848. Sitzung des Bundesrates am 10. Oktober 2008
A.
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, die Bildung von Wertguthaben in Form geleisteter Arbeitszeit oder anderer Entgeltbestandteile durch klarere Regeln zu fördern. Er hält dies für den richtigen Weg, den Bedürfnissen der Arbeitnehmer nach mehr Zeitsouveränität in der Langfrist- und Lebensplanung Rechnung zu tragen und damit zugleich den betrieblichen Anforderungen nach höherer Flexibilität zu entsprechen. Er anerkennt dabei das Bemühen um eine deutliche Abgrenzung von den Instrumenten allgemeiner arbeitsrechtlicher Arbeitszeitflexibilisierung, die aus Gründen der Standortsicherung nicht konterkariert werden dürfen. Dabei ist auch darauf zu achten, dass die Arbeitgeber nicht mit bürokratischen Anforderungen überfordert werden.
- (bei Annahme entfällt Ziffer 2)
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen das Ziel weiterverfolgt, individuellen Bedürfnissen von Beschäftigten Rechnung zu tragen und die Rahmenbedingungen für individuelle Lebensarbeitszeitgestaltungen weiter zu entwickeln.
- 3. Der Bundesrat sieht in einigen Punkten noch Verbesserungsbedarf.
- 4. Der Bundesrat hält es im Interesse größtmöglicher Akzeptanz von Wertguthaben bei Betrieben und Beschäftigten für erforderlich, die Verwendung von Wertguthaben auch zu dem Zweck des Abschlagsausgleichs bei Bezug vorzeitiger Altersrente zuzulassen. Denn auch das Angebot rentennaher Verwendbarkeit angesammelten Wertguthabens zu diesem Zweck fördert den Leistungswillen und damit ein "Mehr" an Arbeitsleistung sowie eine finanzielle Entlastung der Rentenversicherung, wie dies auch mit einer längeren Lebensarbeitszeit beabsichtigt ist.
- 5. Insbesondere auch für den Zweck der Freistellung aus familiären Gründen erscheint es sinnvoll, möglichst umfangreiche Wertguthaben bereits frühzeitig ansammeln zu können. Der Bundesrat regt deshalb an, auch tarifliche, über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsansprüche oder auch freiwillige tarifliche Geldleistungen des Arbeitgebers in Wertguthaben einfließen zu lassen, wie dies in Tarifverträgen einiger Branchen heute schon vorgesehen ist.
- 6. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, Wertguthaben, die im Wesentlichen Löhne und Gehälter sowie Sozialversicherungsbeiträge für bereits erbrachte Arbeitsleistungen umfassen, umfassend vor Insolvenzrisiken zu schützen.
Dieses Ziel wird mit dem Gesetzesentwurf nicht erreicht. Zum einen sollen Wertguthaben erst dann abgesichert werden, wenn das Wertguthaben einen Betrag in Höhe des Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße und der Ausgleichszeitraum für das Wertguthaben 27 Kalendermonate nach der ersten Gutschrift übersteigen. Zum anderen sollen Sanktionen erst greifen, wenn die Sicherungsmittel in ihrem Umfang das Wertguthaben um mehr als 30 Prozent unterschreiten. Dies ist nicht akzeptabel.
Die Voraussetzungen für den Insolvenzschutz von Arbeitszeitkonten in § 7e Abs. 1 Satz 1 Nr. . 2 und 3 SGB IV-E sowie für Sanktionen bei unzureichender Insolvenzsicherung in § 7e Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 SGB IV-E sind daher so auszugestalten dass eine vollständige Absicherung der Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewährleistet ist.
- 7. Der Bundesrat begrüßt die im Gesetzentwurf enthaltene Möglichkeit, Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund zu übertragen.
Allerdings sind die hierfür vorgesehenen Schwellenwerte (derzeit 29 820 € in den alten Ländern, 25 200 € in den neuen Ländern) viel zu hoch gegriffen. Der Bundesrat spricht sich deshalb dafür aus, den Schwellenwert in § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV-E auf das Dreifache der monatlichen Bezugsgröße festzulegen.
Anderenfalls ist zu erwarten, dass die Regelung weitgehend ins Leere läuft.
