Der Bundesrat hat in seiner 914. Sitzung am 20. September 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission zur Einführung des paneuropäischen eCall als ein wichtiges Element zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in Europa. Folgende Punkte des Beschlussvorschlags bedürfen jedoch einer kritischen Würdigung:
Der Bundesrat hält den Termin 1. Oktober 2015 für die Einführung des eCalls bei den Notrufabfragestellen aus folgenden Gründen für nicht haltbar:
Die Umsetzung der Anforderung des vorgeschlagenen Beschlusses hat durch die Träger der 112-Notrufabfragestellen zu erfolgen, also je nach vorhandener Leitstellen-Struktur durch Länder oder kommunale Aufgabenträger. Die einzuhaltenden Vorgaben ergeben sich dabei aus der in Bezug genommenen Delegierten Verordnung Nr. 305/2013, die im Amtsblatt vom 3. April 2013 veröffentlicht worden ist. Die Delegierte Verordnung regelt die von Notrufabfragestellen zu gewährleistenden technischen Rahmenbedingungen durch Verweis auf die Normen EN 16072, EN 16062 und EN 15722. Zudem wird für die Konformitätsbewertung durch staatliche Stellen auf die Norm EN 16454 verwiesen. Für eine erfolgreiche Einführung der notwendigen Infrastruktur bei den Notrufabfragestellen ist daher dort und bei den staatlichen Behörden, welche die Konformität bewerten sollen,
allein die Kenntnis der EU-Rechtsakte nicht ausreichend, vielmehr ist zusätzlich der Erwerb von EN-Normen erforderlich. Hierfür können im Bereich eines Landes Kosten von bis zu 40 000 Euro entstehen. Die EN 16454 ist erst im August 2013 veröffentlicht worden, eine deutsche Fassung liegt bisher noch gar nicht vor.
Erst nach Kenntnis aller maßgeblichen technischen Rahmenbedingungen in für deutsche öffentliche Stellen lesbarer Form sind die Grundlagen für notwendige Ausschreibungen zur Beschaffung der Leitstellentechnik gegeben. Ein breiter Markt für entsprechende technische Lösungen ist erst im Entstehen. Eine Haushaltsvorsorge insbesondere bei kommunalen Trägern von Notrufabfragestellen war vor diesem Hintergrund nicht möglich. Die Bereitstellung von Haushaltsmitteln sowie die anschließende rechtssichere Durchführung von Beschaffungsverfahren werden daher bis zum vorgesehenen Termin 1. Oktober 2015 nicht in der gesamten Bundesrepublik möglich sein. Der Bundesrat regt daher an, den Termin zur Einführung des eCalls bei den Notrufabfragestellen um ein Jahr auf den 1. Oktober 2016 zu verschieben.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die im Beschlussvorschlag erwähnte "Bereinigung" bzw. das "Herausfiltern" von sogenannten Pannennotrufen (Erwägungsgrund 7 sowie Artikel 1) in Deutschland auch in Zukunft nicht erforderlich sind.
Der paneuropäische eCall im Sinne der vorliegenden Normen bzw. Normvorschläge ist zwingend an die europaweite Notrufnummer 112 zu richten. Nach den geltenden Bestimmungen in Deutschland, insbesondere der NotrufV und der TR Notruf, sind solche Anrufe direkt zu den nach Landesrecht festzulegenden Notrufabfragestellen durchzuleiten. Diese Rechtslage muss auch nach Einführung des paneuropäischen eCall erhalten bleiben. Das in den genannten Teilen des Beschlussvorschlags erwähnte "Herausfiltern" bzw. "Bereinigen" insbesondere von manuell ausgelösten eCalls würde die Zwischenschaltung von Dritten - z.B. Anbietern von Mehrwertleistungen wie Pannenhilfe - in den 112-Notruf erfordern. Damit würde in Fällen echter Notrufe die Frist zwischen der (insbesondere manuellen) Auslösung des eCalls und der Entsendung von Hilfe durch das hierfür ausgebildete Personal der Notrufabfragestellen unnötig verlängert. Die unterhalb des AK II der IMK angesiedelte Expertengruppe Notruf (EGN), der Vertreter sowohl der polizeilichen als auch der nichtpolizeilichen Leitstellenbetreiber angehören, hat dazu in ihrer letzten Sitzung im August 2013 ausgeführt, Ziel der Einführung des eCall sei es, die Rettungskette zu verkürzen. Die EGN sieht bei Zwischenschaltung von Dritten stattdessen eine Verlängerung der Rettungskette, die durch das "Vorfiltern" von nicht notrufrelevanten Verbindungen und damit durch das Verringern von Fehlanrufen bei den Notrufabfragestellen nicht kompensiert werden kann.
Dies berührt nicht die Möglichkeit der Anbieter der genannten Mehrwertleistungen, diese weiterhin in geeigneter Form neben dem verpflichtenden paneuropäischen eCall anzubieten.
- 2. Des Weiteren wird mit der verbindlichen Einführung des automatischen Notrufsystems eCall auf EU-Ebene ein kommunalbelastender Standard gesetzt.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den weiteren Verhandlungen auf europäischer Ebene für eine klarstellende Regelung einzusetzen, welcher Kostenträger die Finanzierung der Mehrkosten für die Bearbeitung erwarteter Notrufe in den Notrufabfragestellen (Leitstellen) und für die zusätzlich zu erwartenden (Fehl-)Einsätze der Feuerwehren und Rettungsdienste übernehmen soll.
- 4. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass weder Länder noch Kommunen die mit dem Vorhaben verbundenen Mehrkosten tragen sollen.