889. Sitzung des Bundesrates am 4. November 2011
In Verbindung mit:
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Wahrung des Schengen-Systems - Stärkung des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen KOM (2011) 561 endg.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, zu den Vorlagen gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission, den seit 2006 veränderten Gegebenheiten (Problematik der illegalen Migration, Defizite im Außengrenzschutz) insofern Rechnung zu tragen, als sie die Möglichkeiten der temporären Wiedereinführung von Grenzkontrollen erweitert.
- 2. Der Bundesrat lehnt jedoch die Verlagerung der Zuständigkeit für die Entscheidung über die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen auf die Kommission entschieden ab. Es handelt sich hierbei um einen massiven Eingriff in die nationale Souveränität und den Kernbereich polizeilicher Aufgabenerfüllung.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die abschließende Entscheidung über die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen auf einer intensiven Prüfung der nationalen Sicherheitslage basiert, die nur von den Mitgliedstaaten auf Grundlage ihrer Erkenntnisse, ihrer fachlichen Kompetenz und der Ressourcen der Sicherheitsbehörden getroffen werden kann.
- 4. Der Bundesrat weist ferner darauf hin, dass das derzeit geltende sehr schlanke Verfahren durch die nun vorgeschlagene Kompetenzübertragung auf die Kommission deutlich unflexibler und bürokratischer wird. Der Verordnungsvorschlag ist daher weder vollzugstauglich noch praxisgerecht und bringt einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich.
- 5. Die Vollzugsuntauglichkeit wird besonders deutlich bei dem von der Kommission vorgeschlagenen Verfahren zur Bewertung von Maßnahmen nach Artikel 25 des Verordnungsvorschlags (Artikel 23a des Verordnungsvorschlags). Danach soll der betroffene Mitgliedstaat oder die Kommission im Zuge des Beschlusses über die vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an einer Binnengrenze oder mehreren Binnengrenzen die Angemessenheit der Reaktion auf die Bedrohung der öffentlichen Sicherheit bewerten. Durch die Bezugnahme auf das Beschlussverfahren, (Artikel 23 des Verordnungsvorschlags), fehlt es damit für das zwingend erforderliche Eilverfahren an einer klaren Kompetenzabgrenzung.
- 6. Die Bundesregierung wird daher gebeten, gegenüber der Kommission auf die Streichung dieser Kompetenzverlagerungen hinzuwirken, um sie wieder durch eine Regelung zu ersetzen, die der bisherigen Rechtslage mit ihrer mitgliedstaatlichen Kompetenz für die Grenzsicherung entspricht.