Europäische Kommission Brüssel, den 5. Mai 2009
Vizepräsidentin
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
ich danke Ihnen für die Stellungnahme des deutschen Bundesrates zu dem
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe (KOM (2008) 818).*
Die Kommission begrüßt es, wenn sich die nationalen Parlamente zu Ihren Vorschlägen äußern und so dazu beitragen, den politischen Willensbildungsprozess zu verbessern. Gerne greife ich Ihre Bemerkungen auf und hoffe, dass Ihnen die beigefügte Antwort der Kommission nützliche Anregungen für weitere Beratungen geben kann.
Ich freue mich darauf, unseren politischen Dialog in Zukunft noch vertiefen zu können und verbleibe mit freundlichen Grüßen Margot Wallström
Europäische Kommission,
B-1049 Brüssel, Belgien.
Telefon: (32-2) 299 11 11.
Europäische Kommission Brüssel, Mai 2009
Bemerkungen der Europäischen Kommission zu einer Stellungnahme des Deutschen Bundesrates KOM (2008) 818 - Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe
Die Kommission dankt dem deutschen Bundesrat für seine Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsund Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe {KOM (2008) 818}.
Die Kommission begrüßt, dass der deutsche Bundesrat grundsätzlich die Absicht der Kommission unterstützt, durch grundlegende Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen bei der Spende von Organen zu Transplantationszwecken ein hohes Schutzniveau für Patienten in der EU zu gewährleisten und dem Organmangel sowie dem Organhandel entgegenzuwirken.
Die Kommission nimmt die Bedenken des deutschen Bundesrates im Zusammenhang mit Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a des Vertrags zur Kenntnis. Rechtsgrundlage des Vorschlags ist in der Tat Artikel 152 und insbesondere Absatz 4 Buchstabe a dieses Artikels, wie aus den Bezugsvermerken hervorgeht. Die vorgeschlagene Richtlinie wird keinen Mitgliedstaat daran hindern, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen vorausgesetzt, sie entsprechen den Bestimmungen des Vertrags. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass Artikel 152 eine Mindestharmonisierung vorsieht, so dass die Mitgliedstaaten ihre geltenden Rechtsvorschriften und bestehende Organisationsstrukturen beibehalten können, sofern sie den Anforderungen der vorgeschlagenen Richtlinie und des Vertrags genügen. Des Weiteren möchte die Kommission nochmals darauf hinweisen, dass Transplantationsverfahren als chirurgische Eingriffe in der ausschließlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verbleiben und daher nicht unter die Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft fallen.
Gestützt auf Artikel 152 des Vertrags sind bereits Rechtsvorschriften für Blut und Blutbestandteile sowie für Gewebe und Zellen erlassen worden. Die beiden vorgenannten Rechtsakte sahen die Schaffung einer zuständigen Behörde vor. Wie insbesondere in Erwägungsgrund 19 der vorgeschlagenen Richtlinie erläutert und in der Empfehlung des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten über den Hintergrund, die Aufgaben und die Zuständigkeiten einer nationalen Transplantationsorganisation (NTO) betont wäre es am besten, eine einzige offiziell anerkannte Einrichtung mit der Gesamtverantwortung für Spende, Zuteilung, Rückverfolgbarkeit und Rechenschaftspflicht zu betrauen.
Daher kommt der zuständigen Behörde eine Schlüsselrolle dabei zu, Qualität und Sicherheit von Organen während des gesamten Transplantationsverfahrens zu gewährleisten. Die Kommission möchte den deutschen Bundesrat darauf hinweisen, dass je nach innerstaatlicher Kompetenzverteilung der Mitgliedstaaten verschiedene lokale, regionale nationale und/oder internationale Stellen bei der Koordinierung der Spende, der Zuteilung und/oder der Transplantation zusammenarbeiten können, vorausgesetzt, Rechenschaftspflicht, Kooperation und Effizienz sind in dem vorhandenen Rahmen gesichert. Für die Schaffung der Verwaltungsstrukturen ist der einzelne Mitgliedstaat verantwortlich. Möglicherweise könnte für Deutschland keine Veranlassung bestehen, zusätzliche neue Verwaltungsstrukturen zu schaffen oder Verfahren zur doppelten Genehmigung zu durchlaufen, solange den Anforderungen der vorgeschlagenen Richtlinie Genüge getan wird.
