Der Bundesrat hat in seiner 876. Sitzung am 5. November 2010 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass leistungsfähige Breitbandnetze unverzichtbare Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum sind. Insbesondere ländliche Gebiete können von einer flächendeckenden Breitbandinfrastruktur und seinen Möglichkeiten profitieren. In diesem Zusammenhang verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission: "Eine digitale Agenda für Europa" vom 9. Juli 2010 (BR-Drucksache 306/10(B) ).
- 2. Der Bundesrat ist sich allerdings bewusst, dass das gesetzte Breitbandziel der Digitalen Agenda für Europa ambitioniert ist und nur realisiert werden kann, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen von allen Beteiligten zielorientiert umgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund bewertet der Bundesrat die Mitteilung der Kommission wie folgt:
- 3. Der Bundesrat erachtet einige von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen als geeignet, darunter insbesondere die Entwicklung geeigneter Finanzierungsinstrumente für den Breitbandsektor als auch Maßnahmen zur Senkung der Investitionskosten als effiziente Mittel, um die Versorgungsziele der Digitalen Agenda zu befördern.
- 4. Der Bundesrat hält die Beiträge, die die Kommission hierzu selbst leisten will, jedoch für nicht hinreichend konkret. Die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, aktiv zu werden, selbst jedoch eine überwiegend planende Rolle einzunehmen, wird vom Bundesrat als nicht ausreichend erachtet. Insbesondere lehnt es der Bundesrat aus Gründen der Subsidiarität ab, dass die Kommission die Aktivitäten der Mitgliedstaaten koordinieren sowie von ihnen nationale Breitbandpläne fordern und sogar prüfen will.
- 5. Der Bundesrat vermisst in der Mitteilung der Kommission grundsätzliche Aussagen zur Rolle des Markts und der Bedeutung privater Investitionen beim Breitbandausbau.
- 6. Der Bundesrat betrachtet staatliche Beihilfen zur Verwirklichung der Breitbandziele als Ultima Ratio, sofern ein Marktversagen vorliegt. Dies wird vor allem in ländlichen Räumen häufiger der Fall sein. Dort, wo aber staatliche Interventionen zur Beseitigung eines Marktversagens gerechtfertigt sind, sind die geltenden beihilferechtlichen Bestimmungen der EU in der praktischen Anwendung häufig ein Hindernis. Dies betrifft zum einen den erheblichen administrativen Aufwand beim Einsatz von Fördermitteln. Zum zweiten unterstützt das Beihilfeinstrumentarium nicht in ausreichendem Maße die Möglichkeiten, NGA (Next Generation Access) -Netze (Zugangsnetze der nächsten Generation) in Regionen, in denen marktwirtschaftliche Lösungen in absehbarer Zeit nicht entstehen werden, zu fördern.
- 7. Der Bundesrat fordert daher die Kommission auf, das geltende beihilferechtliche Instrumentarium zu vereinfachen und mit Blick auf die Unterstützung von NGA-Netzen auszubauen. Darüber hinaus bittet der Bundesrat die Kommission um Prüfung, ob ein eigenständiges, effizientes NGA-Förderprogramm erforderlich ist, das die innerhalb der Digitalen Agenda formulierten Versorgungsziele maßgeblich befördern kann.
- 8. In diesem Zusammenhang bestätigt der Bundesrat die Bewertung der Kommission, dass es vor allem Kommunen und ihre Versorgungsunternehmen sind, die derzeit Investitionen in NGA-Netze vorantreiben (Abschnitt 3, 1. Absatz der Mitteilung). Der Bundesrat hält es für unabdingbar, dass diese Investitionen weiter wettbewerbskonform ermöglicht werden, auch mit Blick auf die Überlegungen der Kommission zur Unterstützung von Modellen der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft und mit Blick auf die geplanten Leitlinien für Breitbandinvestitionen für lokale und regionale Behörden.
- 9. Der Bundesrat erkennt an, dass terrestrische Drahtlosdienste und auch Satellitenlösungen derzeit Beiträge zur Erreichung einer lückenlosen Grundversorgung leisten. Der Bundesrat bezweifelt jedoch, dass diese Technologien entscheidend dazu beitragen können, das Breitbandziel von 30 Mbit/s zu erreichen. Diese Technologien sollten daher bei der beihilferechtlichen Bewertung von Fördermaßnahmen nur dann eine Rolle spielen, wenn sie nachweislich die erforderlichen Bandbreiten für jeden Endnutzer liefern.
- 10. Unabhängig davon lehnt der Bundesrat die in der Mitteilung der Kommission genannte Option, die Innenverkabelung von Gebäuden zur Voraussetzung für eine (Bau-)Genehmigung zu machen, aus folgenden Gründen nachdrücklich ab:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nicht erkennbar ist, weshalb die Kosten für die Innenverkabelung von Gebäuden eine Verringerung der Kosten für neue Infrastrukturen bewirken sollen. Die Kosten für die Innenverkabelung fallen regelmäßig beim Eigentümer des Gebäudes an und werden nicht von den Betreibern der neuen Infrastrukturen zum Ausbau der Breitbandnetze getragen. Von daher erscheint der Ansatzpunkt der Innenverkabelung ungeeignet, einen Beitrag zur beabsichtigten Verringerung der relevanten Baukosten für neue ortsfeste Infrastrukturen zu erbringen.
Darüber hinaus stellt das Bauordnungsrecht der Länder - als Recht der Gefahrenabwehr - regelmäßig keine Anforderungen an die (anlagen-)technische "Ausstattung" von Wohnungen. Die Anforderungen des Bauordnungsrechts an Gebäude, die zu Wohnzwecken errichtet werden, richten sich ausschließlich an die bauliche Beschaffenheit, die in der Regel so zu sein hat, dass in einer Wohnung eine selbstbestimmte Lebensführung auf der Grundlage der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und unter Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit möglich ist. Die auf dieser Basis in den Landesbauordnungen gestellten Anforderungen beschränken sich dabei auf ein aus öffentlichrechtlicher Sicht zwingend notwendiges Mindestmaß (ausreichende Möglichkeiten zur Belichtung und Belüftung, eigenes Bad, eigene Küche, zwei voneinander unabhängige Rettungswege). Darüber hinausgehende Vorschriften an einen "Qualitätsstandard" (z.B. die zwingende Versorgung mit bestimmten Einrichtungen oder Dienstleistungen wie Telefon, Fernsehen oder Rundfunk) sind als Gegenstand des Bauordnungsrechts (als Sicherheitsrecht) nicht vermittelbar.
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, beim Infrastrukturatlas der Bundesnetzagentur Zugang und Nutzung mit den Ländern, insbesondere zur Wahrung kommunaler Interessen und zur Senkung von Investitionskosten, unter Nutzung der Standards der Geodateninfrastruktur Deutschland abzustimmen.