Empfehlungen der Ausschüsse
Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren

860. Sitzung des Bundesrates am 10. Juli 2009

Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgenden Gründen einberufen wird:

1. Zu Artikel 1 Nummer 8 (§ 257c Absatz 2 Satz 2 StPO)

In Artikel 1 Nummer 8 ist § 257c Absatz 2 Satz 2 wie folgt zu fassen:

Begründung

Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist und bleibt auch im Fall einer Urteilsabsprache das wesentliche Ziel des Strafverfahrens. Das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung wird durch Urteilsabsprachen nicht aufgegeben. Auch das abgesprochene Urteil muss ein gerechtes sein und daher notwendigerweise einen wahren Sachverhalt zur Grundlage haben. Der unserem Verfahrensrecht innewohnende Amtsaufklärungsgrundsatz erfordert zwingend ein qualifiziertes Geständnis, da nur ein solches richterliche Überzeugungsbildung ermöglicht.

Das Gesetz genügt den Anforderungen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine Verständigung gestellt werden, nicht. Unabdingbare Voraussetzung einer Verfahrensabsprache muss ein Geständnis sein, das derart konkret ist, dass eine Überprüfung möglich ist und eine Übereinstimmung mit der Aktenlage festgestellt werden kann (vgl. nur BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -, BGHSt 50, 40). Ein Formalgeständnis reicht nicht aus. Nach der geständigen Einlassung dürfen keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen, so dass von einer weiteren Sachaufklärung abgesehen werden kann. Das Gericht muss nachvollziehbar von der Wahrhaftigkeit der gemachten Angaben überzeugt sein. Denn das Gericht hat immer eigenverantwortlich zu beurteilen, ob der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat auch wirklich begangen hat. Es darf deswegen einem abgesprochenen Geständnis nicht blind vertrauen, sondern muss es auf seine Glaubhaftigkeit prüfen. Es soll zukünftig gerade nicht möglich sein, dass - wie derzeit manchmal Praxis - der Angeklagte über seinen Verteidiger eine ausgefeilte Erklärung verlesen lässt und im Anschluss keine weiteren Nachfragen des Gerichts beantwortet.

2. Zu Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe b (§ 302 Absatz 1 Satz 2 StPO)

Artikel 1 Nummer 11 ist wie folgt zu ändern:

Begründung

Die Verfahrensbeteiligten, die an einer Verständigung einvernehmlich mitgewirkt haben, bedürfen nicht des gleichen Schutzes, wie diejenigen, die ohne Gestaltungsmöglichkeit und vorangegangene Gespräche über das Strafmaß dem Urteil des Gerichts ausgesetzt sind. Zutreffend hat der Große Senat für Strafsachen in seinem Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -, BGHSt 50, 40 deutlich gemacht, dass bereits die Ankündigung eines Rechtsmittelverzichtes nicht Gegenstand einer Verständigung sein darf und insoweit eine qualifizierte Belehrung gefordert. Diese Vorgaben hat der Gesetzgeber zunächst durch Anfügen des Satzes "Ist einem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist der Betroffene auch darüber zu belehren, dass er in jedem Fall frei in seiner Entscheidung ist, ein Rechtsmittel einzulegen." in § 35a StPO aufgegriffen.

Dass diese geplante Regelung nunmehr durch Ergänzung des § 302 StPO um den Satz "Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen." konterkariert wird, ist nicht akzeptabel. Dies gilt umso mehr, als dass diese erhebliche Änderung ohne jede Beteiligung der Länder erfolgte. § 302 StPO hat daher die Fassung zu erhalten, die er im ursprünglichen Gesetzentwurf (BR-Drs. 065/09 (PDF) ) hatte.