836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007
A.
- 1. Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund zu verlangen:
Die Erweiterung des Erhebungsumfangs beim Mikrozensus ist zu vermeiden.
Begründung
Mit dem vorliegenden Gesetz wird in § 4 Abs. 5 Nr. 2 des Mikrozensusgesetzes 2005 für Frauen im Alter von 15 bis 75 Jahren alle vier Jahre die Frage nach der "Zahl der lebend geboren Kinder" eingefügt. Damit wird nicht nur die im Vermittlungsausschuss im Jahr 2004 einvernehmlich gefundene Lösung zum Mikrozensusgesetz 2005 unterlaufen, sondern auch die in § 13 Nr. 2 des Mikrozensusgesetzes 2005 vorgesehene Begrenzung des Fragenumfangs ausgehebelt.
Im Gesetzgebungsverfahren zum Mikrozensusgesetz 2005 waren sich fast alle Beteiligten darin einig, dass eine weitere Aufblähung des Fragebogens eine Gefahr für die Qualität der gesamten Mikrozensuserhebung darstellt. Deshalb konnte im Vermittlungsverfahren zum Mikrozensusgesetz 2005 der Fragenkatalog eingeschränkt werden. Dabei wurde die schon damals vorgesehene Frage nach der "Zahl der lebend geborenen Kinder" aus dem Fragenkatalog wieder gestrichen. U. a. auch, weil befürchtet wurde, dass in bestimmten Fällen - wie z.B. Situationen, die sich aus Adoptionsfreigabe, Angaben über gestorbene Säuglinge, Kinder aus früheren Beziehungen oder ungewollte Kinderlosigkeit ergeben können - diese Frage zu nicht zumutbaren Peinlichkeiten führen könnte.
Beim Mikrozensus 2007 umfasst das Frageprogramm für den "Grundbogen" 158 Fragen. Unter Einbeziehung des Zusatzbogens zum sogenannten Adhoc-Modul der EU-Arbeitskräftestichprobe erhöht sich der Frageumfang auf 174 Fragen. Der Fragebogen (rd. 40 Seiten), die dazugehörigen Erläuterungen und die weiteren Informationen für die Befragten über den Mikrozensus umfassen über 50 DIN-A 4-Seiten. Die beim Gesetzgebungsverfahren zum Mikrozensusgesetz 2005 befürchtete Überfrachtung des Mikrozensus ist trotz der im Vermittlungsverfahren erreichten Begrenzung der zusätzlichen Fragen eingetreten. So ist z.B. in Baden-Württemberg der Anteil der unvollständig ausgefüllten Fragebogen bei den Selbstausfüllerhaushalten von rd. 6 % im Durchschnitt der Jahre 1998 bis 2004 auf rd. 12 % in den Jahren 2005 und 2006 angestiegen.
Auch der Gesetzgeber hat die Problematik der Überfrachtung des Mikrozensus gesehen. Deshalb ist in der Verordnungsermächtigung in § 13 Nr. 2 Mikrozensusgesetz 2005 zur Vermeidung einer Erweiterung des Erhebungsumfangs die Einführung neuer Erhebungsmerkmale zur Deckung eines geänderten Bedarfs an die gleichzeitige Aussetzung anderer Merkmale gekoppelt. Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren wurde diese Koppelung mit dem Hinweis auf keine zu erwartenden praktikablen Lösungsvorschläge umgangen. Dies ist nicht sachgerecht und im Hinblick auf die Erhaltung der Qualität der gesamten Mikrozensuserhebung zu korrigieren.
Merkmalsstreichungen führen selbstverständlich immer zu Informationsverlusten. Aber nach dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist auch Bürokratieabbau ein Ziel der Koalition. Die Erweiterung des Erhebungsumfangs beim Mikrozensus ist mit der "Neuentlastung von Bürgern, Wirtschaft und Behörden von einem Übermaß an Vorschriften und der damit einhergehenden Belastung durch bürokratische Pflichten" nicht vereinbar.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die neue Frage "Zahl der lebend geborenen Kinder" schon deshalb nicht in letzter Konsequenz belastbare Ergebnisse liefern wird, weil sie nicht der Auskunftspflicht unterliegt, sondern ihre Beantwortung freiwillig ist. Ferner sind sowohl bei den Selbstausfüllerhaushalten als auch bei den Haushalten, die ihrer Auskunftspflicht gegenüber Interviewern nachkommen, Lebenssituationen der betroffenen Haushalte denkbar, die zu unrichtigen Angaben führen können.
B.
- 2. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Frauen und Jugend empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.