859. Sitzung des Bundesrates am 12. Juni 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A) und der Finanzausschuss (Fz) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die nunmehr geänderte Vorgehensweise der Kommission, nicht mehr wie ursprünglich geplant, bereits in 2010 von den Mitgliedstaaten eine Neuabgrenzung zu verlangen, sondern auf der Grundlage von Simulationen realisierbare Kriterien vorzuschlagen und für die Neueinstufung der Gebiete ausreichend Zeit für den dazu notwendigen intensiven Abstimmungsprozess einzuplanen. Er betont, dass die Simulationen nicht als eine neue Abgrenzung der benachteiligten Gebiete anzusehen sind.
- 2. Der Bundesrat würdigt die Bemühungen der Kommission, ein EU-weit anwendbares und transparentes System für die Abgrenzung benachteiligter Gebiete als Grundlage für die künftige Förderung der benachteiligten Gebiete zu schaffen.
- 3. Der Bundesrat bittet in diesem Zusammenhang die Bundesregierung um eine intensive fachliche Begleitung und Koordinierung der Zuarbeiten der Länder. Außerdem bittet er die Bundesregierung, die für die vorgesehenen Simulationen notwendigen bundesweit verfügbaren Daten (Klima, Boden) den Ländern zur Verfügung zu stellen.
- 4. Der Bundesrat bedauert die ablehnende Haltung der Kommission gegenüber bewährten Indexsystemen, wie z.B. die in Deutschland verwendete Landwirtschaftliche Vergleichszahl (LVZ). Er bittet die Bundesregierung, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass eine Möglichkeit gefunden wird, das jetzige Indexsystem in Deutschland auch für weitere Gebietsabgrenzungen nach 2013 nutzen zu können.
- 5. Der Bundesrat erkennt das Vereinfachungspotenzial der geplanten Kriterien für die Abgrenzung der Gebiete mit naturbedingten Nachteilen an. So würde die Erfüllung eines einzigen biophysikalischen Kriteriums für die Einstufung ausreichen.
- 6. Die o. g. Vereinfachung läuft durch den geplanten Ausschluss von Gebieten, in denen die Landwirtschaft die bestehenden naturbedingten Nachteile überwunden hat (2. Stufe der Abgrenzung), ins Leere.
- 7. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich nachdrücklich bei der Kommission für eine Streichung dieses Vorschlags einzusetzen.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, darauf zu drängen, dass keine 2. Stufe der Abgrenzung vorgesehen wird. Sollte eine 2. Stufe nicht zu verhindern sein, muss sie für die Mitgliedstaaten fakultativ und einfach auszugestalten sein sowie auf dauerhaften Kriterien beruhen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Kommission dafür einzutreten, dass die Auslöseschwelle für die Einstufung als benachteiligtes Gebiet nicht, wie in der Mitteilung vorgesehen, auf 66 Prozent erhöht, sondern wie bisher bei 50 Prozent belassen wird.
- 10. Falls es im Ergebnis einer Neuabgrenzung zu Einschränkungen der derzeitigen Gebietskulisse kommen sollte, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei der Kommission für ein - verwaltungsmäßig einfach durchführbares - Phasingout ab 2014 einzutreten, um den davon betroffenen Betrieben den Übergang zu erleichtern.
- 11. Im Zuge einer Neuabgrenzung muss darauf geachtet werden, dass als Bezugsebene Gemeinden oder Gemarkungen ermöglicht werden. Den Ländern muss darüber hinaus entsprechend ihres jeweiligen Referenzsystems eine eindeutige Zuordnung der Benachteiligungen zur jeweiligen Referenzparzelle (Feldblock, Feldstück, Schlag, Flurstück) gestattet und somit das Verfahren vereinfacht werden.
- 12. Der Bundesrat stellt im Übrigen fest, dass entgegen der Einschätzung der Kommission eine Neuabgrenzung für die Länder keine Vereinfachung, sondern einen deutlichen Mehraufwand mit sich bringt und dadurch erhebliche Kosten verursacht.
- 13. Der Bundesrat fordert, dass die anfallenden Kosten für die Durchführung der Simulationen und für die Erstellung der Karten aus dem EU-Haushalt (ggf. im Rahmen der technischen Hilfe) finanziert werden.
