859. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2009
A.
- 1. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B.
- 2. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat ferner, folgende Entschließung zu fassen:
Der Bundesrat begrüßt zwar, dass das Gesetz das Anliegen der Gesetzesinitiative des Bundesrates vom 14. März 2008 - BR-Drs. 072/08(B) , BT-Drs. 016/9021 - aufgreift und den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Straftaten durch eine Ausdehnung der Aufnahme von Verurteilungen in das Führungszeugnis verbessern will. Gegen das Gesetz ist aber, auch wenn der darin vorgesehene Umfang der zusätzlich aufzunehmenden Verurteilungen nicht zu beanstanden ist Folgendes einzuwenden:
Nicht zu überzeugen vermag der Lösungsansatz der Vorlage - abweichend vom Gesetzentwurf des Bundesrates -, den Umfang des Führungszeugnisses nicht generell auszudehnen, sondern zusätzliche Eintragungen nur in ein "erweitertes Führungszeugnis" aufzunehmen, das nur unter besonderen Voraussetzungen erteilt wird. Denn das Gesetz will zwar einerseits den Kreis der Personen, denen ein erweitertes Führungszeugnis erteilt wird, beschränken, kann diesen Personenkreis aber nicht exakt abgrenzen. Gemäß der Generalklausel in § 30a Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe c in Verbindung mit Buchstabe b BZRG- neu soll das erweiterte Führungszeugnis dann erteilt werden, wenn es für eine Tätigkeit benötigt wird, die in einer der beruflichen oder ehrenamtlichen Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger "vergleichbaren Weise geeignet ist", Kontakt zu Minderjährigen aufzunehmen. Nach welchen Kriterien beurteilt werden soll, ob Tätigkeiten im Sinne der Vorschrift "in vergleichbarer Weise geeignet" sind, wird auch in der Begründung des zugrundeliegenden Gesetzentwurfs nicht näher erläutert. Der Umfang des auskunftsberechtigten Personenkreises bleibt daher unklar. Dies führt zu Auslegungsschwierigkeiten und möglichen Schutzlücken.
Zudem obliegt es nach dem Gesetz der Person, die das erweiterte Führungszeugnis vom Antragsteller verlangt, also z.B. dem (künftigen) Arbeitgeber, zu beurteilen ob das erweiterte Führungszeugnis für eine die Kriterien des § 30a Absatz 1 BZRG- neu erfüllende Tätigkeit benötigt wird. Sie hat das Risiko einer eventuell unberechtigten Anforderung des erweiterten Führungszeugnisses und sich hieraus möglicherweise ergebender Schadenersatzansprüche des Bewerbers zu tragen. Dies wird - zumindest in Grenzfällen - zur Verunsicherung der für die Besetzung einer Stelle verantwortlichen Person hinsichtlich der Frage führen, ob sie sich das erweiterte Führungszeugnis einerseits vorlegen lassen darf, ohne sich schadenersatzpflichtig zu machen, und ob sie sich andererseits das erweiterte Führungszeugnis vorlegen lassen muss, um etwaigen Schutzpflichten gegenüber Kindern und Jugendlichen, mit denen der Beschäftigte in Kontakt kommen kann, gerecht zu werden.
Das Gesetz legt damit ein zu starkes Gewicht auf das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten zu Lasten desjenigen, der im Interesse des Kinder- und Jugendschutzes bei der Besetzung einer Stelle tätig werden will. Es berücksichtigt dabei nicht hinreichend, dass es sich bei den zusätzlich aufzunehmenden Verurteilungen gerade hinsichtlich des verletzten Rechtsgutes nicht um "Bagatelldelikte" handelt auch wenn die Strafe gering ausgefallen ist. Das Resozialisierungsinteresse des Verurteilten ist hinlänglich durch § 34 Absatz 1 Nummer 1 BZRG gewahrt wonach die Aufnahmefrist bei geringfügigen Verurteilungen nur drei Jahre beträgt, wenn nicht eine Aufnahme nach § 38 BZRG wegen weiterer Verurteilungen erfolgen muss. Die Gefahr, dass einmalige "Jugendsünden" auf Dauer im Führungszeugnis erscheinen und der Resozialisierung im Wege stehen, besteht also nicht.
Schließlich führt das Konzept des Gesetzes zu einem erhöhten Bürokratieaufwand.
Der Bundesrat hält daher seinen am 14. März 2008 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes für vorzugswürdig.