Insbesondere würden die hohen Schwellenwerte des § 7f SGB IV-E die an sich zu begrüßende Einbeziehung von geringfügig Beschäftigten in den Anwendungsbereich des Gesetzes konterkarieren.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in dem nach § 7g SGB IV-E vorgesehenen Bericht besonderes Augenmerk auf die geschlechterspezifischen Wirkungen des Gesetzes zu legen. Zudem sollte die Nutzung der Möglichkeiten des Gesetzes durch geringfügig Beschäftigte in dem Bericht dargelegt werden.
Weiterhin sollte in dem Bericht dargelegt werden, in welchem Umfang und mit welchem Ergebnis die Option der Anlage in Aktien und Aktienfonds nach § 7d Abs. 3 SGB IV-E genutzt wurde.
9. Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b (§ 7 Abs. 3 Satz 1a SGB IV), Nr. 4 (§ 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 2 Satz 1, 2, Abs. 3 Satz 1, 3, § 7g SGB IV), Nr. 9a - neu - (§ 116a - neu - SGB IV), Artikel 7 Abs. 3 - neu - (Außerkrafttreten)
- a) Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Nummer 2 Buchstabe b § 7 Abs. 3 Satz 1a sowie in Nummer 4 § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 und 3, § 7g ist jeweils das Wort "Bund" zu streichen.
- bb) Nach Nummer 9 ist folgende Nummer einzufügen:
"9a. Nach § 116 wird folgender § 116a eingefügt:"
§ 116a Übergangsregelung für die Übertragung von Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung
- Bis zum 31. Dezember 2013 nimmt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Aufgaben im Zusammenhang mit den auf die Deutsche Rentenversicherung übertragenen Wertguthaben wahr. Die Bundesregierung berichtet den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 31. März 2012 über die Auswirkungen dieser Regelungen und die dabei gewonnenen Erfahrungen und unterbreitet Vorschläge für eine dauerhafte Regelung der Zuständigkeiten für auf die Deutsche Rentenversicherung übertragene Wertguthaben."
- b) Dem Artikel 7 ist folgender Absatz anzufügen:
(3) § 116a, der durch Artikel 1 Nr. 9a eingefügt wird, tritt am 31. Dezember 2013 außer Kraft.
Begründung
Die auf die Deutsche Rentenversicherung übertragenen Wertguthaben sollten aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität bei dem jeweils zuständigen Rentenversicherungsträger geführt werden. Hiervon sollte nur in einer Pilotphase abgewichen werden, um zunächst konzentriert bei einem Träger Erfahrungen sammeln zu können.
Deshalb werden mit der Streichung des Wortes "Bund" in §§ 7, 7f und 7g SGB IV-E die Aufgaben im Zusammenhang mit Wertguthaben - wie bereits in § 23 Abs. 2 Satz 1a bis 1c SGB IV-E - der Deutschen Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit übertragen.
Mit § 116a - neu - SGB IV wird die Wahrnehmung der Aufgaben der Deutschen Rentenversicherung im Zusammenhang mit übertragenen Wertguthaben befristet bis zum 31. Dezember 2013 der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragen. Im Zusammenhang mit ihrem Bericht nach § 7g SGB IV-E hat die Bundesregierung den gesetzgebenden Körperschaften über die Auswirkungen dieser Regelungen und die dabei gewonnenen Erfahrungen zu berichten und Vorschläge für eine dauerhafte Regelung der Zuständigkeiten zu unterbreiten.
Mit Artikel 7 Abs. 3 - neu - wird das Außerkrafttreten der Übergangsregelung geregelt.
10. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 7f Abs. 3 Satz 2 SGB IV)
In Artikel 1 Nr. 4 § 7f Abs. 3 Satz 2 ist das Wort "anzulegen." durch die Wörter "mit der Maßgabe anzulegen, dass § 7d Abs. 3 entsprechend anzuwenden ist." zu ersetzen.
Begründung
Für die durch die Deutsche Rentenversicherung zu verwaltenden Wertguthaben sollen dieselben Anlagevorschriften gelten, wie für alle Wertguthaben. Die Betroffenen sollen insbesondere durch die Übertragung nicht schlechter - im Hinblick auf die Wertentwicklung - gestellt werden. Da die Wertguthaben von den Rentenversicherungsträgern ohnehin getrennt von den anderen Anlagen zu verwalten sind, ist eine über die Regelung des Vierten Abschnitts hinausgehende Anlage der Mittel unproblematisch möglich.
B.
- 11. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.