930. Sitzung des Bundesrates am 6. Februar 2015
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission über die Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen für den Zeitraum 2014 bis 2015 und die Ausführungen zum Stand der Beziehungen mit den Beitrittskandidaten Montenegro, Serbien, Albanien, Mazedonien, der Türkei und Island sowie den potentiellen Beitrittskandidaten Bosnien-Herzegowina und Kosovo zur Kenntnis. Die Kommission attestiert darin einigen Beitrittskandidaten durchaus Fortschritte bei der Erfüllung der Beitrittskriterien, sieht jedoch insgesamt bei allen Beitrittskandidaten Defizite und verlangt daher, die Reformbemühungen voranzutreiben.
- 2. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die neue Kommission generell eine zurückhaltende Prognose zur Erweiterungspolitik abgibt und in den nächsten fünf Jahren einen Konsolidierungskurs anstrebt.
- 3. Gleichwohl ist es aus Sicht des Bundesrates wichtig, dass die Kommission die Beitrittsverhandlungen mit hoher Intensität weiterführt, da insbesondere die Staaten des westlichen Balkan eine europäische Perspektive brauchen.
- 4. Die Westbalkanstaaten brauchen die EU-Perspektive mehr denn je, denn sie stellt einen wesentlichen Faktor zur weiteren Stabilisierung und Friedenssicherung in ganz Europa dar. Sie ermöglicht es den Staaten, die notwendigen Reformen in der Wirtschaft und den Verwaltungs- und Rechtssystemen voranzutreiben und damit die wirtschaftliche und politische Entwicklung weiterzuführen. Seit den Erweiterungsrunden 2004 und 2007 besteht Einigkeit, dass auch die übrigen Balkanstaaten eine EU-Beitrittsperspektive haben müssen, wenn sie die von der EU festgelegten Kriterien erfüllen (Grundsatz der Konditionalität). Der Beitritt Kroatiens 2013 kann für die übrigen Staaten der Region Ansporn sein, die Demokratisierung in ihren Ländern voranzutreiben.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Westbalkan-Initiative der Bundesregierung. Sie soll die Staaten des westlichen Balkan zu nachhaltigen Reformanstrengungen ermutigen und wirtschaftlich an die EU heranführen. Auch die jüngste Initiative der Bundesregierung zur Wiederbelebung des stagnierenden Reformprozesses in Bosnien-Herzegowina wird vom Bundesrat begrüßt.
- 6. Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch die deutschen Länder die Westbalkanstaaten mit vielfältigen Formen der Zusammenarbeit im Annäherungsprozess an die EU und bei der Implementierung des "acquis communautaire" unterstützen. So unterhalten einige deutsche Länder Regierungskommissionen mit den Staaten der Region, um diese beim Prozess der Aufnahme in die EU und im Nachgang dazu zu begleiten.
- 7. Auch die makroregionalen Strategien der EU und insbesondere die Donauraumstrategie können einen Beitrag dazu liefern, die Annäherung der Westbalkanstaaten an die EU zu unterstützen. Die Kooperation an gemeinsamen Projekten in Bereichen wie Verwaltungszusammenarbeit oder Umweltstandards ermöglicht es Nicht-Mitgliedstaaten, die Mechanismen der europäischen Zusammenarbeit sowie deren Fördersysteme im Vorfeld der Beitrittsverhandlungen kennenzulernen und damit die Europakompetenzen innerhalb von Verwaltung und Gesellschaft stetig zu entwickeln.
- 8. Für die Stabilität des Westbalkans kommt Serbien eine Schlüsselrolle zu. Der Bundesrat erwartet, dass die Kapitel 23 "Judikative und Grundrechte" und 24 "Justiz, Freiheit und Sicherheit" möglichst rasch nach Erfüllung der entsprechenden Benchmarks geöffnet werden. Im Einklang mit dem neuen Konzept der Kommission für die Verhandlungskapitel 23 und 24 sollten diese Kapitel zu einem frühen Zeitpunkt geöffnet und erst am Ende des Prozesses geschlossen werden, um eine maximale Zeitspanne für die Erzielung solider Erfolgsbilanzen zu gewähren. Im Bereich Rechtsstaatlichkeit erwartet der Bundesrat von Serbien insbesondere sichtbare und nachhaltige Anstrengungen um eine Verbesserung der Lebensbedingungen gerade auch für Minderheiten. Serbien muss zudem mit Hochdruck an der Normalisierung seiner Beziehungen zum Kosovo arbeiten. Dabei sollte die Kosovo-Frage jedoch nicht der Eröffnung von Kapiteln entgegenstehen, wenn diese keinen inhaltlichen Bezug zum Normalisierungsprozess mit dem Kosovo aufweisen. Der Bundesrat fordert in dem Zusammenhang die Bundesregierung auf, den Vorschlag der Kommission zur baldigen Öffnung von Kapitel 32 "Finanzkontrolle" nochmals zu prüfen, da dies die Kreditwürdigkeit steigern könnte, die für Reformen Serbiens im Bereich der öffentlichen Finanzen unerlässlich ist.