912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013
A
- 1. Der federführende Rechtsausschuss und der Gesundheitsausschuss empfehlen dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderung beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 299a Absatz 1 Nummer 1 und 2, Absatz 2 Nummer 1 und 2 StGB)
In Artikel 1 Nummer 2 ist § 299a wie folgt zu ändern:
- a) Absatz 1 Nummer 1 und 2 sind wie folgt zu fassen:
- "1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
- 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze,"
- b) Absatz 2 Nummer 1 und 2 sind wie folgt zu fassen:
- "1. ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge oder
- 2. in sonstiger Weise seine Berufsausübungspflichten verletze."
Folgeänderungen:
Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:
- a) Absatz 3 ist durch folgende Absätze zu ersetzen:
"Zum anderen soll durch die im Vergleich zu § 299 StGB vorgeschlagene Erweiterung um die Tatbestandsvariante der Vereinbarung einer Verletzung von Berufsausübungspflichten in sonstiger - also wettbewerbsunabhängiger - Weise der Schutz der Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen nicht nur als Reflex, sondern in umfassender und hervorgehobener Weise erreicht werden. Der Regelungsvorschlag unter § 299a Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 2 StGB-E knüpft an die im Berufsrecht ausdrücklich geregelten Verbote kollusiven Zusammenwirkens im Gesundheitssystem an.
§ 2 der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä 1997) bestimmt, dass Ärztinnen und Ärzte ihr ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten haben. Insbesondere dürfen sie nicht das Interesse Dritter über das Wohl der Patientinnen und Patienten stellen, sie haben den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu beachten und dürfen keine Weisungen von Nichtärzten oder Nichtärztinnen entgegennehmen. Für andere Angehörige von Heilberufen lassen sich Berufsausübungspflichten in hinreichend bestimmter Form aus den anerkannten Regeln der ärztlichen bzw. therapeutischen Kunst ableiten.
Die Tatbestandsvariante bildet damit einen Auffangtatbestand für Fälle, in denen nicht eine Bevorzugung gegenüber Mitbewerberinnen und Mitbewerbern, sondern unter Missachtung anerkannter Standards der Behandlung und der Aufklärung beispielsweise allgemeine Steigerungen von Bezugs- oder Verordnungsmengen erreicht oder wettbewerbsunabhängige Privatinteressen verfolgt werden sollen."
- b) In Absatz 4 Satz 2 sind die Wörter ' "ein Beeinflussen-Lassen" in sonstiger unlauterer Weise' durch die Wörter "für sonstige Verletzungen von Berufsausübungspflichten" zu ersetzen.
- c) In Absatz 13 Satz 3 sind die Wörter 'des "Beeinflussen-Lassens" ' durch die Wörter "der Verletzung von Berufsausübungspflichten" zu ersetzen.
- d) In Absatz 14 Satz 1 sind die Wörter 'das "Beeinflussen-Lassen" ' durch die Wörter "die Verletzung von Berufsausübungspflichten" zu ersetzen.
- e) In Absatz 17 Satz 1 sind die Wörter 'einer Bevorzugungen oder eines "Beeinflussen-Lassens"' durch die Wörter "einer Bevorzugung oder einer Verletzung von Berufsausübungspflichten" zu ersetzen.
- f) Absatz 19 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die Sätze 1 und 2 sind zu streichen.
- bb) Die Sätze 3 und 4 sind wie folgt zu fassen:
"Das Merkmal der Unlauterkeit grenzt sachwidrige von sachgerechten Motiven der Bevorzugung im Wettbewerb ab. Es beschreibt das Verhältnis von Leistung (Vorteil) und Gegenleistung (Bevorzugung)."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Tatbestandsvariante der Beeinflussung "in sonstiger unlauterer Weise" begegnet angesichts des Bestimmtheitsgebots des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetzes Bedenken.
In § 299 StGB ist das Tatbestandsmerkmal der "Unlauterkeit", ebenso wie zuvor in § 12 UWG a.F., anhand der Kriterien zu konkretisieren, die vernünftigerweise am Markt geschäftliche Entscheidungen bestimmen. Es dient dazu, sachgerechte von sachwidrigen Motiven bei der Bevorzugung eines Wettbewerbers gegenüber einem anderen zu unterscheiden (vgl. Fischer, StGB, § 299, Rnr. 16). Unlauter ist daher eine Bevorzugung dann, wenn sie nicht auf sachlichen Erwägungen, gemessen am "freien" Wettbewerb, gründet, sondern durch den verlangten oder angebotenen Vorteil geleitet ist (vgl. Schönke/Schröder/Heine, StGB, § 299, Rnr. 19). Gebote zu lauterem Verhalten enthalten deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur solche Normen, die einen Bezug zum Verhalten im Wettbewerb aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - I ZR 28/98 -, GRUR 2000,1076,1077).
Zur Bestimmung einer wettbewerbsunabhängigen, allgemeinen "Lauterkeit" hingegen kann nicht auf dergestalt konkretisierbare, rationalökonomische Gesichtspunkte zurückgegriffen werden. Die Rechtsanwendung liefe Gefahr, sich in allgemeinmoralischen Überlegungen zu verlieren, die je nach persönlicher Einschätzung stark variieren können. Das Bestimmtheitsgebot verlangt jedoch, dass Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich vorausschauend erkennen können, ob gerade ihr Handeln mit Strafe belegt werden könnte oder nicht.
Es bedarf daher einer Präzisierung, an welchen Kriterien sich die Verordnungs- oder Zuweisungsentscheidung im Gesundheitswesen berechtigterweise orientieren darf und an welchen nicht. Die Unterscheidung hat sich im Interesse der Patientinnen und Patienten an den Regeln der ärztlichen Kunst bzw. an den sonstigen medizinischen Standards der jeweiligen Berufsgruppe zu orientieren. Durch Bezugnahme auf diese konkreten Regeln, die zum Teil ausdrücklich kodifiziert sind, deren Einhaltung jedenfalls aber mit Hilfe sachverständiger Bewertung überprüft werden kann, kann der Auffangtatbestand insbesondere die Fälle erfassen, in denen nicht eine Bevorzugung gegenüber Mitbewerberinnen und Mitbewerbern erreicht werden soll, sondern Verordnungen oder Zuweisungen ohne kritische Prüfung der Indikation oder ohne Aufklärung vereinbart werden. Dass dabei nicht Pflichtverletzungen aller Art bloß bei Gelegenheit einer Behandlung unter Strafe gestellt werden sollen, sondern nur solche, die den Bezug, die Verordnung oder die Abgabe von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten oder die Zuweisung von Patientinnen und Patienten oder Untersuchungsmaterial betreffen, wird durch die Verwendung des Begriffs "Berufsausübungspflicht" nochmals besonders klar gestellt.
- a) Absatz 1 Nummer 1 und 2 sind wie folgt zu fassen:
B
- 2. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
C
- 3. Der federführende Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat vor, Senatorin Jana Schiedek (Hamburg) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.