847. Sitzung des Bundesrates am 19. September 2008
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Angesichts der Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung steht der Bundesrat einer Ausweitung von Steuerermäßigungstatbeständen grundsätzlich kritisch gegenüber. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze zunächst einer eingehenden strukturellen Überprüfung bedarf, und bezieht sich dabei auf die Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament vom 5. Juli 2007 (KOM (2007) 380 endg.).
- (bei Annahme entfällt Ziffer 2)
Der Bundesrat hält es daher nicht für zielführend, mit dem vorliegenden Richtlinienvorschlag für einzelne Bereiche Regelungen zu treffen, bevor die von der Kommission angekündigte Grundsatzdebatte über den Anwendungsbereich der ermäßigten Mehrwertsteuersätze abgeschlossen ist.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, diese Haltung bei der Erörterung des Richtlinienvorschlags in ihre Willensbildung mit einzubeziehen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission, den Mitgliedstaaten im Rahmen des "Small Business Act" eine dauerhafte Reduzierung der Mehrwertsteuersätze für kleine Dienstleister und lokal erbrachte Dienstleistungen zu ermöglichen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, dem Richtlinienvorschlag zuzustimmen. Die generelle Einführung eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive und konsumnahe Dienstleistungen stärkt Wachstum und Beschäftigung und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von Schwarzarbeit.
- (entfällt bei Annahme von Ziffer 1)
Dies bestätigt die im Juli 2007 im Auftrag der Kommission erstellte Studie von Copenhagen Economics. Darin wird dargestellt, dass die Anwendung ermäßigter Mehrwertsteuersätze in sorgsam ausgewählten Bereichen spezielle wirtschaftliche Vorteile bringen kann, wenn sie die Verbraucher dazu bewegt, "Heimwerker"-Tätigkeiten und Tätigkeiten der Schattenwirtschaft in die reguläre Wirtschaft zu verlagern. Auch ein 2003 vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg in Auftrag gegebenes Gutachten des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim hat gezeigt, dass mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz zusätzliche reguläre Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen werden können. Eine Studie des französischen Interessenverbands des Handwerks und der kleinen Bauunternehmen vom Mai 2005 (CAPEB-Studie), die die Auswirkungen des reduzierten Mehrwertsteuersatzes in den Jahren 1999 bis 2004 in Frankreich untersucht hat, kommt ebenfalls zu positiven Ergebnissen. Die Studie spricht über den gesamten Zeitraum von 53 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, 7 % mehr Wirtschaftsleistung im Renovierungssektor der Bauwirtschaft und 3,8 Milliarden mehr Wirtschaftsleistung für die gesamte französische Volkswirtschaft sowie von einem signifikanten Rückgang der Schwarzarbeit.
Zu dem Thema Schwarzarbeit geht eine zu Jahresbeginn veröffentlichte Prognose von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Friedrich Schneider von der Universität Linz und dem Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen davon aus, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland im Jahr 2008 ein Volumen von rund 347 Milliarden Euro umfasst. Der Anteil der Schattenwirtschaft in Deutschland beläuft sich danach - gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - auf rund 14,2 %. Nach Schätzungen von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Friedrich Schneider könnte eine komplette Mehrwertsteuerbefreiung arbeitsintensiver Dienste das Ausmaß der Schwarzarbeit in Deutschland um rund sechs Milliarden Euro in zwei Jahren verringern.
B
- 3. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.