Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat sieht wie die Kommission in der wirksamen Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in der EU eine drängende, gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Angesichts von 5,6 Millionen 15- bis 24-Jährigen in der EU (oder 9,7 Prozent dieser Altersgruppe), die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, aber keine Arbeit finden, besteht akuter Handlungsbedarf. Gute Bildung und Ausbildung spielen bei der Verbesserung der mittel- und langfristigen Chancen junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle. Der Bundesrat sieht daher in der stetigen Weiterentwicklung der Bildungssysteme und Bildungsinhalte durch die Mitgliedstaaten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
- 2. Der Bundesrat unterstreicht die wichtige Rolle der allgemeinen und beruflichen Bildung für die Beschäftigungsfähigkeit der jungen Generation. Er zeigt sich aber skeptisch gegenüber der Annahme der Kommission, mit einer verstärkten Ausrichtung der Bildungssysteme auf sich verändernde Bedürfnisse des Arbeitsmarkts aktuelle und mögliche künftige Diskrepanzen zwischen Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage unmittelbar und dauerhaft überbrücken zu können. Er erinnert in diesem Zusammenhang zum einen daran, dass Reformen im Bildungswesen Zeit benötigen, um Wirkung zu entfalten. Zum anderen stellt eine inhaltlich und pädagogisch breit und tiefgründig angelegte, die Gesamtpersönlichkeit junger Menschen in den Blick nehmende Bildung eine wesentliche Voraussetzung für eine hohe Flexibilität und lebenslange Anschlussfähigkeit auf sich verändernden Arbeitsmärkten dar (vgl. zuletzt BR-Drucksache 471/13(B) ).
- 3. Der Bundesrat begrüßt den Appell der Kommission zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die dabei notwendige Berücksichtigung von Art und Umfang der Herausforderungen in den unterschiedlichen nationalen Kontexten. Die Forderung der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, den länderspezifischen Empfehlungen zur Jugendgarantie umgehend nachzukommen, wird zurückgewiesen, soweit hiervon Bereiche betroffen sind, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für Bildung und Ausbildung fallen.
- 4. Er begrüßt auch die am 2. Juli 2013 gestartete EU-Ausbildungsallianz; insbesondere der intensivierte Austausch sowie das Voneinander-Lernen zwischen Mitgliedstaaten, Sozialpartnern und Unternehmen können in diesem Zusammenhang einen wertvollen Beitrag bei der sach-, situations- und kontextangemessenen Umgestaltung und Neuausrichtung von Berufsbildungssystemen in den Mitgliedstaaten leisten. Gleichzeitig erinnert der Bundesrat daran, dass für die unmittelbare Integration von Absolventen der Bildungssysteme auf dem Arbeitsmarkt neben den im Bildungsgang vermittelten Grund- und transversalen Schlüsselkompetenzen vor allem auch die aktuelle wirtschaftliche Lage in den Mitgliedstaaten eine bedeutende Rolle spielt.
- 5. Der Bundesrat begrüßt ferner, dass die Förderung junger Menschen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, die bislang im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen (Programmteil Leonardo da Vinci) erfolgte, im künftigen integrierten Unionsprogramm für Bildung, Jugend und Sport "Erasmus+" fortgeführt werden soll, und zwar mit einer deutlich erhöhten finanziellen Ausstattung des Gesamtprogramms. Die von der Kommission vorgenommene Fokussierung des Programms auf die Entwicklung der Berufsbildung und auf die Unterstützung junger Menschen, die die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll nutzen wollen, darf aber aus Sicht des Bundesrates nicht dazu führen, dass andere Bildungsbereiche und Programmziele vernachlässigt werden. Neben berufswirksamen Aspekten gehören eine Vielzahl weiterer grundlegender Aspekte wie Völkerverständigung, Entwicklung eines Europäischen Wertebewusstseins, Erwerb sozialer Kompetenzen, Förderung der sprachlichen Vielfalt und des interkulturellen Bewusstseins in der Union zu den Programmzielen.
- 6. Der Bundesrat erkennt die Bedeutung der Förderung unternehmerischen Lernens in der allgemeinen, beruflichen sowie in der Hochschulbildung an und erinnert erneut daran, dass die Länder bereits zahlreiche Initiativen zur Stärkung des Unternehmergeists bei den Lernenden unterstützen. Das Engagement von Schülerinnen und Schülern etwa in Schülerfirmen ist längst bundesweiter Alltag. Der Bundesrat nimmt daher zum wiederholten Male mit Befremden die Absicht der Kommission zur Kenntnis, in Kooperation mit der OECD detaillierte Leitlinien für die Erziehung zum Unternehmertum in allen Bereichen des Bildungswesens zu formulieren. Er betont, dass diese Leitlinien wie auch der geplante Orientierungsrahmen für die Erziehung zum Unternehmertum in Schulen einschließlich der Entwicklung von Instrumenten zur Überwachung der Fortschritte allenfalls den Charakter einer unverbindlichen Anregung haben können (vgl. BR-Drucksache 021/13(B) ).
- 7. Er sieht in der von der Kommission vorgeschlagenen künftigen Schaffung eines Europäischen Raums der Kompetenzen und Qualifikationen und der damit verbundenen Verbesserung der Transparenz von Bildungsabschlüssen in Europa eine wichtige Chance zur Förderung der Arbeitskräftemobilität. Er weist aber darauf hin, dass mit diesem Vorhaben kein automatischer Anspruch auf grenzüberschreitende Anerkennung von Abschlüssen entsteht, und mahnt eine sorgfältigere Unterscheidung von Anerkennungs- und Transparenzinstrumenten an (vgl. auch Ziffer 11 der BR-Drucksache 725/12(B) ).