A. Problem und Ziel
Auch bei guter wirtschaftlicher Situation und steigendem Fachkräftebedarf gibt es eine Gruppe von Arbeitslosen, bei denen eine Integration in reguläre Beschäftigung in absehbarer Zeit nicht gelingen wird. Im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Dazu bedarf es des Angebotes von öffentlich geförderten Beschäftigungsmöglichkeiten. Deren Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmenden zu erhalten, zu stärken bzw. wiederherzustellen. Auf diese Weise können Integrationshemmnisse abgebaut und perspektivisch die Grundlagen für eine Integration in reguläre Beschäftigung geschaffen werden.
Öffentlich geförderte Beschäftigung kann ihre arbeitsmarktpolitische Zielsetzung nur dann verwirklichen, wenn eine qualitätsgerechte Ausgestaltung gesichert ist. Da aufgrund der individuellen Defizite der Zielgruppe allein durch die Beschäftigung selbst die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung in der Regel nicht erreicht werden kann, sind entsprechende Begleitmaßnahmen vorzusehen, die sowohl sozialpädagogische Interventionen ermöglichen, als auch die Kompetenzentwicklung unterstützen.
Zur Realisierung einer langfristigen Finanzierungsbasis ist die Aktivierung der durch die Beschäftigung eingesparten passiven Leistungen des Arbeitslosengeldes II erforderlich.
B. Lösung
Durch eine Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch werden die Bedingungen öffentlich geförderter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung präzisiert und langfristige Fördermöglichkeiten von tariflich entlohnten Beschäftigungsverhältnissen geschaffen. Bestehende Schwierigkeiten in der Handhabung des Instrumentes in der Praxis werden beseitigt und die Finanzierung mithilfe der Aktivierung passiver Leistungen gesichert.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte
Mithilfe der Aktivierung passiver Leistungen wird die Möglichkeit geschaffen, Mittel aus dem Leistungsrecht zugunsten der Aktivierung von Langzeitarbeitslosen im Eingliederungstitel zu nutzen. Die Aktivierung führt mithin zu einer Umschichtung im Bundesetat für Arbeitsmarktpolitik. Mehrkosten entstehen hierdurch nicht.
E. Sonstige Kosten
Keine.
F. Bürokratiekosten
Keine. Durch die vereinfachte Handhabung des Instrumentes der öffentlich geförderten Beschäftigung sind geringfügig kürzere Bearbeitungsdauern in den Jobcentern zu erwarten.
Gesetzesantrag der Länder Hamburg, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der öffentlich geförderten Beschäftigung
Der Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg
Hamburg, den 21. Mai 2013
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat gemeinsam mit den Regierungen der Länder Freie Hansestadt Bremen, Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der öffentlich geförderten Beschäftigung mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 Grundgesetz zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 910. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.
Mit freundlichen Grüßen
Olaf Scholz
Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der öffentlich geförderten Beschäftigung
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 21. März 2013 (BGBl. I S. 556) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 16e wird wie folgt geändert:
- a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
"Vor der Bewilligung wird der örtliche Beirat nach § 18d beteiligt."
- b) Absatz 2 Sätze 1 und 2 wird wie folgt gefasst:
"Der Zuschuss soll den Unterschied zwischen der Leistungsfähigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und der einer durchschnittlich leistungsfähigen Arbeitnehmerin oder eines durchschnittlich leistungsfähigen Arbeitnehmers gleicher Funktion ausgleichen (Minderleistungsausgleich); er beträgt höchstens 75 vom Hundert des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts. Berücksichtigungsfähig sind das zu zahlende tarifliche Arbeitsentgelt oder, wenn eine tarifliche Regelung keine Anwendung findet, das für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblich zu zahlende Arbeitsentgelt und der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzüglich des Beitrags zur Arbeitsförderung."
- c) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
- aa) Absatz 3 vor Nummer 1 wird wie folgt gefasst:
"Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person, die das 25. Lebensjahr vollendet hat, kann einem Arbeitgeber zugewiesen werden, wenn".
- bb) In Nummer 1 werden die Wörter "besonders schwer" gestrichen.
