Der Bundesrat hat in seiner 915. Sitzung am 11. Oktober 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Gemeinsame Unternehmen "Biobasierte Industriezweige" zur Kenntnis und begrüßt grundsätzlich, dass durch industriegeführte Forschung die Wettbewerbsfähigkeit in diesen wichtigen europäischen Wirtschaftssektoren gestärkt und gleichzeitig zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beigetragen werden soll.
- 2. Er sieht in der Gründung des Gemeinsamen Unternehmens "Biobasierte Industriezweige" (BBI) im Rahmen der Gemeinsamen Technologieinitiative eine Möglichkeit, die dargestellten Ziele zu erreichen. Der Bundesrat hält dies allerdings nur für akzeptabel, wenn dabei alle Möglichkeiten für eine größtmögliche Transparenz und Einwirkungsmöglichkeiten zugunsten der Mitgliedstaaten genutzt werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, in den weiteren Verhandlungen auf dieses Ziel hinzuwirken.
- 3. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass biobasierte Prozesse einen Beitrag leisten können zu einer effizienteren und nachhaltigen Wirtschaft mit niedrigeren CO₂-Emissionen, bei der fossile Ausgangsstoffe durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden können.
- 4. Er regt an, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, die sicherstellen, dass eine Vielzahl nationaler Interessensverbände Mitglied in der belgischen Organisation "Biobased Industries Consortium Aisbl" (Konsortium "Biobasierte Industriezweige, nachstehend "BIC") werden. Insbesondere soll darauf hingewirkt werden, dass neben forschungsorientierten Verbänden und Organisationen auch die Primärproduzenten von Rohstoffen sich in BIC engagieren. Nur wenn die Interessen und Expertisen der Rohstoffproduzenten in geeigneter Weise eingebracht werden, kann die umfassende Zielsetzung erreicht werden.
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bereits Vorarbeiten von vorhandenen nationalen und regionalen Initiativen, Netzwerken und Plattformen geleistet wurden. Diese Erfahrungen und die vorhandenen Strukturen sollten gezielt genutzt und durch das Gemeinsame Unternehmen BBI gestärkt werden.
- 6. Er regt an klarzustellen, dass unter Biomasse im Sinne des Artikels 2 Buchstabe b des Verordnungstextes grundsätzlich auch Reststoffe oder Bioabfälle zu subsumieren sind, da die verfügbaren Mengen an "Biomasse aus nachhaltigen Quellen" begrenzt sind. Dementsprechend sollte die Wertschöpfungskette (Artikel 2 Buchstabe d) über "Versorgung mit Biomasse - Bioraffinerien - Verbraucher" hinaus um den Aspekt der Wiederverwendung bzw. des Recyclings ergänzt werden, um die Stoffkreisläufe soweit möglich zu schließen.
- 7. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission den Schwerpunkt auf die Umwandlung nicht essbarer Reststoffe aus land- und forstwirtschaftlichen Abfällen oder aus organischen Abfallstoffen legen will.
- 8. Die Entwicklung einer biobasierten Industrie greift maßgeblich auf Rohstoffe aus dem land- und forstwirtschaftlichen Sektor zu und berührt darüber hinaus auch zahlreiche Umweltbelange. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Nutzung von Biomasse aus dem land- oder forstwirtschaftlichen Bereich auf nachhaltige Weise und ohne unbeabsichtigte negative Auswirkungen - wie den Verlust der biologischen Vielfalt, die ILUC oder negative Folgen für die Ernährungssicherheit - erfolgen muss.
- 9. Um diesem Ansatz gerecht zu werden, fehlen jedoch in dem Vorschlag zur Gründung des Gemeinsamen Unternehmens BBI, das mit 1 Milliarde Euro öffentlicher Mittel gefördert werden soll, verbindliche Nachhaltigkeitskriterien dafür, dass das Arbeitsprogramm des Gemeinsamen Unternehmens BBI der Bedeutung der Biomasse für die biologische Vielfalt, den natürlichen Lebensmittelversorgungsketten und dem Lebensmittelbedarf der Menschen Rechnung tragen muss. Weiterhin fehlt die verbindliche Einbeziehung von unabhängigen Experten und Akteuren aus den Bereichen Agrar und Umwelt in den vorgesehenen Gremien des BBI wie zum Beispiel dem Verwaltungsrat oder dem Wissenschaftlichen Beirat.
- 10. Der Bundesrat verweist auf seine Stellungnahme zum Rahmenprogramm für Forschung und Innovation "Horizont 2020" vom 30. März 2012 (BR-Drucksache 805/11(B) ), in der u.a. hervorgehoben wird, dass die Transparenz über Zugang und Beteiligung zu den spezifischen Programmen erforderlich sei.
