960. Sitzung des Bundesrates am 22. September 2017
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat stimmt der Kommission darin zu, dass Solidarität in der EU einen zentralen gemeinsamen Wert darstellt, den es zu fördern gilt. Er stellt fest, dass dieses Ziel bereits aktuell mit dem Europäischen Freiwilligendienst verfolgt wird. Dabei ist ihm ein Anliegen, dass die im Laufe von 20 Jahren entstandenen Erfahrungen und umfassenden Standards im Europäischen Freiwilligendienst auch für das Solidaritätskorps übernommen werden.
- 2. Der Bundesrat betont die Bildungsdimension im Europäischen Freiwilligendienst und spricht sich dafür aus, dass die Persönlichkeitsbildung junger Menschen auch im Solidaritätskorps eine zentrale Rolle spielen muss. Er befürchtet jedoch, dass der von der Kommission im vorgeschlagenen Basisrechtsakt zum Solidaritätskorps verfolgte Ansatz zu einer Vermischung von ehrenamtlichem Engagement und Freiwilligentätigkeit mit der Beschäftigung im sozialen Bereich führt.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass im Jugendbereich, wie auch bei anderen Maßnahmen von "Erasmus+", bereits jetzt viele Anträge abgelehnt werden müssen, und betont, dass der Abzug von Mitteln aus "Erasmus+" nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Situation führen darf.
- 4. Der Bundesrat konstatiert, dass sich die in Artikel 26 des Kommissionsvorschlags vorgesehenen Änderungen der Verordnung für das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport "Erasmus+" nicht auf die für die Schaffung des Solidaritätskorps aus Sicht der Kommission notwendige Anpassung des Basisrechtsakts des Förderprogramms beschränken. So wird nicht nur der Jugendbereich von den Änderungsvorschlägen tangiert, sondern die Budgetverteilung auch in anderen Punkten grundlegend geändert.
- - Der Bundesrat verwahrt sich dagegen, dass das sensible Thema der Budgetverteilung des Programms "Erasmus+" mit entscheidenden Implikationen für den Bildungsbereich ausschließlich in der Ratsarbeitsgruppe Jugend diskutiert wird. Bereits bei den Verhandlungen des Programms "Erasmus+" im Bildungsausschuss des Rates stellten Budgetfragen den Kern der Diskussionen dar. Vor diesem Hintergrund scheint es dem Bundesrat weder angemessen noch akzeptabel, die Budgetverteilung nur am Rande der Verhandlungen des Solidaritätskorps ohne jedwede Einbeziehung des Bildungsausschusses und des Bildungsministerrates zu beraten und zu entscheiden. - Darüber hinaus bekräftigt der Bundesrat seine Sorge, dass Bildungsthemen auf EU-Ebene von anderen Bereichen vereinnahmt und von Gremien fachfremder Ressorts entschieden werden (siehe unter anderem die Stellungnahme des Bundesrates vom 4. November 2016, BR-Drucksache 475/16(B) , Ziffer 6). Nach Auffassung des Bundesrates ist zwingend zu gewährleisten, dass die für Bildung zuständigen Fachgremien des Rates auf Minister- sowie auf Arbeitsebene weiterhin mit sämtlichen Bildungsthemen befasst werden, die auf europäischer Ebene diskutiert werden.
- - Zudem moniert der Bundesrat, dass die vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 vom 11. Dezember 2013 zur Errichtung von "Erasmus+" weder in der Begründung der Kommission noch in den Erwägungsgründen hinreichend transparent gemacht werden. So geht die Kommission in der "ausführliche[n] Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags" lediglich darauf ein, dass in den Änderungsbestimmungen von Kapitel IX des Verordnungsvorschlags notwendige Änderungen der Basisrechtsakte von Programmen, aus denen Mittel auf das Solidaritätskorps umgeschichtet werden, vorgenommen werden. Dass hiermit eine Umschichtung von rund 300 Millionen Euro aus der Bürgschaftsfazilität für Studiendarlehen sowie Änderungen der Mindestbudgets bei einzelnen Maßnahmen des Programms verbunden sind, wird nicht deutlich. Auch die Ausführungen in Erwägungsgrund 39 des Verordnungsvorschlags werden als nicht ausreichend erachtet.
- 5. Der Bundesrat hat sich zur Bürgschaftsfazilität für Studiendarlehen von Anfang an kritisch geäußert (siehe bereits Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2012, BR-Drucksache 767/11(B) , Ziffer 22). Er bekräftigt seine ablehnende Haltung, die sich darin bestätigt, dass die für das Instrument zur Verfügung stehenden Mittel nicht im Ansatz abgerufen werden konnten.
- 6. Der Bundesrat unterstreicht, dass sich das Programm "Erasmus+" auf alle Ebenen des lebenslangen Lernens erstreckt. Er mahnt vor diesem Hintergrund Sorgfalt bei der Anpassung der prozentualen Aufteilung bei den Mindestbudgets sämtlicher Bildungsbereiche an. Er geht davon aus, dass die im derzeitigen Basisrechtsakt zu "Erasmus+" festgelegten Mindestbudgets auch in Zukunft gewährleistet sein müssen. Zudem unterstreicht der Bundesrat, dass im Rahmen von "Erasmus+" dem Bildungsbereich zugewiesene Mittel nicht in das Solidaritätskorps abfließen dürfen.
- 7. Der Bundesrat stellt mit Erstaunen fest, dass erhebliche Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 vom 11. Dezember 2013 zur Errichtung von "Erasmus+" innerhalb weniger Monate von der Kommission vorgelegt wurden und von Rat und Parlament beraten werden sollen, während die administrative Behebung der Probleme bei der Umsetzung der derzeitigen Verordnung lange Zeit erforderte und immer noch nicht abgeschlossen ist. Der Bundesrat hat wiederholt eine Erleichterung der Bedingungen für Schulen gefordert und auf die übermäßigen administrativen Lasten hingewiesen (so unter anderem in seiner Stellungnahme vom 29. Januar 2016, BR-Drucksache 510/15(B) , Ziffer 22). Der Bundesrat bedauert, dass die bisherigen Vorgaben der Kommission zu einem nachhaltigen Rückgang der Antragszahlen im Schulbereich geführt haben (siehe auch Stellungnahme des Bundesrates vom 14. Oktober 2016, BR-Drucksache 335/16(B) , Ziffer 3), den aufzufangen langfristige Motivationsarbeit und enorme Anstrengungen erforderlich macht. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass gerade die Förderung von Mobilität und Partnerschaften im Schulbereich eine Chance darstellt, jungen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund den Mehrwert europäischer Zusammenarbeit konkret vor Augen zu führen, indem sie Völkerverständigung unmittelbar erfahrbar macht und die Bildung einer verbindenden europäischen Identität fördert (vergleiche auch Stellungnahme des Bundesrates vom 29. Januar 2016, BR-Drucksache 510/15(B) , Ziffer 22).
- 8. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 9. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.