C(2017) 7713 final
Europäische Kommission Brüssel, 21.11.2017
C(2017) 7713 final
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Modelle (COM (2017) 335 final).
Die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung in der Europäischen Union gehört zu den wichtigsten politischen Prioritäten der Kommission. Dieses Ziel soll im Rahmen der Strategie der Kommission unter anderem durch größere Transparenz erreicht werden. Insbesondere der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden ist von entscheidender Bedeutung damit den zuständigen Behörden die Informationen vorliegen, die sie benötigen, um ihre Aufgaben effizient wahrnehmen zu können. Der Vorschlag zur Offenlegung potenziell aggressiver Steuerplanungsmodelle ist Teil der ehrgeizigen Agenda, die die Kommission seit einigen Jahren zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung verfolgt. Durch größere Transparenz und frühzeitigen, zuverlässigen Zugang zu den richtigen Informationen könnten die Behörden die Risiken schneller und genauer bewerten und auf der Grundlage umfassender Angaben frühzeitig entscheiden, wie sie ihre Steuereinnahmen schützen.
Die Kommission begrüßt die Unterstützung der Ziele des Vorschlags durch den Bundesrat. Die Antworten der Kommission auf die konkreten Fragen, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme aufgeworfen hat, sind dem Anhang zu diesem Schreiben zu entnehmen.
Die Kommission hofft, dass die vom Bundesrat angesprochenen Punkte mit diesen Ausführungen geklärt werden können, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans Pierre Moscovici
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission
Herrn Michael MÜLLER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Anhang
Die Kommission hat alle in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkte sorgfältig geprüft und möchte dazu Folgendes anmerken:
Der Bundesrat wirft die Frage auf ob bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie aus den Grundfreiheiten der EU eine Pflicht zur Ausweitung der Anzeigepflicht über internationale Steuergestaltungen hinaus auf rein nationale Sachverhalte erwächst, um diskriminierende Behandlung zu vermeiden. Diskriminierung stellt das Ergebnis einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte dar. In der Regel gibt es jedoch keine inländischen Steuerplanungsmodelle, die mit grenzüberschreitenden potenziell aggressiven Steuerplanungsmodellen vergleichbar wären. Solche Modelle funktionieren nur bei Kombination bestimmter Steuergebiete.
Auch werden die Mitgliedstaaten durch die Richtlinie nicht daran gehindert, die Anzeigepflicht mittels nationaler Vorschriften auf rein inländische Modelle auszuweiten, da die Vorschriften in Bezug auf den inländischen Kontext nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Es sei angemerkt, dass selbst für den Fall, dass es vergleichbare inländische und grenzüberschreitende innergemeinschaftliche Modelle gäbe, eine Meldepflicht, die nur für grenzüberschreitende Modelle gilt, nicht unrechtmäßig wäre. Die obligatorische Offenlegung grenzüberschreitender potenziell aggressiver Modelle umfasst keine Steuerbewertung. Es handelt sich lediglich um eine Informationspflicht. Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten bereits Rechtsvorschriften über den automatischen Austausch von grenzüberschreitenden Steuervorbescheiden1 erlassen, was bestätigt, dass Rechtsvorschriften oder grenzüberschreitende Meldungen ohne eine Pflicht zur Offenlegung rein nationaler Sachverhalte nicht diskriminierend sind.
Die Kommission nimmt die Bitte des Bundesrats an die Bundesregierung zur Kenntnis, darauf hinzuwirken, dass Mehrbelastungen möglichst gering gehalten werden, und sich für Änderungen am Text einzusetzen, um die Praktikabilität und die Anwendbarkeit der Richtlinie in Deutschland zu verbessern.
Der Bundesrat schlägt vor, dass es für die Auslösung der Meldepflicht bei bestimmten Kennzeichen ausreichen sollte, wenn der Steuervorteil " ein wesentlicher Zweck" und nicht zwingend der Hauptzweck der Gestaltung ist. Die Kommission möchte betonen, dass die Meldepflicht nur bei wenigen Kennzeichen davon abhängt, dass der Steuervorteil der wesentliche Zweck der Gestaltung ist. Die Anwendung der meisten anderen Kennzeichen richtet sich nach objektiven Sachverhalten.