- 11. Er weist darauf hin, dass die vorgeschlagene befristete Gründung einer öffentlichprivaten Partnerschaft in dem Bereich der biobasierten Forschungsprojekte - statt der Förderung biobasierter Projekte über klassische Förderinstrumente - die Gefahr der Intransparenz gegenüber der Öffentlichkeit sowie der unzureichenden Kontrollmöglichkeiten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Mittelverwendung und Zielsetzung bei der Förderung biobasierter Projekte birgt.
- 12. Der Bundesrat äußert Bedenken, wie im Rahmen des vorgesehenen Instruments der Einfluss der Mitgliedstaaten geltend gemacht und wie Kohärenz von Maßnahmen auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten sowie regionaler Aktivitäten gesichert werden soll, um Synergien optimal zu nutzen.
- 13. Er macht darauf aufmerksam, dass auf europäischer Ebene eine transparente, von den Mitgliedstaaten überprüfbare Mittelverwendung zu etablieren ist, die Qualität und Wettbewerb gewährleistet.
- 14. Der Bundesrat kritisiert, dass in der Satzung des Gemeinsamen Unternehmens BBI festgelegt werden soll, dass die Rechnungsprüfung des BBI nicht vom Rechnungshof geprüft werden soll, und verweist auf die oben zitierte Stellungnahme vom 30. März 2012, wonach für den Bereich der Forschungsförderung das Ziel gelten müsse, eine positive Zuverlässigkeitserklärung vom Europäischen Rechnungshof zu erhalten.
- 15. Die in dem Vorschlag vorgesehenen Regelungen in Artikeln 15 und 16 zu Vertraulichkeit und Transparenz, wonach der Verwaltungsrat des Gemeinsamen Unternehmens BBI die praktischen Einzelheiten für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten festlegen kann, wird dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Gelder bei öffentlichprivaten Partnerschaften nicht gerecht.
- 16. Der Bundesrat weist darauf hin, dass insbesondere gewährleistet sein muss, dass der Verwaltungsrat des Gemeinsamen Unternehmens BBI technische, verwaltungstechnische und finanzielle Fragen nicht ohne Zustimmung der Gruppe der nationalen Vertreter und Vertreterinnen entscheiden kann, insbesondere wenn nationale oder regionale Interessen berührt sind.
- 17. Er bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass
- - die Beteiligung von Experten aus dem Land- und Forstwirtschaftssektor sowie aus dem Umweltbereich bei dem Gemeinsamen Unternehmen BBI sichergestellt wird, wie z.B. im Verwaltungsrat und im Wissenschaftlichen Beirat, - verbindliche und von den Mitgliedstaaten überprüfbare Kriterien für das Gemeinsame Unternehmen BBI festgelegt werden sowohl im Hinblick auf die Schwerpunktsetzung der Umwandlung nicht essbarer Teile von Pflanzen und biologisch abbaubarer Abfälle sowie auf die nachhaltige Produktion und Nutzung von Biomasse. So sollten durch das Gemeinsame Unternehmen BBI keine Forschungsprojekte vorangetrieben werden, bei denen bereits heute wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, dass sie den Verlust der biologischen Vielfalt oder die indirekte Flächennutzungsänderung (ILUC) befördern und/oder negative Folgen für die Ernährungssicherung haben,
- - die Verhältnismäßigkeit des Förderinstruments sowie der eingesetzten Mittel überprüft und sichergestellt wird, dass aus den Fördermitteln des Programms "Ernährungssicherheit, Bioökonomie und nachhaltige Landwirtschaft" im Rahmen von "Horizont 2020" weitere Forschungsprojekte ermöglicht werden, die den großen Forschungsbedarf, z.B. im Hinblick auf die Auswirkungen der Nutzung von land- und forstwirtschaftlicher Biomasse für biobasierte Produkte und Prozesse unter der Berücksichtigung der Grenzen der Erneuerungsfähigkeit der Ökosysteme und des Erhalts der Lebensmittelgrundlagen, abdecken,
- - verbindliche Regelungen zu einer umfassenden Transparenz des Gemeinsamen Unternehmens BBI gegenüber den Mitgliedstaaten sowie der Öffentlichkeit über das Arbeitsprogramm des BBI und die Verwendung der öffentlichen Gelder sowie die Sicherstellung der vereinbarten Kofinanzierung durch die Industrie vereinbart werden, - für die Verwendung der Mittel für das Gemeinsame Unternehmen BBI eine positive Zuverlässigkeitserklärung vom Europäischen Rechnungshof sichergestellt werden kann,
- - der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen sowie deren Verwertung und Verwendung nicht durch das Gemeinsame Unternehmen BBI vorangetrieben werden.
- 18. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung ferner auf, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass
- - die Einflussmöglichkeit der Mitgliedstaaten optimiert wird, - Vorkehrungen getroffen werden, die Kohärenz von Maßnahmen auf der Ebene der EU und der Mitgliedstaaten sowie regionaler Aktivitäten sicherzustellen,
- - auf europäischer Ebene eine transparente, von den Mitgliedstaaten überprüfbare Mittelverwendung etabliert wird, die Qualität und Wettbewerb gewährleistet.