- cc) Nummer 3 wird wie folgt gefasst:
"3. keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die Dauer der Zuweisung auch ohne die Förderung möglich ist."
- dd) Nummer 4 wird gestrichen.
- aa) Absatz 3 vor Nummer 1 wird wie folgt gefasst:
- d) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
- aa) Dem Wortlaut werden folgende Sätze vorangestellt:
"Die Leistung wird für zwei Jahre bewilligt und kann auf Antrag um jeweils ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Voraussetzungen für die Förderung weiterhin gegeben sind. Bei jeder Verlängerung wird die Höhe des Minderleistungsausgleichs überprüft und bei Bedarf angepasst."
- bb) Im neuen Satz 5 wird die Angabe "Satz 1" durch die Angabe "Satz 3" ersetzt.
- aa) Dem Wortlaut werden folgende Sätze vorangestellt:
- e) Folgender Absatz 6 wird angefügt:
(6) Für die Kosten, die für die Betreuung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person zwecks Stabilisierung des Beschäftigungsverhältnisses sowie für Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung und Qualifizierung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person entstehen, können auf Antrag Zuschüsse erbracht werden. Eine Pauschalierung ist zulässig."
2. § 46 Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
(4) Zur Förderung von Arbeitsverhältnissen nach § 16e werden zusätzlich zu den Eingliederungsmitteln Mittel des Arbeitslosengeldes II nach § 19 Absatz 1 Satz 1 eingesetzt. Die Höhe der Mittel bemisst sich nach den durchschnittlich durch die Beschäftigung nach § 16e zu erwartenden Einsparungen bei den Aufwendungen des Bundes für das Arbeitslosengeld II sowie der Anzahl der nach § 16e geförderten Personen. Das weitere Verfahren zur Ermittlung der Höhe und zur Bereitstellung der Mittel wird durch Rechtsverordnung nach Absatz 2 geregelt."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
Auch bei guter wirtschaftlicher Situation und steigendem Fachkräftebedarf gibt es eine Gruppe von Arbeitslosen, bei denen eine Integration in reguläre Beschäftigung in absehbarer Zeit nicht gelingen wird. Im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Dazu bedarf es des Angebotes von öffentlich geförderten Beschäftigungsmöglichkeiten. Deren Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Teilnehmenden zu erhalten, zu stärken bzw. wiederherzustellen. Auf diese Weise können Integrationshemmnisse abgebaut und perspektivisch die Grundlagen für eine Integration in reguläre Beschäftigung geschaffen werden.
Öffentlich geförderte Beschäftigung kann ihre arbeitsmarktpolitische Zielsetzung nur dann verwirklichen, wenn eine qualitätsgerechte Ausgestaltung gesichert ist. Da aufgrund der individuellen Defizite der Zielgruppe allein durch die Beschäftigung selbst die arbeitsmarktpolitische Zielsetzung in der Regel nicht erreicht werden kann, sind entsprechende Begleitmaßnahmen vorzusehen, die sowohl sozialpädagogische Interventionen ermöglichen, als auch die Kompetenzentwicklung unterstützen.
Zur Realisierung einer langfristigen Finanzierungsbasis ist die Aktivierung der durch die Beschäftigung eingesparten passiven Leistungen des Arbeitslosengeldes II erforderlich.
Zu § 16e Absatz 1 Satz 2:
Hinzugefügt wurde die Voraussetzung, den Beirat nach § 18d SGB II zu beteiligen. Der Beirat soll damit seine Beratungsfunktion ausüben und an der Entscheidung über die Zweckmäßigkeit öffentlich geförderter Beschäftigung mitwirken.
Zu § 16e Absatz 2:
Absatz 2 regelt die maximale Höhe des bewilligbaren Zuschusses. Mithilfe der gesetzlichen Definition wird klargestellt, dass Zuschüsse nach Absatz 1 als individueller Minderleistungsausgleich anzusehen sind. Der Zuschuss bemisst sich an der tariflichen - hilfsweise ortsüblichen - Entlohnung.