Der Bundesrat äußert Bedenken hinsichtlich der Delegation der zukünftigen Änderung des Kennzeichenkatalogs an die Kommission und bittet zu prüfen, ob diese Delegation zulässig ist. Aggressive Steuerplanungsmodelle können sich sehr schnell verbreiten, und deshalb wird die Kommission mit dein Ziel, die schnelle Aufnahme neuer Modelle zu erleichtern, in dem Vorschlag befugt, die Liste von Kennzeichen zu aktualisieren. Nach Ansicht der Kommission kann nur durch frühzeitige Reaktion auf aggressive Steuer Planungsmodelle gewährleistet werden, dass die Richtlinie die gewünschte Wirkung entfaltet. Aus diesem Grund kann die Delegation ein nützliches Instrument sein, um Ergebnisse in diesem Bereich zu erzielen.
Der Bundesrat vertritt die Auffassung, es erscheine sachgerecht, dass in erster Linie die Intermediäre meldepflichtig sind. Es solle nicht zur Regel werden, dass aufgrund beruflicher Verschwiegenheitspflichten die Steuerpflichtigen aggressive Steuerplanungen offenlegen müssen. In dem Vorschlag wird die Meldepflicht nur in Ausnahmefällen auf die Steuerpflichtigen verlagert. Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, da sie der Richtlinie inhaltlich entspricht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass sich die Vorschriften zu beruflichen Verschwiegenheitspflichten von einem Mitgliedstaat zum anderen sowohl in Bezug auf den Umfang als auch hinsichtlich der Art des Schutzes deutlich unterscheiden. Daher ist es sehr wichtig, anonyme Meldungen durch Intermediäre zu vermeiden, die die Wirksamkeit der Richtlinie ernstlich beeinträchtigen würden. Insbesondere wären die Behörden höchstwahrscheinlich nicht in der Lage, offen gelegte Angaben konkreten Elementen in grenzüberschreitenden
Steuerplanungsmodellen eines Steuerpflichtigen zuzuordnen.
Der Bundesrat fordert eine deutliche Verlängerung der Meldefrist, da jeweils fünf Arbeitstage vor der Umsetzung als zu kurz angesehen werden. Er empfiehlt zu prüfen, ob ein späterer Meldezeitpunkt, beispielsweise unmittelbar vor der ersten Umsetzungshandlung, in Betracht kommen könnte. Eine solche Lösung könnte den Intermediären und Steuerpflichtigen die Möglichkeit geben, das avisierte Modell und die dahinter stehenden Beweggründe zu erläutern. In diesem Punkt besteht die Kommission auf dem Nutzen einer frühzeitigen Meldung.
Der Bundesrat wirft die Frage auf, ob die Mitgliedstaaten berechtigt und/oder verpflichtet sind, die erhobenen Daten für gesetzgeberische Kontermaßnahmen zu verwenden, und schlägt vor, bestimmte Mindest- und Maximalstandards als Reaktion auf erwiesene aggressive Steuerplanungsmodelle .festzulegen, um eine europaweit einheitliche Vorgehensweise zu sichern. Die Kommission möchte klarstellen, dass der Vorschlag nicht so weit geht, die Mitgliedstaaten zu Kontermaßnahmen zu verpflichten. Vielmehr beschränkt er sich auf die Niederlegung einer Meldepflicht und überlässt es den Mitgliedstaaten zu entscheiden, wie sie aus dem Zugang zu den gemeldeten Angaben Nutzen ziehen möchten. In diesem Zusammenhang sei hinzugefügt, dass das Fehlen von Maßnahmen durch einen Mitgliedstaat nicht gleichbedeutend ist mit der "Genehmigung" einer bestimmten steuerlichen Regelung.
1 Richtlinie (EU) Nr. 2015/2376 des Rates vom 8. Dezember 2015 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich der Verpflichtung zum automatischen Austausch von Informationen im Bereich der Besteuerung (ABI. L 332 vom 18.12.2015, S. 1).