung in diesem Bereich ist ebenfalls eine Erhöhung der Verkehrssicherheit zu erwarten."
- bb) Im letzten Absatz ist das Wort "Beträge" durch das Wort "BKatV-Regelsätze" zu ersetzen.
- aa) Die nummerische Bezeichnung ist zu streichen und vor dem letzten Absatz folgender Absatz einzufügen:
Begründung (nur für das Plenum):
Zu Buchstabe a
Änderung der Überschrift
Zu Buchstabe b
Aus verwaltungsökonomischen Gründen ist eine einkommensabhängige Bemessung von Geldbußen abzulehnen. Der damit verbundene signifikant höhere Verwaltungsaufwand kollidiert mit den Erfordernissen eines Massenverfahrens wie dem Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren. Es ist nicht realistisch, die dann erforderlichen validen Daten über die Einkommensverhältnisse jedes Betroffenen mit angemessenem Aufwand zu erlangen. Eine individuelle Prüfung der Angaben jedes Einzelnen wäre mit unverhältnismäßigem Aufwand in den Bußgeldbehörden und auch der intensiveren Einbeziehung anderer Behörden verbunden. Das Verfahren und die damit verbundenen neuen Aufgaben würden mit dem vorhandenen Personal nicht zu bewältigen sein und einen deutlichen Personalmehrbedarf verursachen.
Auch die sehr kurze Verjährungsfrist bei Verkehrsordnungswidrigkeiten von drei Monaten (§ 26 Absatz 3 StVG) ist mit dem zu erwartenden zunehmenden Ermittlungsaufwand nicht vereinbar. Eine steigende Anzahl an Einstellungen von Verfahren wegen Verfolgungsverjährung wäre ebenso zu befürchten wie eine sinkende Anzahl bearbeiteter Verfahren. Dies würde im Endeffekt zu sinkendem Verfolgungsdruck führen und dem eigentlich angestrebten Ziel zuwiderlaufen.
Zudem ist zu erwarten, dass durch die Heranziehung eines Einkommens die Zahl der Einsprüche und damit auch die Belastung der Gerichte erheblich steigen würden.
Die Heranziehung der Sanktionssystematik des Strafverfahrens ist für das Bußgeldverfahren in Verkehrsordnungswidrigkeitsangelegenheiten nicht geeignet, da es sich bei letzterem um ein Massenverfahren handelt. Die unterschiedliche Handhabung ist daher auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden. Die Geldbuße als Folge einer Ordnungswidrigkeit hat zwar repressiven Charakter, ist aber keine Strafe. Ihr Zweck ist es nicht, einen Ausgleich für sozialethische Schuld herbeizuführen, sondern sie soll in erster Linie eine bestimmte Ordnung durchsetzen.
Zu Buchstabe c
Zu Buchstabe c Doppelbuchstabe cc siehe Folgeänderung Buchstabe b Doppelbuchstabe aa.
3. Zu Nummer 1
Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. bei Ordnungswidrigkeiten mit einem besonders hohen Gefährdungsgrad eine einkommensabhängige Staffelung der Bußgelder einzuführen, soweit dies unter Berücksichtigung des administrativen Aufwands angemessen erscheint. Die Tatbestände mit einem besonders hohen Gefährdungspotential sind gesetzlich konkret zu benennen. Die Feststellung des Einkommens soll in einem dem Bußgeldverfahren angemessenen standardisierten Verfahren erfolgen,"
Folgeänderung:
Die Begründung zu Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. Einführung einer einkommensabhängigen Staffelung der Bußgelder
Pauschale Bußgelder sind sozial ungerecht, denn die bestehende Systematik der Bußgelder differenziert nicht ausreichend nach der Höhe des jeweiligen Einkommens. Dadurch ist die Akzeptanz des Systems und damit seine Wirksamkeit höchst fragwürdig, weil derjenige mit geringerem Einkommen nicht einzusehen vermag, aus welchem Grund das Bußgeld bei viel höherem Einkommen das Gleiche ist. Dies hat gleichzeitig eine mangelhafte abschreckende Wirkung von Bußgeldern und eine zunehmende soziale Ungleichheit zur Folge. Das Bußgeldsystem ist daher dahingehend zu überprüfen, ob es zur Erreichung einer sozial gerechteren Sanktionierung erforderlich sein könnte, Geldbußen einkommensabhängig der Höhe nach zu staffeln.
Um soziale Ungleichgewichte bei der Sanktionierung zu vermeiden, ist es erforderlich und zweckmäßig, die bisherige Sanktionierungssystematik zu verändern und bei der Höhe der Geldbußen eine Staffelung, ähnlich dem Tagessatzsystem im Strafrecht, vorzusehen. Das Tagessatzsystem im Strafrecht orientiert sich bereits an einer sozialen Staffelung. Hintergrund dieser Regelung ist das Bestreben, die Strafen den unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Täterinnen und Täter anzupassen. Dadurch kann eine individuelle Strafschärfe und entsprechend spürbare Abschreckungswirkung erzielt werden. Dieses System sollte daher auch auf Bußgelder außerhalb des Strafrechts übertragen werden.
Die Eingrenzung des Anwendungsbereichs der einkommensabhängigen Staffelung der Bußgelder auf einige, konkret im Gesetz zu benennende Ordnungswidrigkeiten mit einem besonders hohen Gefährdungspotential stellt klar, dass der Grundsatz des Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahrens als Massenverfahren nicht in Frage gestellt werden soll. Bei Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem besonders hohen Gefährdungspotential ist eine einkommensabhängige Staffelung des Bußgeldes hingegen angezeigt, um bei derart schwerwiegenden Verstößen eine gleichmäßige Spürbarkeit der Sanktionierung zu erreichen und zur Steigerung der Verkehrssicherheit beizutragen.
Als Beispiele für derartige Verstöße mit besonders hohem Gefährdungsgrad kommen in Betracht:
- - eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts von mehr als 50 km/h derzeit: 280 bis 680 Euro, 2 Punkte, 2 bis 3 Monate Fahrverbot Vorschlag: einkommensabhängiges Bußgeld mit Mindestbetrag
- - ein Abstand von weniger als 1/10 des halben Tachowerts bei einer Geschwindigkeit von mehr als 130 km/h (das bedeutet bei 200 km/h unter 10 m Abstand) derzeit: 400 Euro, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot
Vorschlag: einkommensabhängiges Bußgeld mit Mindestbetrag.
Behörden und Gerichte sollten dabei jedoch nicht übermäßig mit der Feststellung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse belastet werden. Pauschalierungen, etwa durch Einkommenskorridore auf Grundlage des Verdienstes der letzten drei Monate, sind daher ein zielführender Ansatz."
B
- 4. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung nicht zu fassen.