Der Bundesrat hat in seiner 890. Sitzung am 25. November 2011 gemäß § § 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in den weiteren Beratungen für eine Überprüfung der für den Verordnungsvorschlag gewählten Ermächtigungsgrundlage sowie der Wahl der Rechtsform einzusetzen.
Dem Verordnungsvorschlag fehlt zum jetzigen Zeitpunkt grundsätzlich eine Begründung für die Wahl der Rechtsform.
- 2. Der Bundesrat bemängelt, dass die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Registrierung von Beförderungsunternehmen für radioaktive Materialien Regeln für den Verkehr aufstellt und daher seine Rechtsgrundlage in Artikel 91 AEUV finden muss. Die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags stehen im Zusammenhang mit der Beförderung von Gütern im grenzüberschreitenden Verkehr. Rechtsgrundlage für Regelungen, die den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Staaten betreffen, erfordern als Rechtsgrundlage Artikel 91 AEUV.
- 3. Der Verordnungsvorschlag stützt sich als Rechtsgrundlage auf den Euratom-Vertrag, insbesondere auf die Artikel 31 und 32 des Euratom-Vertrags. Es ist jedoch unklar, ob den Bestimmungen der Artikel 31 und 32 eine Ermächtigung zum Erlass der vorgeschlagenen Regelungen zu entnehmen ist. Die Bezugnahme des Euratom-Vertrags (als Ganzes) ist zu unspezifisch, um als Rechtsgrundlage in Frage zu kommen. Es bestehen Zweifel an der Tragfähigkeit der angeführten Ermächtigungsgrundlagen. Der Bezug auf die Artikel 31 und 32 des Euratom-Vertrags reicht hierfür jedenfalls nicht aus.
- 4. Nach Artikel 33 des Euratom-Vertrags erlassen die Mitgliedstaaten die geeigneten Vorschriften, um die Beachtung der Grundnormen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen die Gefahren ionisierender Strahlung sicherzustellen. Dieser Artikel sieht allerdings - soweit es um die mit dem Verordnungsvorschlag ebenfalls beabsichtigte Harmonisierung und Vereinfachung geht ("Bestimmungen in Einklang bringen") - nicht das Instrument der Verordnung, sondern das der Empfehlung als Rechtsform für den zu regelnden Sachverhalt vor.
- 5. Nach dem Verordnungsvorschlag soll ein Europäisches System für die Registrierung von Beförderern eingeführt werden, wobei die Beförderer die Registrierung über eine zentrale Internet-Stelle beantragen sollen. Die Anträge sollen von der nationalen Behörde geprüft werden, die die Registrierung vornimmt, wenn die übermittelten Angaben vollständig sind, den einschlägigen Anforderungen der Verordnung entsprechen und die Vorschriften der Richtlinie 96/29/Euratom sowie der Richtlinie 2008/68/EG erfüllen. Dieses "Registrierungssystem" muss eingeführt, getestet und einsatzfähig sein, wenn die EU-Verordnung in Kraft tritt.
- 6. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass das vorgeschlagene Registrierungsverfahren nicht geeignet ist, bestehende Melde- und Genehmigungsvorschriften in der Strahlenschutzverordnung zu ersetzen. Der neue Verordnungsvorschlag der Kommission stellt eine weitere Lizenzierung für Transportunternehmen (als Registrierung bezeichnet) daneben, die radioaktive Stoffe transportieren, und die neben den bestehenden Vorschriften gemäß ADR gelten soll. Es werden im Rahmen des Antragsverfahrens aber nur Informationen über die beantragten Verkehrsträger, die von vorgesehenen Beförderungen möglicherweise berührten Mitgliedstaaten und die für die Beförderung vorgesehenen radioaktiven Materialien abgefragt. Außerdem müssen die Antragsteller lediglich bestätigen, dass sie das ohnehin vorgeschriebene Strahlenschutzprogramm anwenden. Es werden daher nur statistisch relevante Angaben gefordert, aber keine Maßgaben auferlegt.