Zu § 16e Absatz 3:
Mit der Begrenzung der Förderung auf Personen über 25 Jahre soll klargestellt werden, dass für jüngere Leistungsberechtigte vorrangig einen Integration in Ausbildung erfolgen soll.
Zu § 16e Absatz 3 Nummer 1:
Die "besondere Schwere" von Vermittlungshemmnissen ist ein auslegungsbedürftiger Begriff, der in der Umsetzung zu erheblichen Schwierigkeiten in den Jobcentern geführt hat. Die vom Gesetz geforderte zusätzliche Bewertung, ob das Vorliegen von Langzeitarbeitslosigkeit sowie zwei weiteren Vermittlungshemmnisse die Vermittlung tatsächlich "besonders schwer" beeinträchtigt, ist für die Vermittler kaum möglich. Aus diesem Grund soll das Erfordernis aus dem Wortlaut gestrichen werden.
Zu § 16e Absatz 3 Nummer 3:
Die Negativformulierung soll die Prüfung der Vermittler über die Förderungsfähigkeit der einzelnen Person erleichtern. Es soll wie bei der Streichung der besonderen Schwere in Nr. 1 verhindert werden, dass neben den abstrakten auch die konkreten Vermittlungshemmnisse im Detail überprüft werden müssen. Die Erstellung einer Prognose scheint sich im Einzelfall als praktisch äußerst schwierig herauszustellen und ist im Übrigen kaum objektiv nachprüfbar.
Zu § 16e Absatz 3 Nummer 4:
Die Nummer 4 wurde gänzlich gestrichen, um den Anwendungsbereich öffentlich geförderter Beschäftigung nicht übermäßig einzuengen.
Zu § 16e Absatz 4:
Es ist eine langfristige Förderungsmöglichkeit zu schaffen, um auch die Integration arbeitsmarktferner Personen zu erreichen. Jedoch muss auch im Gegenzug einer etwa bestehenden Missbrauchsgefahr entgegengewirkt werden. Daher sollte der Förderungszeitraum zunächst auf zwei Jahre begrenzt werden. Um im Einzelfall schließlich eine langfristige Vermittlung zu erreichen, ist eine Verlängerung des Förderzeitraumes um jeweils ein weiteres Jahr, auf entsprechenden Antrag hin, zu ermöglichen. Die Höhe des Zuschusses ist dabei stets neu zu prüfen und anzupassen. Der Übergang in ungeförderte Beschäftigung bleibt das Ziel der Förderung von Arbeitsverhältnissen nach § 16e SGB II.
Zu § 16e Absatz 6 (neu):
Absatz 6 stellt klar, dass die langfristige Integration von Langzeitarbeitslosen auf dem ersten Arbeitsmarkt nur durch die umfassende Vernetzung von bestehenden Förderungsmöglichkeiten und Maßnahmen erreicht werden kann. Öffentlich geförderte Beschäftigung darf daher andere Fördermaßnahmen nicht ausschließen. Sollten durch weitere Fördermaßnahmen zusätzliche Kosten entstehen, können diese ebenfalls auf Antrag durch Zuschüsse aufgefangen werden.
Zu § 46 Absatz 4 (neu):
Absatz 4 stellt mit der Aktivierung passiver Leistungen zugunsten der Finanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung nicht nur Eingliederungsmittel, sondern auch solche aus § 19 Abs. 1 SGB II zur Verfügung (Passiv-Aktiv-Transfer). Dies erscheint zur wirkungsvollen und zielerreichenden Umsetzung zum einen erforderlich, zum anderen werden so, wie sich aus Satz 2 ergibt, die durch öffentlich geförderte Beschäftigung erwarteten Einsparungen von ALG II sinnvoll und der Höhe entsprechend für die Finanzierung öffentlich geförderter Beschäftigung verwendet. Die Höhe der Fördermittel bemisst sich an den pauschal zu erwartenden Einsparungen passiver Mittel und nach der Anzahl der nach § 16e SGB II Geförderten. Darüber hinausgehende Regelungen zur Höhe der einsetzbaren Mittel können nach Satz 3 per Rechtsverordnung geregelt werden."