948. Sitzung des Bundesrates am 23. September 2016
Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Ziel des Gesetzentwurfs, durch eine Verschärfung des Vereinsgesetzes Vereinigungen (insbesondere im Bereich der kriminellen Rockergruppierungen) entgegenzuwirken, die einen Deckmantel für vielfältige Formen der schweren und organisierten Kriminalität bieten. Mit der Erweiterung des Kennzeichenverbots nach § 9 Absatz 3 VereinsG-E sowie der Strafvorschrift des § 20 Absatz 1 Satz 2 VereinsG-E wird das Kennzeichenverbot praxistauglicher und effektiver ausgestaltet.
- 2. Darüber hinaus bedarf das Vereinsgesetz nach Auffassung des Bundesrates einer umfassenden Überprüfung. Das Gesetz ist in weiten Teilen seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1964 unverändert geblieben. In die Prüfung sollten allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen, wie der Einsatz moderner informationstechnischer Systeme durch verbotsrelevante Vereine, sowie sonstige Probleme, die im Rahmen vereinsrechtlicher Verbote in der Verwaltungspraxis aufgetreten sind, einbezogen werden.
Besonders dringend ist eine Überprüfung des § 3 Absatz 2 Satz 1 VereinsG-E, der die zuständige Behörde für ein Vereinsverbot bestimmt. Danach ist Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken, die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde. Für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, ist der Bundesminister des Innern zuständig. Die Regelung lässt offen, was unter den Merkmalen der erkennbaren Organisation und Tätigkeit eines Vereins zu verstehen ist. In der Rechtsprechung und in der Literatur gibt es hierzu zum Teil unterschiedliche Auffassungen. Ferner ist es für die Verwaltungspraxis häufig schwierig oder kaum möglich, die Strukturen und Aktivitäten eines Vereins zur Klärung der Zuständigkeit in dem gebotenen Umfang aufzuklären. Die fehlende klare Zuständigkeitsregelung kann allein aus formellen Gründen zur Aufhebung von Vereinsverboten führen. Im Juli dieses Jahres hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Verbotsverfügung des rheinlandpfälzischen Innenministeriums, mit der der Verein "Hells Angels Motorradclub (MC) Bonn" verboten wurde, wieder hergestellt. Das Gericht kam - anders als die Verbotsbehörde - zu dem Ergebnis, dass der Verein landesübergreifend tätig ist und die Zuständigkeit des Bundesministeriums des Innern für das Vereinsverbot gegeben ist. Auch deuten aktuelle Entwicklungen in der Rockerszene darauf hin, dass die einschlägigen Gruppierungen ihre Organisation und Tätigkeit so steuern, dass für die potentiellen Verbotsbehörden Zuständigkeitsprobleme entstehen.
- 3. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, das öffentliche Vereinsrecht, insbesondere das Vereinsgesetz sowie die Verordnung zur Durchführung des Vereinsgesetzes, im Hinblick auf weitere Bedürfnisse der Praxis zu prüfen und gegebenenfalls zügig fortzuentwickeln.