- 14. Der Bundesrat lehnt eine Belastung der Länderhaushalte ab und fordert, dass bei nicht vollständiger Finanzierung aus dem EU-Haushalt die Kosten vom Bund zu tragen sind.
- 15. Der Bundesrat behält sich vor, zu der Mitteilung erneut Stellung zu nehmen.
Begründung zu Ziffern 1 bis 12 und 15 (nur gegenüber dem Plenum):
Die geänderte Vorgehensweise der Kommission lässt den Mitgliedstaaten nun ausreichend Zeit für die geplante Neuabgrenzung und die dazu notwendigen intensiven Abstimmungsprozesse auf allen Ebenen. In Deutschland verfügen die Länder nicht über alle für die Neuabgrenzung erforderlichen Daten, deren Beschaffung ist aufwändig und teuer. Eine zentrale Koordinierung und Datenbeschaffung durch den Bund bringt Synergieeffekte und Kostenersparnis.
Das in Deutschland verwendete Indexsystem ist sachgerecht, von allen Seiten anerkannt, justiziabel und hat sich über Jahrzehnte bewährt. Es wäre kontraproduktiv, durch einen extrem hohen Verwaltungsaufwand ein neues System zu etablieren, das in der Sache keine Fortschritte bringt und im Ergebnis weniger rechtssicher ist als das bisherige LVZ-System. Entsprechend der Aussage der Kommission, primäres Ziel der Neuabgrenzung sei nicht eine Einschränkung der Gebietskulisse, sondern Einheitlichkeit und Transparenz, muss alles auf EU-Ebene unternommen werden, die bestehende Gebietskulisse zu halten. Die Anhebung der generellen Abgrenzungsschwelle, wonach ein Referenzgebiet erst als benachteiligt eingestuft wird, wenn auf mindestens 66 Prozent der Flächen ein Abgrenzungskriterium erfüllt wird, ist als deutliche Verschärfung den Landwirten nicht vermittelbar und kann daher nicht akzeptiert werden.
Landwirte, die über Jahrzehnte im Rahmen der Ausgleichszulage gefördert wurden, ab 2014 aber nicht mehr in der Gebietskulisse liegen könnten, sind nicht in der Lage, innerhalb eines Jahres beim Übergang der jetzigen Planungsperiode auf die neue Finanzperiode (2014 bis 2020) ihre Betriebe so umzustellen, dass sie auf die Ausgleichszulage verzichten können. Ein Phasingout muss diesen Anpassungsprozess erleichtern. Eine ausreichende Finanzierung durch die EU muss dafür sichergestellt sein.
Eine zweite Stufe der Abgrenzung stellt die erste Stufe in Frage und ist überdies äußerst verwaltungsaufwändig und teuer. Auch ist der Ausschluss von Gebieten, in denen die Landwirtschaft die bestehenden naturbedingten Nachteile überwunden haben könnte, in Deutschland auf Grund mangelnder Datenverfügbarkeit nicht realisierbar. Insbesondere produktionsbezogene Indikatoren wie durchschnittliche Getreideerträge und Standarddeckungsbeiträge pro Hektar sind für die Gemeinde-Ebene nicht verfügbar. Falls es notwendig ist, Intensiv- oder Spezialkulturen auszuschließen, sollte dies wie bisher durch eine entsprechende Ausgestaltung der Förderkriterien erfolgen. Im Übrigen ist es auch nicht sachgerecht, Gebiete auszuschließen, in denen evtl. bestehende naturbedingte Nachteile überwunden wurden, da dies i. d. R. mit teuren Investitionen und zumindest zum Teil hohen Unterhaltskosten zum Erhalt der Funktionsfähigkeit entsprechender Anlagen verbunden war bzw. ist (Drainagen, feste Beregnungsanlagen etc.).
Die Einführung neuer Indikatoren für die Gebietsabgrenzung bringt erhebliche Mehraufwendungen mit sich (Technik, Personal), die die Länderhaushalte zusätzlich belasten. Mitteleinsparungen, wie von der Kommission kalkuliert, sind nicht erkennbar.
B.
- 16. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.