Antrag des Freistaates Sachsen
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG)

Punkt 39 der 886. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2011

Der Bundesrat nimmt zu dem Gesetzentwurf wie folgt Stellung:

Zu Artikel 1 Nummer 44a - neu - (§ 118a - neu - SGB V)

In Artikel 1 ist nach Nummer 44 folgende Nummer 44a einzufügen:

'44a. Nach § 118 wird folgender § 118a eingefügt:

" § 118a Geriatrische Institutsambulanzen

Geriatrische Fachkrankenhäuser und Allgemeinkrankenhäuser mit selbständigen, fachärztlich geleiteten geriatrischen Abteilungen mit regionaler Versorgungsverpflichtung sind vom Zulassungsausschuss zur Behandlung der im Vertrag nach Satz 2 vereinbarten Gruppe von Kranken zu ermächtigen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung legen in einem Vertrag die Gruppe geriatrisch Kranker fest, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung der ambulanten Behandlung durch die Einrichtungen nach Satz 1 bedürfen. Kommt der Vertrag ganz oder teilweise nicht zu Stande, gilt § 118 Absatz 2 Satz 3 bis 7 entsprechend." '

Begründung:

Geriatrische Patienten können auf Grund der Komplexität ihrer Krankheit, aber auch aufgrund der unzureichenden Versorgungsdichte geriatrischer Fachkompetenz nicht adäquat von den niedergelassenen Ärzten behandelt werden.

Es handelt sich hierbei um Patienten, die aufgrund ihrer geriatrietypischen Multimorbidität einen dringenden ambulanten Behandlungsbedarf haben, die aber auf Grund der Art, Schwere und Komplexität der Verläufe ihrer Erkrankungen durch das Leistungsspektrum der Vertragsärzte nicht ausreichend behandelt werden können (z.B. ungenügendes multiprofessionelles Angebot, fehlende spezifisch geriatrische Weiterbildung). Betroffen davon sind insbesondere sehr alte Patienten mit multiplen somatischen und psychischen Beeinträchtigungen, die regelmäßig mit Einschränkungen der Autonomie im Alltag bis hin zur Pflegebedürftigkeit verbunden ist. Bisher wurden diese Patienten im Wesentlichen stationär in den Krankenhäusern mit geriatrischen Fachabteilungen betreut.

In den nächsten zehn Jahren ist mit einer signifikanten Zunahme dieser geriatrischen Patienten zu rechnen. Während in Deutschland die Bevölkerung insgesamt bis 2020 um rund 2 Prozent auf knapp 80 Millionen zurückgehen wird, wird die Anzahl der über 80-Jährigen um über 40 Prozent auf gut 6 Millionen steigen. Schon aktuell besteht eine zumindest regional unzureichende Versorgungsdichte von Ärzten mit geriatrischer Fachkompetenz. Nach Erhebungen im Auftrag des Dachverbandes der Gerontologischen und Geriatrischen Gesellschaften Deutschlands e.V. (Prof. Kolb, European Journal of Geriatrics, Vol. 11 (2009) No. 1) verfügten Ende 2007 in Deutschland nur 2112 Ärzte über die Anerkennung Klinische Geriatrie. Dabei variiert die Arztdichte (Anzahl der über 80-Jährigen pro Geriater) in den Ländern um den Faktor 5. Erschwerend für die ambulante Versorgung kommt hinzu, dass sich von den Ärzten mit geriatrischer Fachkompetenz nur ein ganz geringer Anteil niedergelassen hat.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, die Einrichtungen, in denen sich die geriatrische Fachkompetenz konzentriert, durch den Zulassungsausschuss zur ambulanten Behandlung geriatrischer Patienten ermächtigen zu lassen.

Dazu sollen in Analogie zu der bestehenden Regelung zu den psychiatrischen Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) geriatrische Institutsambulanzen etabliert werden. Die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztlichen Bundesvereinigung erhalten deshalb den Auftrag, in einem Vertrag die Gruppen der Kranken festzulegen, die durch Vertragsärzte regelmäßig ambulant nicht adäquat zu behandeln sind und deshalb der Behandlung durch geriatrische Ambulanzen an Allgemeinkrankenhäusern bedürfen. Durch die vom Zulassungsausschuss zu erteilende Ermächtigung zur Behandlung nur der Kranken, die in den Vertragsarztpraxen nicht behandelbar sind, ist sichergestellt, dass es zu keinen Doppelstrukturen und damit zu keinen Interessenkollisionen mit den niedergelassenen Ärzten kommt. Durch die Anrufung des erweiterten Bundesschiedsamtes wird sichergestellt, dass die Blockade des Vertragsschlusses durch eine der Parteien verhindert wird.