Der Bundesrat hat Zweifel, ob der Vorschlag überhaupt dem Strahlenschutz dienlich ist oder eher der Informationsbeschaffung der Kommission dient und lediglich zu einem zusätzlich bei der Beförderung mitzuführenden und zu kontrollierenden Papier führt.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Ratsbehandlung des Kommissionsvorschlags auf folgende Änderungen hinzuwirken:
- - Es sind Anforderungen an das vorzulegende Strahlenschutz- und das Qualitätssicherungsprogramm und damit Kriterien für die Ausstellung einer Registrierungsbescheinigung festzulegen, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. - Die in Anhang 1 Nummer 6 bezüglich des Qualitätsicherungsprogramms vorgesehene behördliche Überprüfung ist auch für das Strahlenschutzprogramm zu schaffen.
- - Die Behörde erhält auch schon bei der Ausstellung der Registrierungsbescheinigung eine Versagungsmöglichkeit für den Fall der Nichterfüllung der Anforderungen; bislang sind in Artikel 7 lediglich nachträgliche Sanktionen vorgesehen.
- - Die Möglichkeit zur Versagung oder zur nachträglichen Sanktionierung nach Artikel 7 soll auch bei Verstößen gegen Vorschriften über den Transport gefährlicher Güter gelten.
- 8. Aus verschiedenen Rechtsvorschriften des Straßengüterverkehrs ergeben sich für die Unternehmen aus Sicht des Bundesrates ausreichende Regelungen für eine sichere Beförderung radioaktiven Materials. So müssen alle Unternehmen des Straßengüterverkehrs bereits eine Lizenz für die Güterbeförderung haben und in deren Rahmen ihre Fachkunde nachweisen. Dazu gehören für Unternehmen, die gefährliche Güter befördern wollen, auch Kenntnisse der verkehrsrechtlichen Gefahrgutvorschriften.
Zudem müssen:
- - die an einer Beförderung beteiligten Personen in die Gefahrgutvorschriften unterwiesen sein, - die Unternehmen einen geschulten Sicherheitsberater (Gefahrgutbeauftragten) bestellt haben,
- - die Fahrer gemäß dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) geschult sein und eine ADR-Schulungsbescheinigung besitzen. Diese schließt einen speziellen Aufbaukurs für die Klasse 7 (radioaktive Stoffe) ein.
In diesen Schulungen und Unterweisungen werden Kenntnisse über die Sicherheitsvorschriften vermittelt.
- 9. Im Hinblick auf Artikel 4 und 5 des Verordnungsvorschlags befürchtet der Bundesrat zusätzlichen Aufwand für Kontrolltätigkeiten während der Beförderung und die Durchsetzung der Ahndung von festgestellten Verstößen. Hinsichtlich der Datensysteme muss der Zugriff für die zuständigen Kontrollbehörden der Mitgliedstaaten sichergestellt und das Kontrollpersonal unterwiesen werden. Zwar soll nach der Verordnungsbegründung das einheitliche Registrierungsverfahren gegenüber dem derzeit geltenden nationalen Verfahren eine Verringerung des Verwaltungsaufwands mit sich bringen; da aber der Verordnungsvorschlag hierzu keine näheren Angaben macht, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, im Zuge der Beratungen in den Gremien der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass die Belastungen für die betroffenen Unternehmen und die Kostenfolgen für den Verwaltungsvollzug der Mitgliedstaaten gering gehalten werden und nicht über das heutige Maß hinausgehen.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob der Kommission vor dem Hintergrund der bestehenden europäischen und deutschen Strahlenschutzvorschriften Vorschläge zur Nachbesserung der Regelungen über das "Registrierungssystem" unterbreitet werden sollen. Die Bundesregierung möge im Rahmen dieser Prüfung auch die bisherigen Erfahrungen der Länder berücksichtigen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung weiterhin, die Länder über das Ergebnis ihrer Prüfung zu informieren.
In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, inwieweit die im deutschen Atom- und Strahlenschutzrecht geltenden Standards weiterhin Geltung beanspruchen können.
Es ist dabei auch zu prüfen, ob gegebenenfalls Übergangsregelungen bei der Einführung des Registrierungssystems erforderlich sind, auch mit Blick auf den Bestandsschutz bereits erteilter Beförderungsgenehmigungen.
Ein Aspekt der Prüfungen sollte auch sein, welcher personelle und gegebenenfalls finanzielle Aufwand auf die Behörden zukommt.