Die Kommission nimmt die Bedenken des deutschen Bundesrates zur finanziellen und administrativen Belastung der Mitgliedstaaten zur Kenntnis. Sie möchte den Bundesrat dazu auffordern, die dem Vorschlag beigefügte Folgenabschätzung und deren Anhänge genauer zu prüfen. Darin werden die finanziellen und administrativen Auswirkungen angemessen behandelt. Darüber hinaus möchte die Kommission den deutschen Bundesrat darauf hinweisen, dass der mit dem Vorschlag verfolgte Ansatz im Wesentlichen einen Rahmen vorgeben soll, der hinreichend flexibel ist, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen und bürokratischen Mehraufwand zu vermeiden.
Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates zu einem uneingeschränkten grenzüberschreitenden Organaustausch ebenfalls zur Kenntnis. Mit der vorgeschlagenen Richtlinie wird nicht beabsichtigt, die Systeme für den Organaustausch zu regeln. Die Kommission ist sich dessen bewusst, dass bereits gut funktionierende Systeme bestehen wie die Stiftung Eurotransplant, an der auch Deutschland beteiligt ist. Im Richtlinienvorschlag werden die grundlegenden Qualitäts- und Sicherheitsstandards aufgeführt denen jedes Transplantationssystem entsprechen muss. Der vorliegende Vorschlag soll ein hohes Maß an Qualität und Sicherheit der gesamten "Organtransplantationskette" in allen Mitgliedstaaten sicherstellen und dabei der Freizügigkeit der Bürger innerhalb der Europäischen Union Rechnung tragen. Die Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards wird der Öffentlichkeit die Gewähr bieten dass menschliche Organe einer Spende aus anderen Mitgliedstaaten dieselben Garantien erfüllen wie Organe aus dem eigenen Land.
Darüber hinaus teilt die Kommission die vom deutschen Bundesrat vorgetragene
Auffassung: "Soweit Mitgliedstaaten noch nicht über ausgebaute Transplantationssysteme einschließlich dafür entwickelter Datenerfassungssysteme verfügen hält es der Bundesrat für vordringlich, diese Mitgliedstaaten im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der jeweils spezifischen Problemlage bei der Organisation ihrer Transplantationssysteme zu unterstützen." Dies ist im Kern das Ziel des Aktionsplans für Organspende und Organtransplantation, der die vorgeschlagene Richtlinie ergänzt.
Die Kommission möchte nochmals betonen, dass der Organhandel am besten dadurch bekämpft werden kann, dass mehr Organe zur Verfügung stehen und ihre Qualität und Sicherheit gewährleistet wird. Da die Rechtsgrundlage des Vorschlags eine gründliche Behandlung des Themas Organhandel nicht gestattet, möchte die Kommission lediglich herausstellen dass die Einrichtung zuständiger Behörden, die Genehmigungsverfahren und die Systeme der Rückverfolgbarkeit indirekt dazu beitragen werden, den Organhandel zu bekämpfen.
Außerdem möchte die Kommission darauf hinweisen, dass laut Informationen von Europol bisher keine Beschwerden registriert wurden oder Ermittlungsinformationen vorliegen die auf einen Organhandel oder Menschenhandel zum Zwecke der Organentnahme in einem EU-Land schließen ließen.
Die Europäische Kommission wird dennoch die Lage aufmerksam überwachen, um etwaige Fälle von Menschenhandel zum Zwecke der Organentnahme aufzudecken. In diesem Zusammenhang zieht die Kommission eine Überarbeitung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels1 in Erwägung, um den Menschenhandel zum Zwecke der Organentnahme als Strafbestand einzubeziehen und somit die Ermittlungsarbeit und Strafverfolgung auf diesem Gebiet zu stärken.
Die Kommission hofft, dass diese Erläuterungen für den deutschen Bundesrat von Interesse sind und ist gerne bereit, weitere Auskünfte zu erteilen.