Der Bundesrat hat in seiner 960. Sitzung am 22. September 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Bemühungen der Kommission, eine faire Besteuerung in ganz Europa herbeizuführen und den Kampf gegen aggressive Steuersparmodelle voranzutreiben. Ein zentraler Aspekt bei dem im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vereinbarten Aktionsplan zur Vermeidung von Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Action-Points on Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) ist der grenzüberschreitende Informationsaustausch (Action-Point 12). Dieser kann einen entscheidenden Beitrag im Kampf gegen unlautere Steuerplanungen darstellen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt daher den Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung (Amtshilferichtline) und die damit verbundene Ausweitung des automatischen Informationsaustauschs auf meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungsmodelle.
- 3. Das Ziel eines grenzüberschreitenden Informationsaustausches ist es, die Finanzverwaltungen der einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber potentiell missbräuchlichen Steuersparmodellen zu sensibilisieren und sie auf einen gemeinsamen Wissensstand zu heben. Hierdurch soll eine Ausspielung der unterschiedlichen Steuersysteme und Finanzverwaltungen gegeneinander in Zukunft verhindert werden, indem bestehende Regelungslücken in ganz Europa geschlossen werden. So soll aggressiven Steuersparmodellen der Boden entzogen werden.
- 4. Die Einführung von Regelungen für eine Meldepflicht von Steuergestaltungsmodellen entspricht einer langjährigen Forderung des Bundesrates.
- 5. Der Vorschlag, potentiell aggressive grenzüberschreitende Steuerplanungsmodelle primär durch die Intermediäre offenzulegen, indem man diese Modelle einem verbindlichen automatischen Informationsaustausch zuführt, kann ein wesentlicher Schritt zur Erreichung des genannten Ziels sein.
- 6. Eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen kann einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken leisten, weil sie Gesetzgeber und Finanzverwaltung frühzeitig in die Lage versetzt, zielgerichtet und effektiv auf Steuergestaltungen zu reagieren. Die Verknüpfung der Meldepflicht mit einem europaweiten Informationsaustausch über die gemeldeten Modelle kann darüber hinaus eine zusätzliche Stärkung der Transparenz im Unternehmenssteuerbereich bewirken.
- 7. Der Bundesrat weist darüber hinaus darauf hin, dass zu bekämpfende Steuervermeidungspraktiken nicht nur im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden, sondern auch bei nationalen Sachverhalten existieren.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, eine Stellungnahme der juristischen Dienste der Kommission und des Rates einzuholen, ob bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie aus den Grundfreiheiten der EU sogar eine Pflicht zur Ausweitung der Anzeigepflicht über internationale Steuergestaltungen hinaus erwächst.
- 8. Er bittet die Bundesregierung ferner, bei der Verhandlung des Richtlinienvorschlags darauf hinzuwirken, dass die Mehrbelastungen für alle Beteiligten möglichst gering gehalten werden.
- 9. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich gegenüber der Kommission für Änderungen am Richtlinienvorschlag einzusetzen, um die Praktikabilität und die Anwendbarkeit der Richtlinie in Deutschland zu verbessern.
Dazu sind insbesondere Anpassungen in folgenden Bereichen notwendig:
- a) Katalog meldepflichtiger Gestaltungen
- - Für die Auslösung der Meldepflicht bei bestimmten Kennzeichen erscheint es ausreichend, wenn der Steuervorteil "ein wesentlicher Zweck" und nicht zwingend der Hauptzweck der Gestaltung ist. - Der Katalog zielt darauf ab, möglichst in allen Mitgliedstaaten Wirkung zu entfalten. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb, bei den Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass die Besonderheiten des deutschen Steuersystems bei der Ausgestaltung der Kennzeichen berücksichtigt werden und der Katalog entsprechend ergänzt wird.
- - Es ist zu prüfen, ob die Delegation der zukünftigen Änderung des Kennzeichenkatalogs auf die Kommission zulässig und sachgerecht ist.
- b) Meldepflichtige und Meldefrist
- - Es erscheint sachgerecht, dass in erster Linie Anbieter und Entwickler meldepflichtig sind und nur ausnahmsweise die Steuerpflichtigen selbst. Sollte die Ausnahme aufgrund beruflicher Verschwiegenheitspflichten zum Regelfall werden, sind Anpassungen des Richtlinienvorschlags erforderlich (zum Beispiel der Verzicht auf nutzerbezogene Informationen).
- - Die im Richtlinienvorschlag festgelegten Meldefristen sind zudem mit jeweils fünf Arbeitstagen zu kurz bemessen und bedürfen einer deutlichen Verlängerung.
- a) Katalog meldepflichtiger Gestaltungen
- 10. Der Bundesrat sieht darüber hinaus in bestimmten Bereichen zusätzlichen Prüfbedarf:
Er macht darauf aufmerksam, dass der nach dem Richtlinienvorschlag frühestmögliche Zeitpunkt, der die Meldepflicht von potentiell aggressiven grenzüberschreitenden Steuerplanungsmodellen auslöst, noch vor dem Zeitpunkt liegt, an dem begonnen wurde, diese Modelle umzusetzen. Der Intermediär kann nämlich grundsätzlich verpflichtet werden, fünf Tage nach Bereitstellung des Modells an den Steuerpflichtigen eine entsprechende Meldung vorzunehmen. Außerdem wird weder dem Intermediär noch dem Steuerpflichtigen selbst im Rahmen der Meldung die Möglichkeit eingeräumt, das avisierte Modell und die dahinter stehenden - unter Umständen plausiblen - Beweggründe zu erläutern. Daher wird empfohlen, die Regelung dahingehend zu überprüfen, ob ein späterer Meldezeitpunkt, beispielsweise unmittelbar vor der ersten Umsetzungshandlung eines solchen Modells, alternativ in Betracht kommen könnte.
Darüber hinaus wird eine Prüfung empfohlen, wofür die jeweiligen Mitgliedstaaten berechtigt und/oder verpflichtet sind, die erhobenen Daten zu nutzen. So könnten diese zu gesetzgeberischen Kontermaßnahmen ebenso verwendet werden wie für eine strengere finanzbehördliche Überwachung der jeweiligen Akteure. Die Festlegung bestimmter Mindest- und Maximalstandards als Reaktion auf erwiesene aggressive Steuerplanungsmodelle wäre wünschenswert. Hierdurch könnte eine europaweit einheitliche Vorgehensweise gesichert werden.
Vorlagenbezogene Vertreterbenennung
- 11. Der Bundesrat benennt für die Beratungen der Vorlage in den Gremien des Rates gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG in Verbindung mit Abschnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung einen Vertreter des LandesNordrhein-Westfalen, Ministerium der Finanzen (RD Marcus Spahn und vertretungsweise ORR Tim Hannig).
Direktzuleitung an die Kommission
- 12. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.