Antrag des Landes Hessen
Entschließung des Bundesrates zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, 11. November 2015

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat die anliegende Entschließung zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern mit dem Antrag zuzuleiten, die Entschließung zu fassen.

Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der 939. Plenarsitzung am 27. November 2015 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Bouffier

Entschließung zum Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern

Der Bundesrat möge beschließen:

Der Bundesrat stellt fest, dass die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des § 2 Tierschutzgesetz darstellt.

Er hält ein gesetzliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern für erforderlich, wobei eine angemessene Übergangsfrist von 12 Jahren berücksichtigt werden soll.

Begründung:

Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern ist kein tiergerechtes Haltungssystem im Sinne des § 2 Tierschutzgesetz. Ein gesetzliches Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern wird daher für erforderlich gehalten, wobei im Hinblick auf die Wahrung der Rechte der betroffenen Tierhalter eine Übergangsfrist von 12 Jahren als angemessen erachtet wird. Hierbei sollten jedoch unbillige Härten vermieden werden.

Die dauerhafte Anbindung von Rindern erlaubt den Tieren keine Möglichkeit zur Fortbewegung, erschwert das Abliegen und Aufstehen wegen der Fixierung und des meist geringen Platzangebotes und schränkt auch andere Grundbedürfnisse wie Komfortverhalten (z.B. Körperpflege, Thermoregulation), Erkundungsverhalten oder auch Sozialverhalten (z.B. Gruppenbildung) entweder ein oder verhindert die Ausübung gänzlich. Bei der Betrachtung der Tiergesundheit zeigt sich deutlich, dass bei Tieren im Laufstall bzw. mit Auslauf deutlich weniger Krankheiten wie z.B. Fruchtbarkeitsstörungen, Eutererkrankungen sowie Zitzenverletzungen auftreten.

Mittlerweile bestätigen zwei Entscheidungen aus dem Jahr 2012 eines Verwaltungsbzw. Oberverwaltungsgerichtes in Niedersachsen die Auffassung, "dass die Anbindehaltung auch für Milchkühe keine verhaltensgerechte Unterbringung im Sinne des § 2 Nummer 1 Tierschutzgesetz darstellt und zu einer mit Schmerzen verbundenen Beschränkung ihrer artgemäßen Bewegung im Sinne des § 2 Nummer 2 Tierschutzgesetz führt".

Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern ist mit Nachteilen für das Tierverhalten und die Tiergesundheit verbunden. Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. kommt in seiner Beurteilung der Haltungssysteme zu dem Ergebnis, dass ein Normalverhalten des Rindes in Anbindeställen ohne Weidegang "stark eingeschränkt/ nicht ausführbar" ist. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfiehlt in ihren wissenschaftlichen Gutachten zum Tierschutz bei Milchkühen, dass Tieren in Anbindehaltung Auslauf gewährt werden sollte, um die haltungsbedingten Beeinträchtigungen zu mindern und eine Ausübung arttypischer Verhaltensweisen zu ermöglichen.

Gemäß den Empfehlungen des Europarates für das Halten von Rindern sollen "die Tiere im Sommer die Gelegenheit haben, sich so oft wie möglich - vorzugsweise täglich im Freien aufzuhalten".

Der Anbindestall ist neben dem Laufstall immer noch ein weit verbreitetes Haltungssystem, insbesondere in der Milchviehhaltung. Die Umstellung von der Anbinde- auf die Laufstallhaltung bedeutet für die Betriebe in der Regel einen erheblichen Entwicklungsschritt. Ein Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung mit der Gewährung einer Übergangsfrist wird insbesondere kleinen, familiengeführten Betrieben die Zeit für diesen Entwicklungsschritt einräumen, um weiterhin von und mit der Tierhaltung leben zu können.